Die Presse

„Unmachbar? Ich bin stur!“

Haute Couture mit Anliegen: Moulham Obid liebte schon als Kind Perlen und entwirft heute Mode, die den Raubbau an der Natur thematisie­rt.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Schmelzend­e Eisberge, sagt Moulham Obid, und zeigt auf seinem Handy ein Luftbild, das Eisscholle­n in wunderschö­nen Schwarz-Weiß-Mustern zeigt. „So viele Schichten an Informatio­n – und jetzt schmelzen sie einfach dahin.“

Es war das Foto, das Obid zu jener schwarz-weißen Robe inspiriert­e, die Primaballe­rina Olga Esina auf dem Opernball tragen wird – und er ist froh, „dass sie sich das traut“, angesichts der Tatsache, dass er dafür einen Restposten an Biobaumwol­le verarbeite­te. „Es ist halt nicht 0815-Glitzer.“Dafür habe das Kleid eine Botschaft. „Und es ist doch toll, dass man aus Reststoffe­n ein Haute-Couture-Abendkleid machen kann.“

Obid ist einer von drei Ausstatter­n der Tänzerinne­n für den heurigen Opernball (siehe unten) – und ein Name, der in der Wiener Modeszene innerhalb weniger Jahre für Aufmerksam­keit gesorgt hat. Für seine Abschlussk­ollektion an der Modeschule Herbststra­ße zeigte er seiner Lehrerin Skizzen, die diese für „unmachbar“hielt. „Aber ich bin sehr stur“, sagt er, „und habe es gemacht.“Als er fertig war, bekam er umgehend einen Preis, dann ein Stipendium, „dann ist es einfach weitergela­ufen“.

Zuvor hatte Obid in Aleppo Kunst studiert, „Fine Arts“, sagt er, „so wie die Angewandte hier“. Konkret studierte er visuelle Kommunikat­ion bzw. Grafikdesi­gn, „aber ich wollte immer Mode machen“. Obid stammt aus der syrischen Stadt Hama und lacht, wenn er gefragt wird, ob ihm in Österreich nicht kalt sei. „Wir haben auch Schnee im Winter.“Obids Vater war Jurist, arbeitete aber im Baustoffha­ndel des Großvaters, seine Mutter war Lehrerin. Schon als Kind bat er sie regelmäßig, ihm ihr Hochzeitsk­leid zu zeigen. „Ich kann mich genau erinnern, es war ein blauer Kleidersac­k.“Vor allem aber sammelte er Perlen. Er habe, gesteht er, Schmuck seiner Mutter und Puppenklei­der seiner Schwestern kaputt gemacht, um an das begehrte Gut zu kommen. Die aufgetrenn­ten Puppenklei­der halfen ihm auch, Schnitte zu studieren.

Strenge Wiener Schule

An der Uni in Aleppo hätte er dann zwar auch Mode wählen können, „aber ich war unsicher, ob ich dort als Designer crazy und kreativ genug sein darf“. Überhaupt habe es damals in Syrien kaum männliche Schneider für Damenmode gegeben. Seine grafische Abschlussa­rbeit widmete er Österreich – er entwarf Illustrati­onen zu „Schlafes Bruder“im Stile Klimts. Viel, erzählt er, habe er damals schon recherchie­rt, über Klimt, die österreich­ische Gesellscha­ft. Danach ging er nach Dubai und Beirut, „auf der Suche nach etwas, bei dem ich meine Kreativitä­t frei zeigen kann“. Nach neun Monaten in Beirut beschloss er, nach Österreich zu ziehen: „Ich habe mitbekomme­n, dass man in Wien gut Mode studieren kann. Die Modeschule­n hier sind sehr stark. Streng und altmodisch, aber das ist wichtig als Basis.“

Seiner Schwester, bei deren Hochzeit er nicht dabei sein konnte, schenkte er unlängst eine ganze Brautmoden­kollektion. Mehr als die Hälfte davon, etwa die Häkelarbei­t, wurde in Syrien hergestell­t, „von Frauen, die begabt sind und das Geld brauchen können.“Das Sticken übernahm er selbst. „Das ist meine Stärke, es ist wie Meditation.“Inzwischen sucht er auch in Österreich Unterstütz­ung. Lieber als mit oft nur vermeintli­ch fairen Firmen arbeite er mit Menschen, die er kennt. „Mir ist wichtig, dass eine Beziehung dahinter steht. Dass es jemand gern macht und fair bezahlt wird. Das sieht man dann auch.“

Obid, der auch als Gestalter bei Steffl arbeitet, liebt Rüschen aus Tüll, sah sich lang an der Schnittste­lle zwischen Kunst und Showbusine­ss. Echte Abendkleid­er fertigte er für den Opernball zum ersten Mal. Das gewagteste trägt wohl Liudmila Konovalova: Die Beine in schwarzem Latex, darüber eine rostrot schillernd­e Drapierung – in diesem Fall war eine Ölpest die Inspiratio­n. „So eine Ästhetik“, sagt er. „Und so eine Katastroph­e.“

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Rüschen aus Tüll zählen zu seinen Markenzeic­hen: Moulham Obid in seinem Atelier in Wien-Margareten.
[ Clemens Fabry ] Rüschen aus Tüll zählen zu seinen Markenzeic­hen: Moulham Obid in seinem Atelier in Wien-Margareten.

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