„Unmachbar? Ich bin stur!“
Haute Couture mit Anliegen: Moulham Obid liebte schon als Kind Perlen und entwirft heute Mode, die den Raubbau an der Natur thematisiert.
Schmelzende Eisberge, sagt Moulham Obid, und zeigt auf seinem Handy ein Luftbild, das Eisschollen in wunderschönen Schwarz-Weiß-Mustern zeigt. „So viele Schichten an Information – und jetzt schmelzen sie einfach dahin.“
Es war das Foto, das Obid zu jener schwarz-weißen Robe inspirierte, die Primaballerina Olga Esina auf dem Opernball tragen wird – und er ist froh, „dass sie sich das traut“, angesichts der Tatsache, dass er dafür einen Restposten an Biobaumwolle verarbeitete. „Es ist halt nicht 0815-Glitzer.“Dafür habe das Kleid eine Botschaft. „Und es ist doch toll, dass man aus Reststoffen ein Haute-Couture-Abendkleid machen kann.“
Obid ist einer von drei Ausstattern der Tänzerinnen für den heurigen Opernball (siehe unten) – und ein Name, der in der Wiener Modeszene innerhalb weniger Jahre für Aufmerksamkeit gesorgt hat. Für seine Abschlusskollektion an der Modeschule Herbststraße zeigte er seiner Lehrerin Skizzen, die diese für „unmachbar“hielt. „Aber ich bin sehr stur“, sagt er, „und habe es gemacht.“Als er fertig war, bekam er umgehend einen Preis, dann ein Stipendium, „dann ist es einfach weitergelaufen“.
Zuvor hatte Obid in Aleppo Kunst studiert, „Fine Arts“, sagt er, „so wie die Angewandte hier“. Konkret studierte er visuelle Kommunikation bzw. Grafikdesign, „aber ich wollte immer Mode machen“. Obid stammt aus der syrischen Stadt Hama und lacht, wenn er gefragt wird, ob ihm in Österreich nicht kalt sei. „Wir haben auch Schnee im Winter.“Obids Vater war Jurist, arbeitete aber im Baustoffhandel des Großvaters, seine Mutter war Lehrerin. Schon als Kind bat er sie regelmäßig, ihm ihr Hochzeitskleid zu zeigen. „Ich kann mich genau erinnern, es war ein blauer Kleidersack.“Vor allem aber sammelte er Perlen. Er habe, gesteht er, Schmuck seiner Mutter und Puppenkleider seiner Schwestern kaputt gemacht, um an das begehrte Gut zu kommen. Die aufgetrennten Puppenkleider halfen ihm auch, Schnitte zu studieren.
Strenge Wiener Schule
An der Uni in Aleppo hätte er dann zwar auch Mode wählen können, „aber ich war unsicher, ob ich dort als Designer crazy und kreativ genug sein darf“. Überhaupt habe es damals in Syrien kaum männliche Schneider für Damenmode gegeben. Seine grafische Abschlussarbeit widmete er Österreich – er entwarf Illustrationen zu „Schlafes Bruder“im Stile Klimts. Viel, erzählt er, habe er damals schon recherchiert, über Klimt, die österreichische Gesellschaft. Danach ging er nach Dubai und Beirut, „auf der Suche nach etwas, bei dem ich meine Kreativität frei zeigen kann“. Nach neun Monaten in Beirut beschloss er, nach Österreich zu ziehen: „Ich habe mitbekommen, dass man in Wien gut Mode studieren kann. Die Modeschulen hier sind sehr stark. Streng und altmodisch, aber das ist wichtig als Basis.“
Seiner Schwester, bei deren Hochzeit er nicht dabei sein konnte, schenkte er unlängst eine ganze Brautmodenkollektion. Mehr als die Hälfte davon, etwa die Häkelarbeit, wurde in Syrien hergestellt, „von Frauen, die begabt sind und das Geld brauchen können.“Das Sticken übernahm er selbst. „Das ist meine Stärke, es ist wie Meditation.“Inzwischen sucht er auch in Österreich Unterstützung. Lieber als mit oft nur vermeintlich fairen Firmen arbeite er mit Menschen, die er kennt. „Mir ist wichtig, dass eine Beziehung dahinter steht. Dass es jemand gern macht und fair bezahlt wird. Das sieht man dann auch.“
Obid, der auch als Gestalter bei Steffl arbeitet, liebt Rüschen aus Tüll, sah sich lang an der Schnittstelle zwischen Kunst und Showbusiness. Echte Abendkleider fertigte er für den Opernball zum ersten Mal. Das gewagteste trägt wohl Liudmila Konovalova: Die Beine in schwarzem Latex, darüber eine rostrot schillernde Drapierung – in diesem Fall war eine Ölpest die Inspiration. „So eine Ästhetik“, sagt er. „Und so eine Katastrophe.“