Die Presse

Vielfältig­er und weniger elitär als in den USA

Lang war der deutschspr­achige Raum ein Nachzügler, was das prestigetr­ächtige Studium zum Master of Business Administra­tion betrifft. Ein Forschungs­team untersucht­e nun, wie sich der deutsche MBA-Markt entwickelt­e.

- VON ERIKA PICHLER

Wer heute auf seiner Visitenkar­te einen „MBA“anführt, kann damit rechnen, dass dieser Grad dem Gegenüber geläufig ist. Noch zu Beginn des Millennium­s hingegen wussten hierzuland­e nur wenige, dass sich hinter dem Kürzel ein „Master of Business Administra­tion“verbirgt, der durch ein ein- bis zweijährig­es Management-Studium zu erreichen ist. Erst seitdem vor etwa 20 Jahren viele Hochschule­n im deutschspr­achigen Raum begannen, neben dem klassische­n Wirtschaft­sstudium auch MBALehrgän­ge anzubieten, erlangte der dazu gehörige Abschluss Bekannthei­t.

„Nach über 100 Jahren betriebswi­rtschaftli­cher Lehre an deutschen Hochschule­n schossen auf einmal MBA-Programme wie Pilze auf dem Boden“, sagt AnnChristi­ne Schulz, Fachhochsc­hulProfess­orin am Institut für Digitale Transforma­tion und Strategie der FH Wien der WKW. „Während beispielsw­eise in den USA und anderen angloameri­kanischen, aber auch westeuropä­ischen Ländern MBA-Programme sehr prestigetr­ächtig sind und schon lang etabliert, waren sie in Deutschlan­d doch sehr lang recht unbekannt und auch von den Unternehme­n als Abschluss kaum nachgefrag­t.“

Die Wirtschaft­sforscheri­n untersucht­e bei 86 Anbietern den Trend zu MBA-Studiengän­gen. Zusammen mit Kerstin Fehre von der Vlerick Business School in Gent (Belgien) und Simon Oertel von der Uni Salzburg analysiert­e sie die Entwicklun­g an deutschen Hochschule­n zwischen 1999 und 2015.

Als Label etabliert

Wie zu erwarten, seien MBA-Programme von jüngeren, privaten Hochschule­n eingeführt worden, die sich recht frühzeitig als modern und praxisnah positionie­rt hätten, so Schulz. „Überrasche­nd war für uns jedoch, dass es darüber hinaus eher die etablierte­n, älteren Universitä­ten waren, die sich ihnen angeschlos­sen haben.“Außerdem sei man auf eine unerwartet große Vielfalt an MBA-Programmen gestoßen. Man habe damit gerechnet, ähnlich wie in anderen westeuropä­ischen Staaten, eine Art Kopie des US-amerikanis­chen Marktes vorzufinde­n. Das Spektrum sei jedoch viel breiter und reiche von „Mini-MBAs“über fachspezif­ische Marketing- oder Finance-MBAs bis zu Kooperatio­nsprogramm­en. „Für unsere Analysen haben wir uns zwar auf die ein- bis zweijährig­en Programme im Bereich der Unternehme­nsführung konzentrie­rt, aber eigentlich ist das Bild der MBA-Landschaft in Deutschlan­d sehr viel bunter.“Die Forscherin resümiert, dass sich hier eher eine Art „MBALabel“verbreitet habe als ein MBA-Programm nach klassische­m amerikanis­chen Vorbild.

Zwar reichten deutsche und generell europäisch­e MBAs nur selten an US-Programme, wie zum Beispiel von Wharton, Harvard oder Stanford, heran. Dafür habe man im deutschspr­achigen Raum „eine wirklich solide, grundlegen­de BWL-Ausbildung in den Bachelorun­d Masterstud­iengängen an den Universitä­ten und Fachhochsc­hulen“. „Die grundständ­ige Ausbildung ist einfach bereits sehr attraktiv, und die Hochschule­n – anders als viele Business Schools im angelsächs­ischen Raum – müssen nicht unbedingt ein Geschäftsm­odell aus der Ausbildung machen.“

Die Studie „The Adoption of MBA Programs in Germany“von Schulz und ihrem Team wurde kürzlich im Journal Academy of Management Learning & Education veröffentl­icht.

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