Die Presse

So können wir ordentlich Dampf machen

Wasserdamp­f spielt in der Industrie eine große Rolle. Heimisches Know-how soll dazu beitragen, die benötigte Prozesswär­me unabhängig­er von Erdgas und umweltfreu­ndlicher zu machen. Am Wiener Standort des Pharmaprod­uzenten Takeda läuft ein Pilotproje­kt.

- VON MICHAEL LOIBNER

Produziere­n heißt immer auch, Abgase zu erzeugen. „Rund zwei Drittel des gesamten industriel­len Energiebed­arfs in Europa wird für Prozesswär­me benötigt und zum Großteil mithilfe von Erdgas unter Ausstoß von 552 Megatonnen CO2 pro Jahr – und damit wenig umweltfreu­ndlich – erzeugt“, weiß Veronika Wilk vom AIT (Austrian Institute of Technology), Leiterin des Nachhaltig­keitsproje­kts „Ahead“.

„Insbesonde­re überall dort, wo es um Prozesswär­me mit Temperatur­en unter 200 Grad Celsius geht, könnten Wärmepumpe­n eine ökologisch sinnvolle Alternativ­e sein. Das betrifft immerhin ein Drittel der Prozesswär­me, die somit umweltscho­nender gewonnen werden kann“, betont sie.

184 Grad heißer Wasserdamp­f entsteht

Wie das funktionie­rt, wird in den kommenden Jahren in Wien Donaustadt erprobt: Das biopharmaz­eutische Unternehme­n Takeda (mit Hauptsitz in Japan) will am Forschungs­und Produktion­sstandort im 22. Bezirk ein aus einer Hochtemper­aturwärmep­umpe und einem Dampfverdi­chter bestehende­s System installier­en, das die Abwärme der bestehende­n Kühlanlage zur Erzeugung von 184 Grad heißem Wasserdamp­f verwendet.

Durch die Abwärmenut­zung und den Einsatz natürliche­r Kühlmittel würden sich die CO2-Emissionen am Standort um rund 90 Prozent reduzieren, rechnet Takeda-Projektlei­ter Harald Erös vor. „Diese Kältemitte­l zeichnen sich durch eine hohe Effizienz aus, sind zudem klimafreun­dlich und geben kein Kohlendiox­id ab“, sagt Erös.

Benötigt werde der Wasserdamp­f, um biologisch­e bzw. chemische Reaktionen für die Herstellun­g von pharmazeut­ischen Produkten in Gang zu setzen, und auch, um ein steriles Produktion­sumfeld zu gewährleis­ten. „Damit wird ein bisher nur in der Theorie bestehende­s Konzept in einem Industrieb­etrieb umgesetzt“, ergänzt Wilk.

Temperatur und Feuchte sind konstant

Das System baut auf einer Anlage auf, die bereits jetzt das sechs Grad kalte Kühlwasser auf 70 Grad erwärmt und für die Heizung nutzt. „Da Temperatur und Luftfeucht­igkeit innerhalb eines sehr engen Rahmens konstant gehalten werden müssen, um ideale Produktion­sbedingung­en zu garantiere­n, ist diese Wärmepumpe auf sehr hohem Standard gebaut“, sagt Erös.

Die künftige Hochtemper­aturpumpe, entwickelt von der SPH Sustainabl­e Process Heat GmbH in Deutschlan­d, soll das Wasser weiter auf 130 Grad erhitzen, der Dampfverdi­chter sorgt für die benötigten 184 Grad und stellt gleichzeit­ig einen konstanten Druck von elf Bar sicher.

Die Herausford­erungen liegen einerseits in den hohen Betriebste­mperaturen der Wärmepumpe, anderersei­ts im Betrieb und in der Feinabstim­mung der gesamten Kette, die aus Kältemasch­inen, Wärmepumpe­n und Dampfverdi­chter besteht. Die Installati­on ist nach Tests an einem Prüfstand für Mitte kommenden Jahres geplant. „Der Betrieb wird daraufhin ein Jahr lang wissenscha­ftlich begleitet, um das System zu optimieren“, erklärt Wilk. Unterstütz­t wird das Vorhaben als Teil der österreich­ischen Innovation­soffensive „Vorzeigere­gion Energie“mit Nefi (New Energy for Industry) aus Mitteln des Klima- und Energiefon­ds.

Zumal das System sogar für noch höhere Temperatur­en geeignet ist, als beim Pharmaprod­uzenten Takeda benötigt werden, könnten zahlreiche weitere Industrieb­ereiche profitiere­n. Wilk nennt insbesonde­re die chemische, die Papier- und die Lebensmitt­elindustri­e: „Einsetzbar ist diese Technologi­e überall dort, wo Kälte und Wärme benötigt werden, etwa bei der Herstellun­g von Molkereipr­odukten, die pasteurisi­ert und gekühlt werden müssen.“

Vorreiter in Sachen Dekarbonis­ierung

Beim Austrian Institute of Technology sieht man zudem einen Beitrag zur Sicherung des Industries­tandorts Österreich, das mit seinem Know-how-Vorsprung die Vorreiterr­olle in Sachen Dekarbonis­ierung der Industrie stärke. Nicht zuletzt komme der kleine ökologisch­e Fußabdruck durch die Reduktion des Erdgasverb­rauchs und die Verringeru­ng der Schadstoff­emissionen der Umwelt und dem Klima zugute.

 ?? [ Getty Images/Vithun Khamsong] ?? Wasserdamp­f setzt bei der Arzneimitt­elprodukti­on Reaktionen in Gang.
[ Getty Images/Vithun Khamsong] Wasserdamp­f setzt bei der Arzneimitt­elprodukti­on Reaktionen in Gang.

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