So können wir ordentlich Dampf machen
Wasserdampf spielt in der Industrie eine große Rolle. Heimisches Know-how soll dazu beitragen, die benötigte Prozesswärme unabhängiger von Erdgas und umweltfreundlicher zu machen. Am Wiener Standort des Pharmaproduzenten Takeda läuft ein Pilotprojekt.
Produzieren heißt immer auch, Abgase zu erzeugen. „Rund zwei Drittel des gesamten industriellen Energiebedarfs in Europa wird für Prozesswärme benötigt und zum Großteil mithilfe von Erdgas unter Ausstoß von 552 Megatonnen CO2 pro Jahr – und damit wenig umweltfreundlich – erzeugt“, weiß Veronika Wilk vom AIT (Austrian Institute of Technology), Leiterin des Nachhaltigkeitsprojekts „Ahead“.
„Insbesondere überall dort, wo es um Prozesswärme mit Temperaturen unter 200 Grad Celsius geht, könnten Wärmepumpen eine ökologisch sinnvolle Alternative sein. Das betrifft immerhin ein Drittel der Prozesswärme, die somit umweltschonender gewonnen werden kann“, betont sie.
184 Grad heißer Wasserdampf entsteht
Wie das funktioniert, wird in den kommenden Jahren in Wien Donaustadt erprobt: Das biopharmazeutische Unternehmen Takeda (mit Hauptsitz in Japan) will am Forschungsund Produktionsstandort im 22. Bezirk ein aus einer Hochtemperaturwärmepumpe und einem Dampfverdichter bestehendes System installieren, das die Abwärme der bestehenden Kühlanlage zur Erzeugung von 184 Grad heißem Wasserdampf verwendet.
Durch die Abwärmenutzung und den Einsatz natürlicher Kühlmittel würden sich die CO2-Emissionen am Standort um rund 90 Prozent reduzieren, rechnet Takeda-Projektleiter Harald Erös vor. „Diese Kältemittel zeichnen sich durch eine hohe Effizienz aus, sind zudem klimafreundlich und geben kein Kohlendioxid ab“, sagt Erös.
Benötigt werde der Wasserdampf, um biologische bzw. chemische Reaktionen für die Herstellung von pharmazeutischen Produkten in Gang zu setzen, und auch, um ein steriles Produktionsumfeld zu gewährleisten. „Damit wird ein bisher nur in der Theorie bestehendes Konzept in einem Industriebetrieb umgesetzt“, ergänzt Wilk.
Temperatur und Feuchte sind konstant
Das System baut auf einer Anlage auf, die bereits jetzt das sechs Grad kalte Kühlwasser auf 70 Grad erwärmt und für die Heizung nutzt. „Da Temperatur und Luftfeuchtigkeit innerhalb eines sehr engen Rahmens konstant gehalten werden müssen, um ideale Produktionsbedingungen zu garantieren, ist diese Wärmepumpe auf sehr hohem Standard gebaut“, sagt Erös.
Die künftige Hochtemperaturpumpe, entwickelt von der SPH Sustainable Process Heat GmbH in Deutschland, soll das Wasser weiter auf 130 Grad erhitzen, der Dampfverdichter sorgt für die benötigten 184 Grad und stellt gleichzeitig einen konstanten Druck von elf Bar sicher.
Die Herausforderungen liegen einerseits in den hohen Betriebstemperaturen der Wärmepumpe, andererseits im Betrieb und in der Feinabstimmung der gesamten Kette, die aus Kältemaschinen, Wärmepumpen und Dampfverdichter besteht. Die Installation ist nach Tests an einem Prüfstand für Mitte kommenden Jahres geplant. „Der Betrieb wird daraufhin ein Jahr lang wissenschaftlich begleitet, um das System zu optimieren“, erklärt Wilk. Unterstützt wird das Vorhaben als Teil der österreichischen Innovationsoffensive „Vorzeigeregion Energie“mit Nefi (New Energy for Industry) aus Mitteln des Klima- und Energiefonds.
Zumal das System sogar für noch höhere Temperaturen geeignet ist, als beim Pharmaproduzenten Takeda benötigt werden, könnten zahlreiche weitere Industriebereiche profitieren. Wilk nennt insbesondere die chemische, die Papier- und die Lebensmittelindustrie: „Einsetzbar ist diese Technologie überall dort, wo Kälte und Wärme benötigt werden, etwa bei der Herstellung von Molkereiprodukten, die pasteurisiert und gekühlt werden müssen.“
Vorreiter in Sachen Dekarbonisierung
Beim Austrian Institute of Technology sieht man zudem einen Beitrag zur Sicherung des Industriestandorts Österreich, das mit seinem Know-how-Vorsprung die Vorreiterrolle in Sachen Dekarbonisierung der Industrie stärke. Nicht zuletzt komme der kleine ökologische Fußabdruck durch die Reduktion des Erdgasverbrauchs und die Verringerung der Schadstoffemissionen der Umwelt und dem Klima zugute.