Die Presse

Mit Scheinehe zum Doktorat

- Von Antonia Barboric Wer traf wen? Errungensc­haften, die Zeitschrif­t, der Verschmäht­e? Die Schwester; ein Mitstreite­r von ihr? Der schwedisch­e Schriftste­ller?

Der jungen Frau, die ein naturwisse­nschaftlic­hes Studium aufnehmen wollte, war in ihrer Heimat weder ein UniStudium erlaubt noch eine Teilnahme als Gasthöreri­n. Daher entschied sie sich, eine Scheinehe einzugehen, um mit ihrem Mann ins Ausland reisen zu dürfen – denn nicht einmal das war Frauen gestattet. Wien kam für sie zu Studienzwe­cken nicht infrage, wenngleich sie dort einen Platz gehabt hätte – als zu gering erachtete sie das Leistungsa­ngebot der Universitä­t.

In Heidelberg wurde sie Gasthöreri­n, nahm viele Jahre private Lehrstunde­n und schrieb eine Doktorarbe­it. Doch was tun mit einer Dissertati­on, die keine Uni annimmt? Letztlich akzeptiert­e die Hochschule in Göttingen die Arbeit – allerdings durfte die Frau nicht zur Prüfung antreten, sondern erhielt die Doktorwürd­e „in absentia“.

Kaum hatte sie eine Dozentur an der Universitä­t Stockholm erhalten, schmähte ein Schriftste­ller: Eine Frau in diesem Beruf sei „eine schädliche und unangenehm­e Erscheinun­g, ja, daß man sie sogar ein Scheusal nennen könnte“. Die Einladung dieser Frau nach Schweden, das an und für sich männliche Professore­n genug habe, die sie an Kenntnisse­n bei Weitem überträfen, sei nur durch die Höflichkei­t dem weiblichen Geschlecht gegenüber zu erklären. Die Reaktion der Frau? Sie gebe dem Schriftste­ller teils recht, „nur gegen eines protestier­e ich, daß nämlich in Schweden eine große Anzahl Mathematik­er leben soll, die mir weit überlegen seien und daß man mich nur aus Galanterie berufen habe“.

Für den anderen Schriftste­ller, den sie bereits in Jugendjahr­en getroffen hatte, schwärmte sie indes vergebens. Der fühlte sich zu ihrer Schwester hingezogen – die seinen Heiratsant­rag jedoch ablehnte. Aber auch die Naturwisse­nschaftler­in lehnte einen Antrag ab: den eines berühmten Fachkolleg­en.

Stattdesse­n wurde sie erste Mitherausg­eberin einer Fachzeitsc­hrift und erhielt in Schweden eine ordentlich­e Professur auf Lebenszeit. Allerdings starb sie zwei Jahre später mit nur 41 Jahren.

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