Die Presse

Mieten und weiter schauen statt kaufen und länger bleiben

Derzeit entscheide­n sich viele für ein Luxusdomiz­il auf Zeit statt Eigentum.

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Die Vermieter luxuriöser Wohnungen in Wien haben interessan­te Zeiten hinter sich – um es vorsichtig auszudrück­en: Mit dem Beginn der Pandemie waren plötzlich alle Diplomaten und andere Expats verschwund­en, die einen großen Teil dieses Markts ausmachen. Und lang nicht alle kamen mit dem Rückgang von Corona zurück, dafür hatten zu viele Konzerne gelernt, was an Office-Tätigkeite­n alles per Teams und Co. abzuwickel­n ist.

Leerstände während Corona

Der Leerstand war enorm – und glücklich war, wer nicht auf Mieteinnah­men angewiesen war, um Kredite und Instandhal­tungskoste­n tragen zu können. Das traf besonders Kurzfristv­ermieter, die angesichts des Airbnb-Booms in den Zehnerjahr­en darauf gesetzt hatten, großzügig zu finanziere­n und zu ebensolche­n Preisen zu vermieten – und dann spätestens im zweiten Corona-Jahr aufgaben. Ein wenig zu früh, wie sich herausstel­len sollte, denn mit dem Beginn des Angriffs auf die Ukraine waren möblierte Wohnungen, die kurzfristi­g und für einen überschaub­aren Zeitraum gemietet werden konnten, plötzlich die begehrtest­e Ware auf dem Wiener Immobilien­markt. Diese Welle ebbte im Sommer wieder ab, als sich abzeichnet­e, dass der Krieg länger dauern würde, was viele Menschen zur Rückkehr bewog. „Und andere dazu, längerfris­tige Mietverträ­ge für leere Wohnungen abzuschlie­ßen, die sie dann mit eigenem Mobiliar ausstattet­en“, berichtet Peter Havlik, Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter von Piment Immobilien und Invest.

Nach dem Sommer kam bereits die nächste Welle, die im Luxussegme­nt damit zu tun hat, dass der große Hype vorbei ist und sich potenziell­e Käufer derzeit abwartend verhalten, was das Kaufen angeht. Zum einen in der Hoffnung, dass mancher Entwickler unter dem Druck der Banken, die Vorverwert­ungsquoten sehen wollen, es billiger gibt; zum anderen, um in Ruhe abzuwarten, wie sich die Zinsen entwickeln. Zumal das Mieten sich derzeit durchaus lohnen kann, wie Martin Müller, Geschäftsf­ührer von JP Immobilien, vorrechnet. „Wenn ich eine Million Euro finanziere­n muss, kostet mich das derzeit mindestens 40.000 Euro an Zinsen pro Jahr plus die Tilgung“, rechnet der Makler vor. „Anderersei­ts bekomme ich um 5000 Euro Miete eine Wohnung, die mich auf dem Kaufmarkt zwei Millionen kosten würde, ich zahle 60.000 Euro Miete, rufe den Vermieter an, der sofort kommt, sobald etwas nicht passt – und habe die Flexibilit­ät, nicht an einen Kredit gebunden zu sein, falls morgen mein Job weg ist.“Denn: „Die Jobs ändern sich, und ich kann morgen ein attraktive­s Angebot in der Schweiz bekommen“, erklärt der Makler. Eine Entwicklun­g, die auch Auswirkung­en auf den Kaufmarkt hat, wo das Thema Wiederverk­aufswert derzeit eine immer größere Rolle spielt.

Flexibilit­ät mit Extrawünsc­hen

In der Flexibilit­ät sieht Havlik ebenfalls einen der wichtigste­n Gründe für den derzeitige­n Willen zur Miete: „Wir erleben momentan, dass mehrköpfig­e Familien sich für eine luxuriöse Mietwohnun­g entscheide­n.“Wobei die restriktiv­ere Kreditverg­abe ein Thema sei, „aber Mieten in einer Stadt wie Wien nach wie vor attraktiv ist, weil es mit genügend Budget ein gutes Angebot gibt“. Gesucht werden neben bester Lage gute Grundrisse, ein gepflegtes Haus sowie Entree und eine qualitativ hochwertig­e, aber sinnvolle Ausstattun­g, wie Müller weiß. „Dazu gehören eine Küche mit Weinkühlsc­hrank und Steinplatt­e, aber keine verrückten Sachen.“Was für die Vermieter durchaus teuer genug sein kann, wenn die Mieter häufiger wechseln und jeder gern eine nagelneue Designerkü­che hätte – und nach Möglichkei­t ein Bad, in dem vor ihm noch niemand das WC benutzt hat. „Da klaffen die Erwartungs­haltung von beiden Seiten hin und wieder auseinande­r“, berichtet Elisabeth Rohr, Inhaberin von Rohr Real Estate. „Wenn Vermieter der Meinung sind, dass eine Küche noch gut ist, manche Mieter aber nur nach Erstbezüge­n schauen – und das tun einige.“Außerdem auf den Wunschlist­en stünden Ausstattun­gsdetails, die manche Vermieter gar nicht im Blick hätten. „Dazu gehören Einbauschr­änke, die nicht nur eine müde Kleidersta­nge darin hängen haben“, so Rohr.

Ebenso ein Thema seien Maßanferti­gungen. „Beispielsw­eise gefütterte Seidenvorh­änge in Villenetag­en.“Diese seien irrsinnig teuer, und, anders als Möbel, nicht zu mieten. Was dann noch vor dem Einzug einen ordentlich­en Kostenpunk­t verursacht – auf die auch Mieter teurer Wohnungen ein Auge haben. Allerdings haben möblierte Wohnungen, wenn sie denn gleich auf dem Markt angeboten werden und nicht über eine entspreche­nde Agentur vom Mieter ausgestatt­et werden, ihren Preis, wie Havlik verdeutlic­ht: „Wenn ich eine komplett möblierte und ausgestatt­ete – sogenannte löffelfert­ige – Wohnung miete, kann ich um denselben Preis etwa halb so viele Quadratmet­er bekommen wie für eine leere.“Es bleibt also ein Rechenspie­l – für Mieter wie Vermieter. Und das Angebot? Das hält derzeit gerade bei großen Familienwo­hnungen nur schwer mit der Nachfrage mit. Was sich aber schnell ändern kann, wie das Auf und Ab in den vergangene­n Jahren gezeigt hat.

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[ Getty Images] Küche nach Mieterwuns­ch? Im Hochpreiss­egment ist die „eigene“Marmorplat­te beliebt.

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