Defensiv sein, aber nichts ignorieren
Was tun, wenn Arbeitgeber Hinweise auf strafrechtlich relevantes Verhalten ihrer Mitarbeitenden erhalten? Nicht untätig bleiben, rät Rechtsanwältin Katharina Körber-Risak.
Man kann in die Menschen nicht hineinschauen, lautet die – etwas desperate – Weisheit. Die so auch wieder nicht ganz stimmt. Für Unternehmen stellt sich unabhängig von der Branche rund um die Causa Teichtmeister die Frage: Was müssen sie über das Verhalten ihrer Mitarbeitenden wissen?
„Der Arbeitgeber hat defensiv vorzugehen“, sagt Arbeitsrechtsexpertin Katharina Körber-Risak. „Er darf Mitarbeitende nicht anlasslos ausforschen.“Ohne berechtigtes Interesse sei das „unzulässig“. Auch im Bewerbungsverfahren sind bestimmte Fragen unzulässig, die in den privaten Bereich und nicht die persönliche und professionelle Eignung betreffen: jene nach sexueller Neigung, Familienstand, Partnerschaft, Kindern und Kinderwunsch, Schwangerschaft, Gesundheit, Vorstrafen, Weltanschauung, Vereinszugehörigkeit oder Vermögen.
Anders sei die Lage, wenn es sich um „heikle Positionen“handle. Also Managementpositionen in (börsenotierten) Unternehmen oder öffentlich exponierten Jobs. In diesen Fällen rät die Anwältin zu einem Hintergrundcheck: Sind Strafverfahren (aus früheren Tätigkeiten) anhängig, werden Vorwürfe gegen die Person kolportiert? Dafür werden oftmals externe Berater, die bei der Personalauswahl unterstützen, eingesetzt.
Noch immer wartet man in hierzulande auf die WhistleblowerRichtlinie der EU, für die eine nationale Umsetzung durch den österreichischen Gesetzgeber fehlt. Das hätte bis zum 17. Dezember 2021 erledigt sei sollen. Die Regelung soll unter anderem (ehemalige) Mitarbeitende, Leitungs- oder Aufsichtsorgane, Praktikanten, Bewerber, Lieferanten und Personen in deren Umfeld schützen, wenn sie Hinweise liefern, dass im Unternehmen Gesetzwidriges passiert: etwa in den Bereichen Korruption, Auftragswesen, Finanzdienstleistungen, Geldwäsche, Produktsicherheit, Verbraucherund Umweltschutz. Doch selbst wenn diese Bestimmungen in Kraft sind, werden nicht alle illegalen Handlungen am Arbeitsplatz transparent werden, schon gar nicht jene, die Mitarbeitende privat setzen.
Körber-Risak rät Unternehmen daher dringend, Hinweisen auf strafrechtlich relevantes Verhalten, „die nicht völlig unplausibel sind“und die Stakeholder (Mitarbeitende, Lieferanten, Kunden etc.) oder die Reputation des Unternehmens betreffen, jedenfalls nachzugehen. Das ergebe sich schon aus der Sorgfaltspflicht der Geschäftsführer. Manager seien gesetzlich verpflichtet, ein internes Kontrollsystem (IKS) zu etablieren. Das betrachtet alle Unternehmensprozesse, Kontrollmaßnahmen und Risiken, um Letztere zu minimieren und sicherzustellen, dass alle regulatorischen Vorschriften überwacht und kontrolliert werden.
Im Zweifel: Dienstfrei stellen
Es gebe zwar im Anlassfall keine Anzeigeverpflichtung, aber man sollte Hinweise auf unrechtmäßiges Verhalten „nicht ignorieren“und gegebenenfalls mit der Rechtsabteilung oder Anwälten überlegen, ob ein Schaden für das Unternehmen entstehen kann bzw. wie er abgewendet/minimiert werden kann. Denn in strafrechtlich relevanten Fällen ist die Geschäftsführung dem Unternehmen – trotz aller Fürsorgepflichten – stärker als den verdächtigen Mitarbeitenden gegenüber verpflichtet.
Was diese Situationen für Manager schwierig macht: Das Arbeitsrecht zwingt sie, unter Unsicherheit zu entscheiden. Denn ihnen fehlen anders als den Behörden die investigativen Mittel, um zu sehen, ob sich Mitarbeitende strafbar gemacht haben. Im Zweifel rät Körber-Risak zunächst eine Dienstfreistellung auszusprechen. „Mitarbeitende dürfen nicht den Eindruck haben, das ihnen unterstellte Verhalten sei akzeptabel.“Das verschafft dem Arbeitgeber etwas Zeit, die Sachlage – mit internen und/oder externen Beratern – zu untersuchen. Eine Entlassung, die grundsätzlich unverzüglich erfolgen muss, kann der Arbeitgeber nach bestmöglicher Aufklärung immer noch aussprechen.