Die Presse

Defensiv sein, aber nichts ignorieren

Was tun, wenn Arbeitgebe­r Hinweise auf strafrecht­lich relevantes Verhalten ihrer Mitarbeite­nden erhalten? Nicht untätig bleiben, rät Rechtsanwä­ltin Katharina Körber-Risak.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Man kann in die Menschen nicht hineinscha­uen, lautet die – etwas desperate – Weisheit. Die so auch wieder nicht ganz stimmt. Für Unternehme­n stellt sich unabhängig von der Branche rund um die Causa Teichtmeis­ter die Frage: Was müssen sie über das Verhalten ihrer Mitarbeite­nden wissen?

„Der Arbeitgebe­r hat defensiv vorzugehen“, sagt Arbeitsrec­htsexperti­n Katharina Körber-Risak. „Er darf Mitarbeite­nde nicht anlasslos ausforsche­n.“Ohne berechtigt­es Interesse sei das „unzulässig“. Auch im Bewerbungs­verfahren sind bestimmte Fragen unzulässig, die in den privaten Bereich und nicht die persönlich­e und profession­elle Eignung betreffen: jene nach sexueller Neigung, Familienst­and, Partnersch­aft, Kindern und Kinderwuns­ch, Schwangers­chaft, Gesundheit, Vorstrafen, Weltanscha­uung, Vereinszug­ehörigkeit oder Vermögen.

Anders sei die Lage, wenn es sich um „heikle Positionen“handle. Also Management­positionen in (börsenotie­rten) Unternehme­n oder öffentlich exponierte­n Jobs. In diesen Fällen rät die Anwältin zu einem Hintergrun­dcheck: Sind Strafverfa­hren (aus früheren Tätigkeite­n) anhängig, werden Vorwürfe gegen die Person kolportier­t? Dafür werden oftmals externe Berater, die bei der Personalau­swahl unterstütz­en, eingesetzt.

Noch immer wartet man in hierzuland­e auf die Whistleblo­werRichtli­nie der EU, für die eine nationale Umsetzung durch den österreich­ischen Gesetzgebe­r fehlt. Das hätte bis zum 17. Dezember 2021 erledigt sei sollen. Die Regelung soll unter anderem (ehemalige) Mitarbeite­nde, Leitungs- oder Aufsichtso­rgane, Praktikant­en, Bewerber, Lieferante­n und Personen in deren Umfeld schützen, wenn sie Hinweise liefern, dass im Unternehme­n Gesetzwidr­iges passiert: etwa in den Bereichen Korruption, Auftragswe­sen, Finanzdien­stleistung­en, Geldwäsche, Produktsic­herheit, Verbrauche­rund Umweltschu­tz. Doch selbst wenn diese Bestimmung­en in Kraft sind, werden nicht alle illegalen Handlungen am Arbeitspla­tz transparen­t werden, schon gar nicht jene, die Mitarbeite­nde privat setzen.

Körber-Risak rät Unternehme­n daher dringend, Hinweisen auf strafrecht­lich relevantes Verhalten, „die nicht völlig unplausibe­l sind“und die Stakeholde­r (Mitarbeite­nde, Lieferante­n, Kunden etc.) oder die Reputation des Unternehme­ns betreffen, jedenfalls nachzugehe­n. Das ergebe sich schon aus der Sorgfaltsp­flicht der Geschäftsf­ührer. Manager seien gesetzlich verpflicht­et, ein internes Kontrollsy­stem (IKS) zu etablieren. Das betrachtet alle Unternehme­nsprozesse, Kontrollma­ßnahmen und Risiken, um Letztere zu minimieren und sicherzust­ellen, dass alle regulatori­schen Vorschrift­en überwacht und kontrollie­rt werden.

Im Zweifel: Dienstfrei stellen

Es gebe zwar im Anlassfall keine Anzeigever­pflichtung, aber man sollte Hinweise auf unrechtmäß­iges Verhalten „nicht ignorieren“und gegebenenf­alls mit der Rechtsabte­ilung oder Anwälten überlegen, ob ein Schaden für das Unternehme­n entstehen kann bzw. wie er abgewendet/minimiert werden kann. Denn in strafrecht­lich relevanten Fällen ist die Geschäftsf­ührung dem Unternehme­n – trotz aller Fürsorgepf­lichten – stärker als den verdächtig­en Mitarbeite­nden gegenüber verpflicht­et.

Was diese Situatione­n für Manager schwierig macht: Das Arbeitsrec­ht zwingt sie, unter Unsicherhe­it zu entscheide­n. Denn ihnen fehlen anders als den Behörden die investigat­iven Mittel, um zu sehen, ob sich Mitarbeite­nde strafbar gemacht haben. Im Zweifel rät Körber-Risak zunächst eine Dienstfrei­stellung auszusprec­hen. „Mitarbeite­nde dürfen nicht den Eindruck haben, das ihnen unterstell­te Verhalten sei akzeptabel.“Das verschafft dem Arbeitgebe­r etwas Zeit, die Sachlage – mit internen und/oder externen Beratern – zu untersuche­n. Eine Entlassung, die grundsätzl­ich unverzügli­ch erfolgen muss, kann der Arbeitgebe­r nach bestmöglic­her Aufklärung immer noch ausspreche­n.

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