Alle müssen hinter der Vision stehen
Kosima Kovar hat keine Scheu davor, Neues zu wagen – oder vor Publikum zu sprechen, zuletzt vor der Europäischen Kommission. Dabei behandelt sie Themen, die sonst oft untergehen.
Alles veränderte sich durch den Entschluss, ihre Ziele nicht mehr (nur) vor Augen zu haben, sondern sie niederzuschreiben. Wie eine Keynote vor mehr als 2000 Menschen zu halten. Im vergangenen Jahr hielt Kosima Kovar bereits zehn solcher Vorträge. In denen sie vor allem über zwei Themen sprach: ihre Leidenschaft, Kommunikation und Nachhaltigkeit zu verbinden – ohne vorzutäuschen und Greenwashing zu betreiben –, und über Female Empowerment.
Um als Expertin auftreten zu können, braucht es Erfahrung, die sie seit der Schulzeit sammelt: Als 16-Jährige begann sie, im Marketing bei McDonald’s und Whatchado zu arbeiten, danach folgte berufsbegleitend ein FH-Masterabschluss in Organic Business und Marketing. Zu der Zeit entschied sie sich dafür, selbstständig zu werden. Zwar stand dieses Vorhaben nie auf der Zielliste, doch die Suche nach einer Agentur, bei der sie ihre Stärken einsetzen konnte, sei aussichtslos gewesen.
So gründete sie mit 22 Jahren das Unternehmen Sgreening. Die erste Green-Marketing-Agentur Österreichs sorgt dafür, anhand von ESG-Standards (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) nachhaltige Maßnahmen in unternehmerische Prozesse zu integrieren. Man prüfe die Unternehmen und lehne auch jene ab, deren Vision nicht eindeutig ist. Denn, so wie es Kovar bei ihren Mitarbeitenden hält, sei es auch bei den Kunden: Wer nicht intrinsisch motiviert ist und einer Vision folgt, wird bei ihnen nicht glücklich.
Ihr Fokus liege jedoch seit 2020 auf dem zweiten Start-up, das sie als Co-Gründerin neben CTO Matthew Ziebarth verantwortet: die App Ada. Das Unternehmen setzt auf ein „Full remote“-Modell, da sechs von zehn Beschäftigten nicht in Österreich leben. „Hierzulande wird es Start-ups nicht leicht gemacht, neue Ideen zu verwirklichen. Neben dem bürokratischen Aufwand ist die Gesellschaft immer so nervös, wenn es um Veränderung geht“, sagt sie. Dabei sei es gerade diese Nervosität, die Wachstum ermögliche. Davon ist zumindest die gebürtige Wienerin überzeugt, denn der richtige Zeitpunkt sei eine Illusion. „Es ist egal, wann du startest, du wirst nie bereit sein. Ich habe gelernt, diesen Anspruch an mich abzulegen.“Nicht bereit zu sein bedeute für sie, über sich hinauszuwachsen. „Anfangs war ich nicht bereit, selbstständig zu sein. Dann vor einem Publikum zu sprechen. Zuletzt hatte ich das beklemmende Gefühl wieder, als ich eingeladen wurde, vor der EU-Kommission in Prag zu sprechen. Doch alles gelingt, wenn man bereit ist, sich zu trauen“, betont sie. Für Frauen sei es allerdings schwieriger, diese Schritte zu gehen.
Zurück zu Ada: Beschrieben als „Mentorin in der Tasche“sollen anhand von Vorträgen, Übungen und Videos wenige Minuten ausreichen, um Frauen dabei zu unterstützen, ihre Herausforderungen im (Arbeits-)Alltag zu meistern. Neu daran sei, dass die Daten, die für das Training von Algorithmen verwendet werden, nicht male, sondern female biased sind. Damit soll sichergestellt werden, dass Frauen (von Frauen) lernen, ihre Stärken zu nutzen. Wobei Kovar damit nicht meint, Schwächen negativ zu werten, sondern sich im richtigen Netzwerk zu bewegen. „Wenn ich merke, dass ich etwas nicht kann, zerbreche ich mir nicht den Kopf, sondern hole mir Unterstützung. Und das ist okay.“Wichtig sei nur, diese auch zu Papier zu bringen: „Erst wenn ich meine Stärken und Schwächen aufschreibe, beginne ich, richtig mit ihnen umzugehen.“
Als Frau habe auch sie die Erfahrung gemacht, diskriminiert zu werden: In Meetings habe sie keine Gelegenheit bekommen zu sprechen. Bei Keynotes sei männlichen Kollegen ein Honorar vorgeschlagen worden, wohingegen an ihre Überzeugung appelliert wurde, anstatt sie zu entlohnen. Weniger sparsam sei man mit übergriffigen Bemerkungen umgegangen, erzählt sie. Beispielsweise, als es vor einer Diskussionsrunde darum ging, wer das Mikrofon an ihrer Bluse anbringen dürfe.
Spielregeln der Wirtschaft
Damit sei man auch schon beim „Survival“-Paket für die Wirtschaft angekommen, das ihrer Ansicht nach in der Schule gelehrt werden sollte. Damit meint sie unter anderem, strategische Partnerschaften zu knüpfen, Accounting zu erlernen und ökonomische Zusammenhänge zu verstehen. Aber auch, nicht jedem Menschen zu vertrauen, sondern deren Motivation zu erforschen. Darauf achte sie besonders, wenn es um ihr Team gehe: zu erkennen, wofür Mitarbeitende brennen, wo Leidenschaft steckt und sich nicht davon täuschen zu lassen, dass jemand sympathisch wirkt.
Bewerbungsgespräche – und zunehmend auch Gespräche mit (Neu-)Kundschaft – führe sie in Meeting-Walks. Dafür trifft sie Gesprächspartner zu einem Spaziergang, um ein weiteres Ziel auf der Liste zu erreichen: mehr Bewegung in den Alltag zu integrieren.