Die Bildungsbiografie sichern
Spricht man von Blockchain, denkt man zuerst an Kryptowährungen wie Bitcoin. Die Technologie kann aber noch viel mehr – beispielsweise im Bildungsbereich.
Einfach gesagt ist die Blockchain-Technologie die Beschreibung einer bestimmten Art und Weise, wie Daten in einer Datenbank abgelegt werden. Das Besondere: Die Datensätze werden als Block zusammengefasst und verschlüsselt gebündelt abgelegt. Jeder Block besitzt einen Wert, der sich aus gespeicherten Daten und Informationen, wie dem Datum, einer digitalen Unterschrift oder vom Algorithmus erzeugten Nummern, ergibt. Dadurch bleibt jeder dieser Datenbankeinträge nachvollziehbar und kann nicht mehr manipuliert werden.
Es liege also auf der Hand, diese Technologie zu nutzen, um bestimmte Daten – wie Zeugnisse und Bescheinigungen – zu verifizieren, meint Alfred Taudes, Gründer des Forschungsinstituts für Kryptoökonomie an der WU und wissenschaftlicher Leiter des Austrian Blockchain Center. Seit 2019 ist die WU Teil der Austrian Public Service Blockchain, eines öffentlichen Blockchain-Netzwerks, das unter anderem von der WKO betrieben wird, um Daten zu verifizieren. „Man kann eine beliebige Datei nehmen und daraus einen „Hash“, also einen eindeutigen Fingerabdruck, generieren, der in der Blockchain gespeichert wird“, erklärt Taudes. Mit dem Upload derselben Datei könne jeder verifizieren, ob diese tatsächlich zu diesem Zeitpunkt so ausgesehen habe.
Während Zeugnisse des regulären Studienplans ohnehin mit einer verifizierbaren Amtssignatur versehen sind, verwendet sein Institut die Blockchain-Lösung für Bescheinigungen, die abseits der offiziellen Prüfungen erworben werden. „Ein Beispiel: Wir kooperieren im Zuge einer Lehrveranstaltung mit der Firma SAP. Neben dem normalen Zeugnis erhalten Studierende ein SAP-Zertifikat, das für die weitere berufliche Laufbahn enorm wichtig ist.“Über das Blockchain-System bekommen die Studierenden eine Echtheitsbestätigung des Zertifikats, die von Externen (z. B. dem zukünftigen Arbeitgeber) direkt über die WU-Homepage nachgeprüft werden kann. Auch die Executive Academy für Weiterbildung nutze die Technologie. „Das ist ein zusätzliches Service für Studierende, damit sie Fälschungssicherheit bekommen – das werden wir weiter ausbauen.“
Digitale Signatur reicht aus
Der Idee, Blockchain für offizielle Zeugnisse einzusetzen, steht Rainer Böhme, Professor für Informatik an der Universität Innsbruck, kritisch gegenüber. „Für digitale Zeugnisse ist diese Technologie nicht notwendig – es reichen digitale Signaturen, die in den 1990erJahren standardisiert und reguliert wurden.“Man müsse sich besondere Fallkonstellationen ausdenken und viel Wissen aufseiten aller Beteiligten voraussetzen, um eine Anwendung zu finden, bei der digitale Signaturen nicht ausreichen.
Zudem würden naive Blockchain-Lösungen ein erhebliches Datenschutzproblem schaffen, indem sie Zeugnisse öffentlich machen. Zwar werde an Verschleierungstechniken geforscht, die das Problem aber nicht vollständig lösen. Böhme selbst würde seiner Universität von Blockchain abraten, da der Mehrwert sehr begrenzt sei: „Die meisten Universitäten haben wichtigere Baustellen.“
In puncto Datenschutz sieht Alexander Pfeiffer kein Problem. „Das ist sogar die große Stärke von durchdachten Blockchain-Lösungen“, sagt der Leiter des Emergent Technology Experience Lab der Donau-Uni Krems. Digitale IDs wie die Bürgerkarte können mit der eigenen Blockchain-Wallet verbunden werden, so sei nur die Transaktion-ID öffentlich einsehbar, personenbezogene Daten wie Name oder Note aber nicht. Pfeiffer: „Diese Daten bleiben in der Hand der Studierenden. Sie können mit einem Shared Key Bildungsinstitutionen oder Arbeitgebern temporären Zugang gewähren.“
Einfachere Anrechnungen
Dies würde Zulassungsprozesse beschleunigen und vereinfachen – besonders bei Abschlüssen außerhalb des Standortlands der Universitäten, wenn man als Mensch nicht mehr beurteilen könne, ob es sich um ein echtes Zeugnis handle, so Pfeiffer. Auch erleichtere es die Anerkennung von Prüfungen an anderen Institutionen und erhöhe die Mobilität der Studierenden. „Rein technologisch steht dieser Lösung nichts im Weg“, betont der Experte. Allerdings sei aufgrund der negativ konnotierten Spekulationen mit Tokens und NFTs leider eine gewisse Ablehnung des Themas zu spüren. „Die Speicherung sensibler Daten auf Blockchain, wie für das Bildungswesen, hat aber nichts mit Geldwäsche zu tun. Es ist das genaue Gegenteil davon.“