Die Presse

Die Volksparte­i fällt wie erwartet tief

Der erwartete Verlust trat ein. Im Landtag verliert die Volksparte­i die Absolute. In der Landesregi­erung steht sie an der Kippe.

- VON JULIA WENZEL

Gestartet hatte man den Wahlkampf euphorisch vor 2500 Gästen, den Abschluss beging man am Wahlabend schließlic­h in einem kleinen Raum im Landhaus im vierten Stock am Traisenufe­r: Mit 39,8 Prozent (Stand 18 Uhr) der Stimmen fiel die ÖVP wie prognostiz­iert recht tief. Sie ist der klare Wahlsieger, doch ihr Minus fällt groß aus: 9,9 Prozentpun­kte verliert man im Vergleich zu 2018. Es ist das historisch schlechtes­te Ergebnis der blau-gelben „Niederöste­rreich-Partei“, es ist der Verlust der absoluten Mehrheit im Landtag und – wenn es bei dem Ergebnis bleibt – sogar jener in der nach Proporz besetzten Landesregi­erung. Bleibt es dabei, hätte in dieser die Partei der Amtsinhabe­rin Johanna Mikl-Leitner nur noch vier Landesrats­sitze. Die FPÖ, die ihr historisch bestes Ergebnis schafft, würde zwei hinzugewin­nen und auf insgesamt drei Landesräte kommen. Die SPÖ hätte wie jetzt zwei Sitze. In einer ersten Reaktion sprach Mikl-Leitner von einem „schmerzlic­hen Ergebnis“und einer „Protestwel­le, die über das Land rollt“. Die Frage, ob sie Landespart­eichefin bleibt, beantworte­te sie klar: „Ja.“

Erboster Pröll, blau-gelbe Enttäuschu­ng

Im Land unter der Enns war die Stimmung schon am Nachmittag gedämpft. Die Bedeutung der Landtagswa­hl war im Vorfeld vielfach betont worden. Das wurde auch durch das breite Interesse im Medienzent­rum im Landhaus deutlich, wo Journalist­en förmlich

Schulter an Schulter nebeneinan­der um die letzten Sitzplätze und Steckdosen ritterten, die gegen 16 Uhr kaum noch zu ergattern waren. TV-Stationen und Boulevardz­eitungen hatten eigene Studios eingericht­et, entlang des grau-gläsernen Landhausbo­ulevards reihten sich die Schriftzüg­e der größten Tageszeitu­ngen auf zahlreiche­n Autos.

Umso mehr überrascht­e dann die Ankündigun­g kurz vor der ersten Hochrechnu­ng, dass man diese kurzerhand im Landtagskl­ub im vierten Stock kommentier­en würde – und nicht im zweiten, wo auch der ORF Niederöste­rreich ein großes Studio eingericht­et hatte. Dafür musste der gesamte Medientros­s, der sich zuvor großzügig im zweiten Stock installier­t hatte, in den vierten Stock des Landhauses gelotst werden.

Durch die engen Gänge des ÖVP-Klubs mussten sich anschließe­nd Dutzende Kameras und Mikrofone bis in einen kleinen Klubraum schlängeln, in dem diese kaum Platz noch Sauerstoff vorfanden und sich gegenseiti­g auf die Füße stiegen. Das Setting machte deutlich, dass ein herber

Verlust unmittelba­r bevorstand. Ein sichtlich erboster Erwin Pröll echauffier­te sich über das Menschenkn­äuel, das ihm kurz vor 17 Uhr den Weg in den Klub versperrte – er musste sich zwangsläuf­ig an ihnen vorbeidrän­gen. Neben Landesgesc­häftsführe­r Bernhard Ebner und Parlaments­klubchef August Wöginger war er damit einer der wenigen prominente­n ÖVP-Politiker, den man schon im Vorfeld der Hochrechnu­ng vor Ort erspähte. Von der ÖVP-Bundespoli­tik war sonst nichts zu sehen.

ÖVP: „Das ist ein Alarmzeich­en“

Ebner sprach ebenfalls von einem „schmerzlic­hen Ergebnis“. Personelle Konsequenz­en „soll es nicht geben“. Mikl-Leitner habe „gekämpft wie eine Löwin“.

Im Klubraum versammelt standen auch einige junge Wahlkampfh­elfer und -helferinne­n in Blau und Gelb sowie einzelne Funktionär­e. „Das tut weh“, sagte einer von ihnen, kurz vor 17 Uhr zu einem Kollegen am Telefon. „Ich hoffe, dass ein Vierer vorne steht, aber ich fürchte nicht.“In den Gesichtern

um ihn herum, auch jenem von Ebner, war die Enttäuschu­ng bereits abzulesen. Der Mann, der um seinen Hals einen blau-gelben Schal trug, sollte mit seiner Befürchtun­g am Ende Recht behalten. „Es ist unfassbar“, sagte er später zur „Presse“angesichts des Stimmenzuw­achs der FPÖ. „Das ist eine Partei, die sich zuweilen außerhalb des demokratis­chen Spektrums bewegt. Sie ist eine Partei, die sich als Putinverst­eher inszeniert. Dass eine solche 26 Prozent erhält, ist ein Alarmzeich­en.“

Person Mikl-Leitner zog nicht wirklich

Zu den Gründen des Misserfolg­s dürfte auch die kommunikat­ive Strategie zählen, weniger auf Inhalte als auf die Spitzenkan­didatin zu fokussiere­n. Denn diese gab nur für wenige ÖVP-Wählerinne­n und -Wähler den Ausschlag, wie die Wahltagsbe­fragung von Peter Hajek mit ATV/Puls 24 zeigt: Zwar zeigten sich 32 Prozent mit ihrer Arbeit zufrieden, ihre Person aber war nur für 14 Prozent der ÖVP-Wähler das wichtigste Wahlmotiv.

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Betroffene Mienen bei der ÖVP, nachdem die Mehrheit in Landtag und Landesregi­erung verloren gegangen ist. In der Mitte Landesgesc­häftsführe­r Bernhard Ebner.
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