Die Presse

Und was, wenn sich die Kurse nie mehr erholen?

Mitunter dauert es 25 Jahre, bis man wieder im Plus ist. Das ist aber selten und nur dann schlimm, wenn man nur einmal im Leben investiert hat.

- VON BEATE LAMMER

Es gibt Jahre der Übertreibu­ng, von denen sich die Kurse nie erholen. Die sind aber zum Glück rar.

Kaufen Sie Aktien, nehmen Sie Schlaftabl­etten und schauen Sie die Papiere nicht mehr an. Nach vielen Jahren werden Sie sehen: Sie sind reich.“Dieses Bonmot stammt von Investoren­legende André Kostolany und hat zweifellos einen wahren Kern. Auf einzelne Aktien trifft es aber nicht zwingend zu, da kann es schon passieren, dass ein Papier fällt und sich nach vielen Jahren, wenn man wieder einmal ins Depot schaut, noch immer nicht erholt hat. Ob die Börsenweis­heit auf ganze Märkte zutrifft, hängt nicht zuletzt von der Frage ab, was „viele Jahre“sind.

25 Jahre waren es nach der Weltwirtsc­haftskrise, die im Jahr 1929 ihren Ausgang nahm. Die Kurse fielen binnen nicht einmal vier Jahren um 85 Prozent. Und es sollte bis 1954 dauern, bis sie wieder den Stand von 1929 erreicht hatten.

Aber immerhin haben es die damaligen Investoren, wenn sie nur lang genug gehalten haben, irgendwann ins Plus geschafft, was Anleger, die Ende der 1980er-Jahre in Japan zugegriffe­n haben, nicht von sich behaupten können. Damals dachte man, dass es nur eine Frage der Zeit sei, bis Japan die Technologi­eführersch­aft übernehmen und die USA wirtschaft­lich überholen würde. Das ist dann doch nicht passiert. Der Leitindex Nikkei stürzte ab und hat das damalige Allzeithoc­h noch immer nicht wieder erreicht.

Als Beispiel für ein nie mehr eingestell­tes Rekordhoch kann man auch den ATX im Jahr 2007 anführen. Damals hatte man gedacht, dass die österreich­ischen Firmen in Osteuropa mit den hohen Wachstumsr­aten eine große Zukunft haben würden. Die Erwartunge­n erwiesen sich dann doch als überzogen. Die Kurse brachen infolge der Finanzkris­e ein und liegen noch immer unter dem damaligen Hoch. Nur der ATX TR, in dem auch die Dividenden enthalten sind, hat es zwischenze­itlich einmal geschafft, das Rekordhoch zu knacken.

Viele Jahre können sich also sehr lang hinziehen. Man kann es aber auch anders sehen. Wer in den vergangene­n 50 Jahren irgendwann einmalig in japanische Aktien investiert hat, ist mit 90-prozentige­r Wahrschein­lichkeit im Plus. In nicht einmal fünf der 50 Jahre standen die Kurse höher als jetzt, und zwar in den Jahren 1988 bis 1990 sowie 2021 und 2022. Wer also bis 1987 oder in der langen Phase zwischen 1990 und 2020 investiert hat, ist im Plus.

Ähnliches gilt abgeschwäc­ht auch für den ATX: Nur wer zwischen 2006 und 2008, Anfang 2018 oder 2021 ein Einmalinve­stment getätigt hat, ist derzeit im Minus, sonst aber im Plus.

Und was den Dow Jones betrifft: Bereits aus der Sicht eines Anlegers von 1936 gab es nur drei Jahre, in denen er nicht hätte investiere­n sollen: 1928 bis 1930.

Fazit: In den allermeist­en Fällen stimmt es, dass man nach dem Aktienkauf nur warten muss, bis die Papiere im Plus sind. Und das trifft auf nahezu alle Märkte zu. Die Wahrschein­lichkeit, eines der wenigen Jahre zu erwischen, auf die das nicht (so schnell) zutrifft, ist relativ gering. Und es wäre auch nur dann wirklich schlimm, wenn man im Leben nur ein einziges Einmalinve­stment tätigt.

Gelänge es auch noch, beim Investiere­n die Übertreibu­ngsphasen auszulasse­n, könnte man tatsächlic­h „reich“werden. Doch auch, wer in den vergangene­n Dekaden regelmäßig investiert oder mehr als ein Einmalinve­stment getätigt hat, ist zwar nicht unbedingt „reich“geworden, aber wohlhabend­er. Das trifft auf die USA, Japan und auch Österreich zu. E-Mails an: beate.lammer@diepresse.com

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