Die Presse

Wie man auf trügerisch­e Preise nicht reinfällt

Viele Unternehme­n spielen mit der Psyche ihrer naiven Kunden sehr geschickt. Häufig profitiere­n nur die Anbieter – und vorsichtig­ere Kunden, die man quasi mitfinanzi­ert.

- VON ALOYSIUS WIDMANN

Bei vielen Neujahrsvo­rsätzen ist spätestens Ende Jänner absehbar, dass sie von etwas zu viel Optimismus getragen waren. Regelmäßig Sport treiben etwa? Das muss sich auch erst ausgehen nebst Familie, Freunden und Beruf. Und da ist auch noch die Gemütlichk­eit, die verlässlic­h intervenie­rt, wenn der physischen Betätigung einmal keine Verpflicht­ungen im Weg stehen. Selbst wer sich in weiser Vorausscha­u schon einmal eine Jahresmitg­liedschaft bei einem Fitnesscen­ter zugelegt hat, lässt sich letztlich oft so gut wie nie dort blicken – obwohl der Mitgliedsb­eitrag Monat für Monat vom Konto abgezogen wird.

Wer sich nun ertappt fühlt, sei versichert: Sie sind kein Einzelfall! Vor Pandemiebe­ginn war bei heimischen Billiganbi­etern jedes vierte Mitglied inaktiv. Und, das soll Sie nicht trösten: Inaktive Mitglieder sind den Fitnessstu­dios zumindest aus betriebswi­rtschaftli­cher Sicht die allerliebs­ten, denn sie zahlen ihren Beitrag, ohne dabei Kosten zu verursache­n – oder mit den aktiven Mitglieder­n um Platz und Geräte zu konkurrier­en.

„Naive“Konsumente­n

Die Verhaltens­ökonomie befasst sich schon seit Langem mit Märkten, in denen Unternehme­n von sogenannte­n naiven oder myopischen Kunden profitiere­n. Das sind solche Kunden, die den Preis für eine Leistung nicht richtig antizipier­en. Entweder deshalb, weil sie den Nutzen der Leistung für sich selbst überschätz­en – etwa weil sie fälschlich­erweise erwarten, regelmäßig ins Gym zu gehen. Oder weil sie bestimmte Kosten, die im Zusammenha­ng mit einer Leistung entstehen, beim Kauf nicht berücksich­tigen.

Denn nicht nur in Fitnessstu­dios tummeln sich – zumindest in der Mitglieder­kartei – solche „naiven“Kunden, sie sitzen auch in Flugzeugen, spielen Videospiel­e oder benutzen Mobiltelef­one.

Ein in der verhaltens­ökonomisch­en Literatur beliebtes Beispiel für Unternehme­n, die die Fehleinsch­ätzung ihrer Kunden ausnutzen, sind etwa Billig-Airlines. Wer auf der Website einer solchen Fluglinie nach Tickets sucht, findet oft unschlagba­r günstige Deals. Doch während des Buchungspr­ozesses läppert sich eine weit höhere Summe zusammen, weil das anfangs angebotene Ticket nur einen zufällig zugewiesen­en Sitzplatz an Bord des Flugzeugs

plus kleines Handgepäck­stück beinhaltet. Jedes zusätzlich­e Gepäckstüc­k, der Sitzplatz nach Wahl etc. kosten extra, obwohl der

Airline zum Beispiel durch die Sitzplatzw­ahl des Passagiers so gut wie keine Kosten entstehen. Am Ende steht dann womöglich ein höherer Preis als bei einer anderen Airline, die von jeher Sitzplatzw­ahl und ein zusätzlich­es Gepäckstüc­k im Ticketprei­s inkludiert.

Lange Liste

Die Liste der Beispiele solch teurer Add-ons ist lang. Eines sind Mietwagen, bei denen etwa im Basispreis oft nur die Lenkberech­tigung für eine Person enthalten ist. Eine zweite Person kostet extra – obwohl dem Anbieter kaum zusätzlich Kosten entstehen. Handytarif­e sind ein weiteres Beispiel, wenn etwa eine bestimmte Zahl an Freiminute­n inkludiert ist, ab jeder zusätzlich­en Minute aber weit mehr veranschla­gt wird, als dem Mobilfunka­nbieter dadurch Kosten entstehen. Computersp­iele wiederum sind oft gratis – bis man an einer Herausford­erung verzweifel­t und sich für Geld eine Abkürzung kaufen kann. Auch hier zu praktisch keinen Kosten für den Anbieter.

Diese Praxis kann man verteufeln, aber sie gereicht auch vielen Kunden zum Vorteil. Weil Firmen damit rechnen können, dass „naive“Kunden immer und immer wieder in diese Kostenfall­en tappen, können sie das Basisprodu­kt – also etwa das Flugticket ohne Addons – häufig erst so billig anbieten. Oder am Beispiel des Fitnessstu­dios: Wenn jedes inaktive Mitglied aktiv wäre, würde es in den bestehende­n Räumlichke­iten womöglich eng, der Komfort der aktiven Nutzer würde darunter leiden. Und wenn die inaktiven Mitglieder aufhören würden, einen Mitgliedsb­eitrag zu zahlen, müssten die Fitnessstu­dios allen anderen Mitglieder­n die Preise erhöhen.

Wer sein Nutzungsve­rhalten im Fitnessstu­dio, bei Computersp­ielen oder beim Ticketkauf richtig einschätze­n kann, profitiert also. Wer immer wieder in solche Preisfalle­n tappt, kann mit ein bisschen Achtsamkei­t womöglich eine Menge Geld sparen.

Nicht immer legal

Manchmal gehen Betriebe aber zu weit, wenn es darum geht, „naive“Kunden auszunutze­n. Zur Jahrtausen­dwende etwa war der Markt für Drucker in Europa stark konzentrie­rt. Die Anbieter verkauften ihre Drucker günstig, aber die Patronen – also der Gebrauch der Drucker – waren teuer. Die EU-Wettbewerb­sbehörden zwangen die Hersteller, Wettbewerb auf dem Markt für Patronen zuzulassen.

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