Wie Maschinen lernen, richtige Entscheidungen zu treffen
Computer erkennen mitunter Muster, die den Menschen entgehen. Aber können sie deswegen gleich bessere Anlageentscheidungen treffen? In welchen Bereichen sie dazu fähig sind und wie Menschen mit ihnen kooperieren können, wird derzeit erforscht.
In einer Ad-hoc-Meldung wird wortreich erklärt, warum die Unternehmenszahlen so ausgefallen sind, wie sie eben ausgefallen sind. Die Zahlen scheinen auf den ersten Blick nicht schlecht zu sein, bei den Lesern entsteht aber der Eindruck, dass sich die Begeisterung des Managements in Grenzen hält. Kann ein Algorithmus, der Texte auswertet, um Anlageentscheidungen zu treffen, diese Nuance auch erkennen?
Durchaus. Der Computer könnte etwa das Verhältnis von Wörtern und Zahlen analysieren und feststellen, dass relativ wenige Zahlen und viele Wörter vorkommen, dass also jemand glaubt, die Zahlen wortreich rechtfertigen zu müssen. Das ließe auf ein negatives Sentiment schließen. Ob ein solches Modell funktioniert, wird derzeit von Deka Investment getestet. Der deutsche Asset-Manager arbeitet mit mehreren Universitäten zusammen, unter anderem mit der Technischen Universität (TU) Wien, um zu erforschen, wie Maschinen Anlageentscheidungen treffen und wie sie dabei lernen.
In den vergangenen Jahren hat es diesbezüglich große Fortschritte gegeben. „Das Thema gibt es bereits seit 20, 30 Jahren“, berichtet Thomas Dangl, Professor für Finance an der TU Wien und wissenschaftlicher Leiter des Iqam Research Center. Doch habe es lange Zeit Probleme mit der Rechenleistung der Computer und der elektronischen Verfügbarkeit der Daten (Zeitungen, Bücher) gegeben. Ab 2017 habe es hier einen großen Schub gegeben.
Wie eine Sprache erlernen
Inzwischen können die Maschinen nicht nur Daten auswerten und verknüpfen, sondern auch selbstständig neue Zusammenhänge erkennen und zunehmend auch Texte semantisch auswerten. Sie sind auch in der Lage, nicht lineare Zusammenhänge zu erkennen, also wenn ein Faktor etwa zuerst einen positiven und später einen negativen Einfluss auf die Aktienkurse
hat. Sie lernen, und zwar auf äußerst komplexe Weise. „Das ist so, wie wir die Sprache erlernen, wir hören zu, bis wir es beherrschen“, erklärt Dangl.
Bei ihrem Lernprozess machen Maschinen auch Fehler. Eine Fehlentscheidung sei schwerer zu erkennen, als wenn eine Maschine bei der Bilderkennung versage, so Dangl. Mitunter gebe es eine gute Nachricht, auf die die künstliche Intelligenz hätte reagieren müssen, sie tue es aber nicht. Das könnte ein Fehler sein, könnte aber auch bedeuten, dass die Maschine einen neuen Zusammenhang erkannt habe. Um das auswerten zu können, brauche man mehrere solcher Entscheidungen.
Fehlsignale kämen immer wieder vor, wenn ein Modell aber eine Trefferquote von mehr als 50 Prozent habe, könne man es bereits zu seinem Vorteil einsetzen, berichtet Dominik Wolff, Head of Quantitative Research bei Deka Investment. Die Entscheidung, ob man dem Rat der Maschine folgt oder nicht, treffen dennoch die Fondsmanager.
Auch eigneten sich die Modelle kaum für das Day-Trading, sondern dienten dazu, mittel- und langfristig Vermögen aufzubauen.
Bereits seit 2017 in Betrieb ist bei Deka Investment ein Modell, das anhand von Konjunkturindikatoren und Sentimentdaten entscheidet, ob in einem Mischfonds Aktien über- oder untergewichtet sein sollen. In der Testphase ist jenes Modell, das das Sentiment aus einer Ad-hoc-Meldung zu erkennen versucht, indem es unter anderem das Verhältnis von Wörtern und Zahlen bestimmt.
Das Risiko von CO2-Emissionen
An der TU Wien laufen derzeit zwei Projekte, bei denen es um den Einfluss der Finanznachrichten, die nach Börsenschluss veröffentlicht werden, auf den Kurs des nächsten Tages geht, und wie effizient der Eröffnungskurs ist, berichtet Dangl. Ein weiteres Projekt erforsche das Carbon-Risk, also den Einfluss von ESG-Kennzahlen (Umwelt, Soziales, Transparenz) auf den Aktienkurs. Dieser schwanke. Als Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt wurde, sank der negative Einfluss von CO2-Emissionen auf Aktienkurse.
Die Experten sind sich einig: Es gehe nicht darum, dass Maschinen in Zukunft Fondsmanager ersetzen, sagt Dangl. Sie könnten vielmehr zusätzliche Informationen liefern. Viele Modelle seien erst in der Testphase, und möglicherweise stelle sich heraus, dass manche im Live-Test nicht den erhofften Mehrwert haben, ergänzt Wolff. Auch die Modelle, die letztlich in Fonds eingesetzt werden, müssen von Zeit zu Zeit überarbeitet werden, um neue Datenquellen oder Methoden einzubinden.