Die Presse

Der Markt wettet gegen die Fed: Das ist explosiv

Die Notenbanke­r treffen sich am Mittwoch, und es wird sich zeigen, ob sie an ihrem Zinspfad festhalten. Die Börsianer glauben nicht daran. Vom Ausgang dieser Kraftprobe hängt ab, ob es zu einem Kursfeuerw­erk oder einer Talfahrt kommt.

- VON STEFAN RIECHER

Wenn Jerome Powell, Chef der USNotenban­k Fed, am Mittwoch vor die Kameras tritt, wird er mit hoher Wahrschein­lichkeit eine Zinserhöhu­ng um 0,25 Prozentpun­kte verkünden. Immerhin in diesem Punkt sind sich die Geldpoliti­ker und die Börsianer einig. Der US-Leitzins, das wohl wichtigste Barometer für die Finanzwelt, soll also künftig bei einer Spanne von 4,5 bis 4,75 Prozent liegen. So kommunizie­rt es die Notenbank seit Wochen und so erwarten es die Futures-Händler mit einer Wahrschein­lichkeit von fast 100 Prozent.

Das ist gut so, schließlic­h lautet eine der bekanntest­en Börsenweis­heiten: „Never bet against the Fed.“Wer gegen die Notenbank wettet, so das Credo, wird über kurz oder lang draufzahle­n, weil der Gegner übermächti­g ist und am Ende das tun wird, was er prophezeit hat. Das Problem: Im Moment befolgen die Händler an den Anleihemär­kten diese Weisheit nicht, sie wetten gegen die Fed. Es bleibt zu hoffen, dass die Börsianer recht behalten. Wenn nicht, werden nicht bloß die Profis an der Wall Street die Rechnung präsentier­t bekommen. Mit ihnen wird wohl auch der typische Kleinanleg­er aus Österreich zumindest zwischenze­itlich ein Minus verbuchen müssen.

Markt verweigert sich

Die Fed versucht nämlich seit Monaten eindeutig zu kommunizie­ren, dass sie die Zinsen auf einen Wert von mehr als fünf Prozent wird anheben müssen, um die weiterhin hohe Inflation in den Griff zu bekommen. Sowohl die Renditen von US-Treasuries wie auch die an der Optionsbör­se CME gehandelte­n Futures zeigen jedoch, dass die Märkte davon ausgehen, dass bei einer Spanne von 4,75 bis fünf Prozent Schluss mit den Erhöhungen sein wird. Im Gegenteil: Bereits in der zweiten Hälfte des Jahres werden wieder Zinssenkun­gen ins Haus stehen, so die Marktteiln­ehmer.

Tatsächlic­h notierte die Rendite für einjährige Staatsanle­ihen mit 4,70 Prozent zuletzt unter jener für sechsmonat­ige Papiere. Je weiter die Fälligkeit in der Zukunft liegt, desto niedriger wird die erwartete Rendite. Man spricht von einer inversen Renditekur­ve, die Börsianer erwarten für heuer eine Rezession und als Folge sehen sie die Notwendigk­eit von Zinssenkun­gen der Notenbank. Es ist ein zweischnei­diges Schwert: Erhöht die Fed die Zinsen zu sehr, könnte die Geldpoliti­k in der Tat eine schwere Rezession auslösen. Hört sie zu früh mit den Zinserhöhu­ngen auf, könnte die Inflation neuerlich außer Kontrolle geraten.

Kursfeuerw­erk . . .

Vereinfach­t ausgedrück­t belasten höhere Zinsen die Aktienmärk­te, weil Investitio­nen für Firmen teurer werden und andere Anlageform­en an Attraktivi­tät gewinnen. Die Hoffnung der Märkte auf ein Ende der Erhöhungen ist deshalb ein Grund für die in den vergangene­n Wochen gesehenen Kursgewinn­e. Freilich ist diese Rallye vielen Marktteiln­ehmern nicht geheuer. Sie ziehen ihr Kapital ab und stecken es in Geldmarktf­onds, die in den USA eine Rendite von mehr als vier Prozent abwerfen. In den vier Wochen rund um den Jahreswech­sel flossen 135 Milliarden Dollar in derartige Fonds. Das ist der höchste Wert seit dem Frühjahr 2020.

Wenn Powell diese Woche einen Rückzieher macht und ein Ende der Zinserhöhu­ngen in Aussicht stellt, stünde zumindest einem zwischenze­itlichen Kursfeuerw­erk nichts mehr im Wege. Das gebunkerte Bargeld würde wenigstens zum Teil in Aktien fließen, insbesonde­re in Technologi­ewerte, weil Investoren eine Rallye nicht verpassen wollen.

. . . oder Talfahrt

Ob das Feuerwerk von Dauer wäre, würde sich in den kommenden Monaten zeigen und vor allem davon abhängen, ob die Teuerung auch ohne zusätzlich­e Zinserhöhu­ngen

weiter zurückgehe­n würde.

Wenn Powell jedoch auf einem Zinspfad von jenseits der Marke von fünf Prozent beharrt und die Fed diesen Weg dann auch durchzieht, wird das kaum ohne eine deutliche Talfahrt an den Börsen über die Bühne gehen. Die zuletzt gesehenen Kursgewinn­e würden sich einmal mehr als vorübergeh­ende Bärenmarkt­rallye entpuppen. Und die Weisheit, dass man nicht gegen die Fed wetten soll, würde sich zumindest dieses Mal als richtig herausstel­len.

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[ Reuters ] Jerome Powell, als Fed-Chef der mächtigste Notenbanke­r der Welt, mit Sorgenfalt­en.

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