Keine Ortung, Sohn tot: Klage der Eltern scheitert
Hat die Polizei es verabsäumt, einen Vermissten zeitgerecht zu lokalisieren? Nein, sagt der OGH. Der Staat muss nicht zahlen.
Reagiert die Polizei ausreichend, wenn man sie um Hilfe ersucht? Eine Frage, über die zuletzt intensiv diskutiert wurde. Die Debatte reichte vom Suizid einer von militanten Impfgegnern bedrohten Ärztin bis zu einer jungen Frau, die aus Furcht vor ihrem Ehemann den Notruf gewählt hatte, weil sie ihn in der Nähe ihres Arbeitsplatzes gesehen hatte. Am Notruf soll man der Frau aber nur geraten haben, Anzeige zu erstatten. Der Mann suchte die Frau auf und stach mehrmals auf sie ein.
Während der Fall der Schwerverletzten geprüft wird, galt es einen anderen bereits vor Gericht zu klären. In diesem werfen Eltern der Polizei vor, nicht ausreichend auf ihr Hilfeersuchen reagiert und den Sohn nicht via Handy geortet zu haben. Der Sohn war nach einer Kontroverse mit seiner Mutter über dessen Arbeit am Morgen von zu Hause weggefahren. Er sollte nie mehr lebend gesehen werden. Die Republik müsse wegen der Versäumnisse der Polizei Schadenersatz zahlen, forderten die Eltern. Doch die Höchstrichter erblickten keinen Fehler der Polizei.
Es war zwischen 22:30 und 23:30 Uhr, als der Vater bei der Polizei Alarm schlug. Sein (bereits volljähriger) Sohn sei nach der Auseinandersetzung in der Früh nicht mehr zurückgekommen. Man habe keinen Kontakt zu ihm, und der Mann sei auch an seinen gewöhnlichen Aufenthaltsorten nicht auffindbar. Dieses Verhalten sei absolut untypisch für seinen Sohn, sagte der Vater dem Beamten. Er möge daher das Handy des Vermissten orten.
Nun fragte der Polizist, ob der Sohn psychische Probleme habe oder gar suizidgefährdet sei. Das aber verneinte der Vater. Auch nachdem die Eltern nochmals miteinander darüber gesprochen und eine Beamtin dem Vater mitgeteilt hatte, dass man die Handyortung nur unter bestimmten Voraussetzungen durchführen dürfe.
Die Voraussetzungen für die Lokalisierung von Vermissten regelt das Sicherheitspolizeigesetz. „Ist aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass eine gegenwärtige Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die Freiheit eines Menschen besteht“, können die Sicherheitsbehörden die Ortung in die Wege leiten. Da es dabei rasch gehen muss, ist es nicht nötig, dass der Rechtsschutzbeauftragte im Innenministerium vorab die Ortung genehmigt (er ist aber im Nachhinein zu informieren).
Polizisten als Psychologen?
Die Polizei habe aber in diesem Fall an ebendiesem Abend nicht handeln müssen, befanden die ersten beiden Instanzen. Denn die Beamten hätten nach den Schilderungen der Eltern nicht erkennen können, dass der Sohn sich wegen kritischer Lebensereignisse in einer psychischen Notsituation befunden habe. Nun machten die Eltern aber im Verfahren geltend, dass die Polizisten wegen ihrer „höheren psychologischen Kompetenz“trotz der nicht allzu schlimmen Schilderung des Sachverhaltes hätten handeln müssen.
Das Argument überzeugte den Obersten Gerichtshof (OGH) nicht. Und zwar, weil „nach eigener Einschätzung der Kläger nicht einmal ein Psychologe fähig wäre, die zur Durchführung einer Handyortung
nötige psychologische Beurteilung abzugeben, sofern der Abgängige nicht zuvor Suizidgedanken geäußert habe“. Auch daraus, dass der Sohn mit seinem Pkw unterwegs war, habe sich noch nicht konkret vermuten lassen, er habe einen Unfall gehabt.
Und auch die Beschwerde der Eltern darüber, dass die Polizeibeamten in der Nacht nicht mehr bei ihnen nachfragten, ob ihr Sohn zwischenzeitig nach Hause zurückgekehrt sei, prallte am OGH ab. Die Beamten hätten schließlich dem Vater gesagt, er solle sich in der Früh neuerlich melden, falls sein Sohn wieder auftauche.
Die erst am Folgetag durchgeführte Ortung konnte den Tod des Sohnes nicht mehr verhindern. Auch der OGH (1 Ob 244/22x) wies die Amtshaftungsklage der Eltern gegen die Republik ab.