Wirtschaft in der Krise: Anpassung, Optimismus und Politkritik
Die Kommentare der CEOs zum Jahreswechsel zeigen, dass Krisen Umstellungen und Innovationen katalysieren und dass es Nachhaltigkeit und Klimaschutz zunehmend in die Firmenstrategien schaffen.
Naturgemäß bestimmt die Branche den Standpunkt. Dies zeigt sich in den Kommentaren zum Jahreswechsel der Kapitäne (CEOs) von 84 heimischen Betrieben, die am 31.12. in der „Presse“erschienen. Wie in den Jahren zuvor unterzog ich diese Einschätzungen einer Inhaltsanalyse, sind sie doch ein sensibler Barometer für die Lage in Wirtschaft und Gesellschaft. Kein Wunder, dass Versicherer, Vermögensverwalter und Anwälte vor allem die Sicherheit betonten (10% der Beiträge), IT, Technologie und Pharma die Innovation (33%), Wohnbaugesellschaften und Recyclingbetriebe dagegen eher Nachhaltigkeit (24%) und Klima (24%).
Das Bild erscheint dieses Jahr differenzierter als zuvor. Dominierte 2021 die Coronapandemie noch 48% der Beiträge, so war diese 2022 generell abgehakt. Dafür beschrieben die CEOs diesmal zu 61% die schwierigen Bedingungen einer multiplen Krisenlage aus Klima (24%) und Krieg (61%), Inflation und Energiekosten (37%). Dennoch herrscht viel Optimismus (48%), entweder hinreichend plakativ, um den Verdacht des „Pfeifens im Wald“aufkommen zu lassen, oder indirekt, in Form des „Ärmel Hochkrempelns“; vielfach auch im expliziten Vertrauen auf Innovation (33%), Erfahrung (4%) und den internen Zusammenhalt (6%). Zeitgeistig tauchte in 8% der Beiträge die „Resilienz“auf, in weiteren 7% die „ESG-Kriterien“(Environment, Social, Governance). „Wachstum“wurde vor allem von Immobilien- und Pharmaunternehmern thematisiert (5%).
Krisenzeiten polarisieren offenbar. Denn einerseits transportierten mehr Beiträge als bisher „warme Luft“und Fachgeschwurbel (12%, im Vorjahr 7%) – kann Zufall sein, oder aber manch CEO wollte Unangenehmes nicht ansprechen. Andererseits enthielten 7% (im Vorjahr 2%) der Kommentare kritischen Klartext – vor allem zu den politischen Rahmenbedingungen. Besorgniserregend etwa die Analyse von Michael Enzinger von der Wiener Rechtsanwaltskammer zum Stillstand der heimischen Rechtspflege. Ähnlich deutlich auch Alexander Herzog (Pharmig) zum Vogel-Strauß-Verhalten der Politik angesichts der Krisenlage, sowie Ralf-Wolfgang Lothert (JTI Austria) im Einfordern einer realistischeren Politik. Beeindruckt war ich auch von der kompromisslosen Ausrichtung der Firmenstrategie von Wienerberger am Klimaschutz, dargestellt durch Heimo Scheuch. Und wieder thematisierte das ceterum censeo von Kurt Weinberger (Hagelversicherung) den ökologisch-strategischen Wahnsinn der immer noch galoppierenden Bodenversiegelung.
Unverändert wenige Beiträge kamen von weiblichen CEOs (15%), was die anhaltende Unterrepräsentation von Frauen in führenden Positionen der Wirtschaft widerspiegelt; inhaltlich unterschieden sie sich heuer nicht wesentlich von ihren männlichen Kollegen. Insgesamt hinterlassen die Kommentare der CEOs den Eindruck, dass die Krisen zwar niemanden freuen, aber (ohnehin längst fällige) Umstellungen und Innovationen katalysieren, dass man der Politik rät, zu arbeiten, sich aber mit Aktionismus zurückzuhalten und dass es Nachhaltigkeit und Klimaschutz nun zunehmend tatsächlich in die Firmenstrategien schaffen.
Dies gilt leider immer noch nicht für die Biodiversität, welche bloß 2% der CEOs einer Erwähnung wert war.