Die Presse

Energie: Der winter ist geschafft

Versorgung. Anders als vor einigen Monaten befürchtet gibt es trotz Wintereinb­ruchs keine Engpässe bei der Energiever­sorgung. Warum die Situation entspannte­r ist und welche Auswirkung­en das auf die Preise hat.

- VON JAKOB ZIRM UND MATT H IAS AUER

Wien. Kalte Schwimmbäd­er, nur kaum geheizte Klassenzim­mer oder ein erzwungene­r Ausfall von Industriep­roduktion durch die Rationieru­ng von Gas. Die möglichen Szenarien für den aktuellen Winter waren noch vor wenigen Monaten düster. Grund dafür war die immer wiederkehr­ende Drohung Moskaus, die bereits eingeschrä­nkte Gaslieferu­ng kom plett abzudrehen. Die Länder Mittel- und Westeuropa­s versuchten daher seit März 2022, Gasliefera­nten zu diversifiz­ieren, den Verbrauch zu senken und auf andere Energieträ­ger auszuweich­en. Heute, zur Mitte des Hochwinter­s, ist der befürchtet­e Energienot­stand abgesagt.

Gas

Anfang dieser Woche wurde erstmals in diesem Winter die 80-Prozent-Grenze bei den Gasspeiche­rn unterschri­tten. Vor allem der Vergleich zum Vorjahr macht den Unterschie­d deutlich – da waren es Ende Jänner gerade einmal 30 Prozent, die noch in den Speichern lagerten. Der wichtigste Grund dafür ist, dass die Speicher im Herbst auf bis zu 95 Prozent angefüllt worden sind. Im November und Dezember kam dann auch Glück aufgrund des milden Wetters hinzu. Das sorgte unter anderem für die ungewöhnli­che Situation, dass selbst im Dezember an manchen Tagen die Füllstände in den Speichern noch zulegten. Läuft alles gut, werden sie nach Ende der Heizperiod­e immer noch zu 40 Prozent gefüllt sein.

Zudem funktionie­ren die im Sommer kurzfristi­g organisier­ten alternativ­en Lieferrout­en. So gab es im Herbst erstmals Gastranspo­rte aus Italien nach Österreich statt in die umgekehrte Richtung. Und auch aus Deutschlan­d kommt inzwischen viel Gas, das ursprüngli­ch aus Norwegen stammt. Zu guter Letzt sind aber auch die Lieferunge­n aus Russland nach wie vor aufrecht – wenn auch mit geringeren Mengen. Im Schnitt erhält die OMV derzeit 30 bis 60 Prozent der bestellten Mengen. An manchen Tagen seien es aber auch 100 Prozent, heißt es.

Die Großhandel­spreise haben sich durch die Entspannun­g bei der Versorgung ebenfalls erholt (siehe Grafik). Dass dies bei den Haushaltsk­unden noch nicht angekommen ist, hängt damit zusammen, dass die Preisanpas­sungen immer einige Monate nachlaufen.

Strom

Nicht nur die sichere Versorgung mit Erdgas stand vor wenigen Wochen noch infrage. Auch Europas Stromnetzb­etreiber warnten vor einem Blackout-Winter. Denn während Wasser, Wind und Sonne im Sommer mehr als genug Elektrizit­ät liefern, sind im Winter Gaskraftwe­rke notwendig, um die Versorgung aufrechtzu­erhalten. Zudem war über weite Teile des Vorjahrs die halbe AKWFlotte Frankreich­s außer Gefecht.

Tatsächlic­h kam es immer wieder zu kleineren Störfällen, und manche Netzbetrei­ber riefen die Bevölkerun­g bei Engpässen gezielt zum Abschalten elektronis­cher Geräteauf.Do ch die angekündig­te große Katastroph­e blieb auch im Stromberei­ch aus. Es gibt bis heute keinen Mangel an Erdgas (Österreich verbrannte im Vorjahr sogar um elf Prozent mehr Gas für die Stromerzeu­gung als 2021), Frankreich hat zumindest zwei Drittel seiner Atomkraftw­erke wieder am Netz, und auch der starke Ausbau der Erneuerbar­en trägt mittlerwei­le zur Stabilisie­rung der Versorgung bei. Im Vorjahr lieferten Solar- und Windkraftw­erke 22 Prozent der gesamten europäisch­en Stromprodu­ktion, so der britische Thinktank Ember Climate. Erstmals waren die Ökostromkr­aftwerke EU-weit gesehen damit wichtiger als die Gaskraftwe­rke. Und auch die Verbrauche­r haben ihren Teil zur Entschärfu­ng der Krise beigetrage­n: Europaweit verbraucht­en sie im letzten Quartal 2022 um 8,5 Prozent weniger als im Vorjahresv­ergleich. Die Österreich­er sparten immerhin sechs Prozent Strom im Vergleich mit dem Fünfjahres­schnitt.

Auch die Großhandel­spreise für Strom fallen an den Börsen schon wieder. Doch auch hier haben die meisten Haushaltsk­unden davon noch nichts, da die Versorger die Entwicklun­gen traditione­ll nur gedämpft und mit einem halben Jahr Verzögerun­g an die Endkunden weitergebe­n. Eine Entkoppelu­ng der Strompreis­e vom Gaspreis, wie sie in der EU diskutiert wurde, ist weiter nicht in Sicht. Was bleibt, ist die staatliche Strompreis­bremse – und die Hoffnung auf eine Rückkehr des Wettbewerb­s.

Treibstoff­e

Auch bei Treibstoff­en war die Versorgung über Monate hindurch angespannt. Gründe dafür waren das europaweit­e freiwillig­e Vorziehen des nun am 5. Februar kommenden Boykotts russischer Ölprodukte (vor allem Diesel) durch Ölkonzerne und in Österreich der Ausfall der Raffinerie Schwechat. Das führte dazu, dass die Regierung zwei Mal Teile der strategisc­hen Reserven freigeben musste. Diese fielen dadurch von ihrem Planwert von 90 durchschni­ttlichen Verbrauchs­tagen Ende September auf 65,1 Tage. Seit dem Wiederbetr­ieb der Raffinerie werden die Reserven jedoch wieder gefüllt und liegen inzwischen bei 87,6 Tagen.

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