Die Presse

Kommen Kampfjets für die Ukraine?

Joe Biden und Olaf Scholz lehnen Lieferunge­n von Kampfflugz­eugen für die Ukraine ab – im Gegensatz zu Polen und Frankreich. Dort sprach man bereits über Piloten-Training.

- Von unserer Korrespond­entin ELISABETH POSTL

Es war eine klare Ansage. Später Montagnach­mittag, Joe Biden war gerade mit dem Präsidente­nhubschrau­ber auf dem Südrasen des Weißen Hauses gelandet, Reporter warteten auf ihn. „Werden die USA der Ukraine F-16 zur Verfügung stellen?“– „Nein.“

Biden schließt eine Kampfjet-Lieferung an Kiew also aus: Dem vorausgega­ngen war eine Zusage Washington­s vergangene Woche, 31 Abrams-Panzer bereitzust­ellen. Wenig später forderten ukrainisch­e Vertreter die Lieferung von Jets, idealerwei­se eine „Koalition der Kampfjets“bestehend aus Eurofighte­rn, Tornados, französisc­hen Rafales und schwedisch­en Gripen. Das ist kein neuer Wunsch – nach den Panzer-Zusagen der USA und Deutschlan­ds ist er aber besser platziert. Man könne es den Ukrainern nicht übel nehmen, wenn sie „mehr und mehr“Abwehrsyst­eme forderten, sagte vergangene Woche etwa John Kirby, hochrangig­er Sicherheit­sberater im US-Verteidigu­ngsministe­rium – fast ein Jahr schon wird das Land von Russland angegriffe­n, und auf beiden Seiten werden die Ressourcen immer knapper.

Tatsächlic­h gebe es im Pentagon schon seit einiger Zeit eine Reihe von Militärs, die auf eine F-16-Lieferung an die Ukraine drängten, berichtete die Nachrichte­nplattform Politico am Wochenende. Die Kampfjets könnten zur Abwehr von Drohnen- und Raketenang­riffen eingesetzt werden.

Gespräche über Trainings in Paris

Doch Biden lehnt ab. Genauso wie Olaf Scholz: Der deutsche Bundeskanz­ler hielt zuletzt fest, seine Position zu Kampfjets sei ein klares Nein.

In anderen Nato-Ländern steht man dem ukrainisch­en Wunsch weniger kategorisc­h ablehnend gegenüber. Der niederländ­ische Verteidigu­ngsministe­r, Wopke Hoekstra, sagte eine Lieferung von F-16 an die Ukraine zu – soweit die USA die Autorisier­ung dafür gäben. Polen, ein enger Verbündete­r der Ukraine im Krieg, hat Lieferunge­n von F-16-Jets nicht ausgeschlo­ssen. Premiermin­ister Mateusz Morawiecki betonte allerdings, man werde solche nur in in enger Abstimmung mit Nato-Verbündete­n liefern. Frankreich­s Präsident, Emmanuel Macron,

sagte am Montag, nichts sei ausgeschlo­ssen, so lang Lieferunge­n die Verteidigu­ngsmöglich­keiten Frankreich­s nicht einschränk­ten.

Macron traf am Dienstag den ukrainisch­en Verteidigu­ngsministe­r, Oleksij Resnikow, in Paris. Auch, um die Jets zu besprechen. Resnikows französisc­her Amtskolleg­e, Sébastien Lecornu, teilte am späten Nachmittag mit, man habe die Einschulun­g ukrainisch­er Piloten für französisc­he Kampfjets besprochen. Fixiert sei aber nichts.

In London wurde indes der dortige Verteidigu­ngsministe­r, Ben Wallace, am Montag im Unterhaus mit der Frage nach Jet-Lieferunge­n konfrontie­rt. Während sein Premier, Rishi Sunak, diese als unwahrsche­inlich charakteri­siert, sagte Wallace, dass er die Frage nach Jets nach den Verhandlun­gen über die Panzer verstehen könne: „Was wir über diese Forderunge­n wissen, ist, dass die erste Antwort Nein ist, aber die letzte Antwort ist Ja.“Großbritan­nien würde die Diskussion­en zwischen den westlichen Staaten über etwaige Lieferunge­n ver

folgen, allerdings seien Entscheidu­ngen zu militärisc­hen Hilfen nicht „ad hoc“zu treffen.

Flexible Position im Pentagon

In Kiew charakteri­siert man die Lage so: Man brauche bis zu 200 vielfältig einsetzbar­e Kampfjets – wie die US-amerikanis­chen F-16 –, um gegen Russland eine Chance zu haben, wie Luftwaffen-Sprecher Juri Ihnat am Dienstag gegenüber der Nachrichte­nplattform Ukrainska Prawda sagte. Russland habe derzeit fünf- bis sechsmal so viele Kriegsflug­zeuge wie die Ukraine im Einsatz. Aktuell fliegen die ukrainisch­en Luftstreit­kräfte hauptsächl­ich MiG aus der Sowjet-Ära.

Die Haltung der USA gegenüber dem russischen Wunsch sah vergangene Woche jedenfalls noch flexibler aus, als Bidens klares Nein am Montag vermuten ließ. Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh hatte da noch wissen lassen, dass die USA keine rote Linie habe, wenn es um Waffenlief­erungen gehe.

Singh betonte allerdings auch das Training, das sich langwierig gestalten könnte – und über die Schulung von Piloten hinausgeht. Auch Mechanik und Logistik spielten eine Rolle. Ein monatelang­es Procedere, das zudem mehr Personal brauchen würde, wie Singh sagte.

Biden muss sich innenpolit­isch jedenfalls auf schärferen Widerstand als bisher einstellen. Die US-Bevölkerun­g steht zwar allgemein hinter der Unterstütz­ung für die Ukraine, nach einem Inflations­herbst sind hohe Ausgaben aber nicht mehr beliebt. Die Republikan­er haben zudem nun die Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus: Sie wollen jede Interventi­on hinterfrag­en. Biden trifft diese Woche den republikan­ischen Führer, Kevin McCarthy, um über den US-Schuldende­ckel zu sprechen.

Im kommenden Monat reist der US-Präsident zudem nach Polen. Ob die Reise mit dem Datum zum Kriegsbegi­nn 2022 zusammenfa­llen wird, konnte er am Montag noch nicht sagen.

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US-Präsident Joe Biden hatte gestern eine klare Antwort auf die Frage nach Kampfjet-Lieferunge­n für Kiew: „Nein.“
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[ APA / Jim Watson ]

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