Kommen Kampfjets für die Ukraine?
Joe Biden und Olaf Scholz lehnen Lieferungen von Kampfflugzeugen für die Ukraine ab – im Gegensatz zu Polen und Frankreich. Dort sprach man bereits über Piloten-Training.
Es war eine klare Ansage. Später Montagnachmittag, Joe Biden war gerade mit dem Präsidentenhubschrauber auf dem Südrasen des Weißen Hauses gelandet, Reporter warteten auf ihn. „Werden die USA der Ukraine F-16 zur Verfügung stellen?“– „Nein.“
Biden schließt eine Kampfjet-Lieferung an Kiew also aus: Dem vorausgegangen war eine Zusage Washingtons vergangene Woche, 31 Abrams-Panzer bereitzustellen. Wenig später forderten ukrainische Vertreter die Lieferung von Jets, idealerweise eine „Koalition der Kampfjets“bestehend aus Eurofightern, Tornados, französischen Rafales und schwedischen Gripen. Das ist kein neuer Wunsch – nach den Panzer-Zusagen der USA und Deutschlands ist er aber besser platziert. Man könne es den Ukrainern nicht übel nehmen, wenn sie „mehr und mehr“Abwehrsysteme forderten, sagte vergangene Woche etwa John Kirby, hochrangiger Sicherheitsberater im US-Verteidigungsministerium – fast ein Jahr schon wird das Land von Russland angegriffen, und auf beiden Seiten werden die Ressourcen immer knapper.
Tatsächlich gebe es im Pentagon schon seit einiger Zeit eine Reihe von Militärs, die auf eine F-16-Lieferung an die Ukraine drängten, berichtete die Nachrichtenplattform Politico am Wochenende. Die Kampfjets könnten zur Abwehr von Drohnen- und Raketenangriffen eingesetzt werden.
Gespräche über Trainings in Paris
Doch Biden lehnt ab. Genauso wie Olaf Scholz: Der deutsche Bundeskanzler hielt zuletzt fest, seine Position zu Kampfjets sei ein klares Nein.
In anderen Nato-Ländern steht man dem ukrainischen Wunsch weniger kategorisch ablehnend gegenüber. Der niederländische Verteidigungsminister, Wopke Hoekstra, sagte eine Lieferung von F-16 an die Ukraine zu – soweit die USA die Autorisierung dafür gäben. Polen, ein enger Verbündeter der Ukraine im Krieg, hat Lieferungen von F-16-Jets nicht ausgeschlossen. Premierminister Mateusz Morawiecki betonte allerdings, man werde solche nur in in enger Abstimmung mit Nato-Verbündeten liefern. Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron,
sagte am Montag, nichts sei ausgeschlossen, so lang Lieferungen die Verteidigungsmöglichkeiten Frankreichs nicht einschränkten.
Macron traf am Dienstag den ukrainischen Verteidigungsminister, Oleksij Resnikow, in Paris. Auch, um die Jets zu besprechen. Resnikows französischer Amtskollege, Sébastien Lecornu, teilte am späten Nachmittag mit, man habe die Einschulung ukrainischer Piloten für französische Kampfjets besprochen. Fixiert sei aber nichts.
In London wurde indes der dortige Verteidigungsminister, Ben Wallace, am Montag im Unterhaus mit der Frage nach Jet-Lieferungen konfrontiert. Während sein Premier, Rishi Sunak, diese als unwahrscheinlich charakterisiert, sagte Wallace, dass er die Frage nach Jets nach den Verhandlungen über die Panzer verstehen könne: „Was wir über diese Forderungen wissen, ist, dass die erste Antwort Nein ist, aber die letzte Antwort ist Ja.“Großbritannien würde die Diskussionen zwischen den westlichen Staaten über etwaige Lieferungen ver
folgen, allerdings seien Entscheidungen zu militärischen Hilfen nicht „ad hoc“zu treffen.
Flexible Position im Pentagon
In Kiew charakterisiert man die Lage so: Man brauche bis zu 200 vielfältig einsetzbare Kampfjets – wie die US-amerikanischen F-16 –, um gegen Russland eine Chance zu haben, wie Luftwaffen-Sprecher Juri Ihnat am Dienstag gegenüber der Nachrichtenplattform Ukrainska Prawda sagte. Russland habe derzeit fünf- bis sechsmal so viele Kriegsflugzeuge wie die Ukraine im Einsatz. Aktuell fliegen die ukrainischen Luftstreitkräfte hauptsächlich MiG aus der Sowjet-Ära.
Die Haltung der USA gegenüber dem russischen Wunsch sah vergangene Woche jedenfalls noch flexibler aus, als Bidens klares Nein am Montag vermuten ließ. Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh hatte da noch wissen lassen, dass die USA keine rote Linie habe, wenn es um Waffenlieferungen gehe.
Singh betonte allerdings auch das Training, das sich langwierig gestalten könnte – und über die Schulung von Piloten hinausgeht. Auch Mechanik und Logistik spielten eine Rolle. Ein monatelanges Procedere, das zudem mehr Personal brauchen würde, wie Singh sagte.
Biden muss sich innenpolitisch jedenfalls auf schärferen Widerstand als bisher einstellen. Die US-Bevölkerung steht zwar allgemein hinter der Unterstützung für die Ukraine, nach einem Inflationsherbst sind hohe Ausgaben aber nicht mehr beliebt. Die Republikaner haben zudem nun die Mehrheit im Repräsentantenhaus: Sie wollen jede Intervention hinterfragen. Biden trifft diese Woche den republikanischen Führer, Kevin McCarthy, um über den US-Schuldendeckel zu sprechen.
Im kommenden Monat reist der US-Präsident zudem nach Polen. Ob die Reise mit dem Datum zum Kriegsbeginn 2022 zusammenfallen wird, konnte er am Montag noch nicht sagen.