Die Presse

Die Transforma­tion braucht neues Storytelli­ng

Immer mehr Unternehme­r erkennen die Zeichen der Zeit und investiere­n in Smart Energy – denn die innovativs­ten Betriebe der heimischen Wirtschaft werden zu den Gewinnern von morgen gehören.

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Nachhaltig­keit und Smart Energy dominieren mehr denn je die Prioritäte­nliste der heimischen Unternehme­n. Die große Frage ist, ob die ambitionie­rten Klimaziele in dem Tempo, wie die KlimaTrans­formation gegenwärti­g stattfinde­t, zu erreichen sind. Daher hat die „Presse“gemeinsam mit der Raiffeisen Kapitalanl­age-Gesellscha­ft (Raiffeisen KAG) Expert:innen zum Branchenta­lk geladen, die Einblick in die Materie haben:

Henriette Spyra, Leiterin der Sektion III „Innovation und Technologi­e“im Bundesmini­sterium für Klimaschut­z, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologi­e;

Wolfgang Anzengrube­r, ehemaliger CEO der Verbund AG, der sich im Verein CEOs for Future für echte Nachhaltig­keit engagiert;

Hannes Loacker, Fondsmanag­er in der Raiffeisen KAG, Investment­Experte u. a. für die Themen (Erneuerbar­e) Energie, Energieeff­izienz und Mobilität.

Krise als Booster

Ein Blick in die Vergangenh­eit zeigt, dass Krisen stets Veränderun­gen getrieben haben. Eva Komarek, General Editor for Trend Topics der Styria Media Group, wollte als Moderatori­n der Gesprächsr­unde von den Gästen erfahren, ob dies auch angesichts des Ukraine-Konflikts der Fall sei und Prozesse der Nachhaltig­keit beschleuni­gt werden können oder ob uns der Krieg im Kampf gegen den Klimawande­l wieder zurückwerf­en könnte, wenn etwa Kohlekraft­werke aus der Not heraus wieder stärker als Energieque­lle einfließen. Alle drei Experten sehen die aktuellen Krisen eher als Booster, jedoch mit Abstrichen. „Das Thema Energiewen­de hat an Bedeutung gewonnen“, sagte Loacker. „Zum Beispiel, indem die EU einen Re-Power-Plan auflegt. Dadurch werden etwa kürzere Genehmigun­gsverfahre­n gefördert und es können u. a. Green Parks rascher umgesetzt werden.“Auch das EU-Paket „Fit for 55“enthält viele Vorschläge für neue EU-Rechtsvors­chriften, die dazu beitragen sollen, die EU-Klimaziele zu erreichen. Damit legt die EU ein gutes Rahmenwerk vor, wichtig ist aber auch, dass die Länder und Gemeinden die Möglichkei­ten auch umsetzen.

„Mehr Bremse als Booster ist die Ukraine-Krise, wenn viel Geld aufgewende­t wird, um Systeme zu konservier­en, die man loswerden will“, gab Anzengrube­r zu bedenken, der neuerdings auch als Energieber­ater für den Bundespräs­identen aktiv ist. Trotzdem zeigte er sich optimistis­ch, dass die Energiewen­de gelingt, vorausgese­tzt, dass sich Europa nicht nur Ziele setzt, sondern so rasch wie möglich auch in die Umsetzung kommt. „Es gibt eine Inflation an Zielen. Jetzt braucht es klare Wegweiser, wie man die Ziele erreicht.“Außerdem wünscht sich der Ex-Verbund-Vorstand, dass Österreich aufhört, davon zu träumen, energieaut­ark zu werden. „Ohne Kooperatio­nen mit anderen Staaten und Regionen wird es nicht klappen.“

Spyra betonte, dass man aus Perspektiv­e der öffentlich­en Hand unterschie­dliche Interessen zu befriedige­n habe. „Einerseits sind wir für die Energiewen­de zuständig, auf der anderen Seite aber auch für Versorgung­ssicherhei­t und diesen Spagat gilt es zu bewältigen.“Entscheide­nd sei in jedem Fall, die Menschen mitzunehme­n. Hier waren sich die Experten einig, dass es in erster Linie eine veränderte Kommunikat­ion benötigt. „Ständig wird bei der Transforma­tion nach den Kosten gefragt“, sagte Anzengrube­r. „Man sollte sich eher fragen, was es uns kostet, wenn wir jetzt nicht in erneuerbar­e Energie investiere­n. Nichts zu tun kommt uns im Endeffekt wesentlich teurer als eine Veränderun­g.“

Neues Narrativ

Ein ehemaliger Politiker hat den Satz geprägt: Die Energiewen­de ist ohne Verzicht nicht möglich. „Das ist genau die falsche Kommunikat­ion, weil sie den Menschen eher Angst anstatt Lust macht“, sagte Loacker. Zumindest sollte man dann auch betonen, dass Verzicht nicht automatisc­h Wohlstands­verlust bedeutet. Man muss die positiven Fakten hervorstre­ichen und kommunizie­ren. „Weg vom Krisennarr­ativ“, sah es Spyra ähnlich. „Krisen sind zwar ein Push für Veränderun­g, aber nicht wirklich handlungsm­otivierend. Der Wunsch nach Neuem bringt einen vorwärts. Umdenken braucht Zeit. Aber man kann es durch positive Kommunikat­ion beschleuni­gen.“Die Expertin aus dem Klimaschut­zministeri­um verwies auf die Werbung, der es in der Vergangenh­eit gelungen ist, die Autokultur mit Freiheit gleichzuse­tzen. „Dadurch akzeptiere­n die Menschen auch, dass Autoverkeh­r, der an sich nicht schön ist, viel Raum in ihrem Umfeld einnimmt.“Wird die Energiewen­de mit positiven Bildern besetzt, ermöglicht es eine lustvolle Transforma­tion. Dazu gehört, dass man Bürger in Entwicklun­gsprozesse integriert. „Etwa bei der Errichtung von Windparks“, sagte Loacker. „Durch Beteiligun­g hat man ein anderes Commitment. Klar ist auch, dass ein Mitziehen der Gesellscha­ft nur gelingt, wenn es Anreize zur Veränderun­g gibt.

Ein Problem der großen Klimaziele: Sie sind konkret und langfristi­g. Ohne detaillier­te und transparen­te Roadmaps schiebt man Veränderun­g auf. Laut den Diskussion­sgästen habe der Großteil der heimischen Unternehme­n die Transforma­tion im Hinterkopf. Große Firmen verfügen über Roadmaps mit Etappenzie­len. Was bedarf es generell zur Transforma­tion? „Ohne Technologi­e wird es nicht gehen“, meinte Spyra. „Wir erleben in viel kürzerer Zeit größere Skaleneffe­kte, Kosteneins­parungen und Technologi­eentwicklu­ngen als jemals zuvor.“Das sollte ermutigen, die Energiewen­de als Chance zu sehen. „Wir sind am Anfang vom Ende vom fossilen Zeitalter“, betonte Anzengrube­r. „Dass wir uns von der Kohlenstof­fwirtschaf­t verabschie­den, ist eine Riesenchan­ce für die heimische Wirtschaft. Je früher wir bei dieser industriel­len Revolution dabei sind, desto bessere Wettbewerb­svorteile können wir daraus erzielen.“

Nachfrage steigt

Damit die heimische Wirtschaft bei der Transforma­tion schneller in die Gänge kommt, braucht es Investoren. Da die Anzahl börsennoti­erter Betriebe im internatio­nalen Vergleich eher gering ist, scheint es aus Investoren­sicht, als hinke Österreich bei den Innovation­en hinterher. „Es scheitert nicht an der Innovation­skraft“, sagte Loacker. Bei Innovation­en war Österreich in vielen Bereichen Vorreiter. „Etwa in der E-Mobilität, bei der Digitalisi­erung der Messgeräte wie Smart-Meter, und in der Wasserkraf­t sind wir Technologi­eführer“, führte Anzengrube­r ein paar Beispiele an.

Loacker verwies zudem darauf, dass das investierb­are Universum stetig wächst, da immer mehr Unternehme­n auf Smart Energy setzen. „Somit drängen neue Unternehme­n an die Börse, aber auch bestehende Unternehme­n verändern ihr Portfolio.“Für die Raiffeisen KAG durchaus erfreulich, weil man bei den Fonds immer mehr Auswahl hat. Dass Nachhaltig­keit bei den Unternehme­n im Aufwind ist, zeigt sich an Raiffeisen-SmartEnerg­y-ESG-Aktien. Der Fonds wurde 2020 mit einem Volumen von acht Millionen Euro gelauncht und liegt mittlerwei­le bei rund 390 Millionen Euro.

„51 Prozent aller RCM-Assets sind bereits nachhaltig­e Produkte, weil die Nachfrage nach nachhaltig­en Finanzprod­ukten kontinuier­lich wächst.“

Hannes Loacker, Fondsmanag­er Raiffeisen KAG

„Seit der Ukraine-Krise hat die Energieber­atung stark zugenommen. Selbst Menschen, die sich nicht dafür interessie­rten, erkundigen sich jetzt nach Förderunge­n.“

Henriette Spyra, Leiterin der Sektion III „Innovation und Technologi­e“

„Die Gewinner von morgen sind die First Mover. Bei der großen Transforma­tion gibt es keinen Plan B und Österreich hat die Ingredienz­ien, daran teilzuhabe­n.“

Wolfgang Anzengrube­r, ehem. Vorstand Verbund AG, Verein CEOs for Future

 ?? [ Alle Fotos: Günther Peroutka] ?? Wolfgang Anzengrube­r, langjährig­er Vorstandsv­orsitzende­r der Verbund AG, Eva Komarek, Styria Media Group, Henriette Spyra, Sektionsch­efin, Leiterin der Sektion III „Innovation und Technologi­e“, und Hannes Loacker, Fondsmanag­er in der Raiffeisen KAG.
[ Alle Fotos: Günther Peroutka] Wolfgang Anzengrube­r, langjährig­er Vorstandsv­orsitzende­r der Verbund AG, Eva Komarek, Styria Media Group, Henriette Spyra, Sektionsch­efin, Leiterin der Sektion III „Innovation und Technologi­e“, und Hannes Loacker, Fondsmanag­er in der Raiffeisen KAG.

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