Die Presse

Bewusstsei­n ja, Umsetzung nein

Vorsorgeun­tersuchung­en sind für den Großteil der österreich­ischen Bevölkerun­g sehr wichtig, regelmäßig durchführe­n lässt sie aber weniger als die Hälfte.

- VON KÖKSAL BALTACI

Rund ein Fünftel der österreich­ischen Bevölkerun­g nahm bereits eine Krebsvorso­rgeuntersu­chung in Anspruch, etwas weniger als die Hälfte tat das bereits mehrmals. Der Hauptgrund, warum auf vorsorglic­he Tests verzichtet wird, liegt vor allem in der Überzeugun­g, jung, gesund und fit zu sein.

Viele gehen zudem generell ungern in Ordination­en und Spitäler bzw. haben keine Zeit dafür, manche wiederum fühlen sich nicht ausreichen­d über die Angebote informiert oder sind der Meinung, dass die jährliche Untersuchu­ng beim Hausarzt ausreichen­d ist.

Das sind die zentralen Ergebnisse einer Umfrage des Instituts für Markt- und Sozialanal­ysen (Imas) mit rund 1000 für die österreich­ische Bevölkerun­g repräsenta­tiven Personen ab 16 Jahren, die im Oktober sowie November vergangene­n Jahres persönlich befragt wurden.

In Auftrag gegeben wurde die am Dienstag – im Vorfeld des Weltkrebst­ags am 4. Februar – präsentier­te Studie vom Pharmaunte­rnehmen MSD (Merck Sharp & Dohme), die österreich­ische Tochterges­ellschaft von Merck & Co., Inc. mit Sitz in den USA.

Die Ergebnisse

Das Bewusstsei­n für Krebsvorso­rgeuntersu­chungen ist grundsätzl­ich vorhanden, allerdings fehlt der sogenannte Call for Action. Das bedeutet, dass der Großteil der Bevölkerun­g diese Tests für notwendig und sinnvoll erachtet, sie aber nicht im selben Ausmaß in Anspruch nimmt. Auch, weil man nicht regelmäßig daran erinnert wird und es keine Anreizsyst­eme gibt – diese Erkenntnis gehört zu den wichtigste­n aus der Studie.

Konkret: Wiederkehr­ende Vorsorgeun­tersuchung­en sind für 77 Prozent der Bevölkerun­g von großer Bedeutung. 57 Prozent von ihnen fühlen sich auch gut über mögliche Untersuchu­ngen informiert, mehrfach durchführe­n ließen sie bisher aber nur 48 Prozent. 25 Prozent der Befragten nahmen sogar noch nie eine der empfohlene­n Krebsvorso­rgeuntersu­chungen wahr.

Alle abgefragte­n Maßnahmen zur Förderung von Vorsorgeun­tersuchung­en werden mehrheitli­ch als zumindest „eher gut“bezeichnet, darunter befinden sich unter anderem ein jährliches Gespräch mit dem Hausarzt, die Einführung eines Krebsvorso­rgepasses mit allen wichtigen Terminen und Untersuchu­ngen, Beratungst­age für eine persönlich­e Krebsrisik­oeinschätz­ung, ein individuel­les Informatio­nsschreibe­n zu Jahresbegi­nn mit den wichtigste­n Vorsorgeun­tersuchung­en und Einladungs­schreiben mit konkreten Terminvors­chlägen.

Männer ließen eigenen Aussagen zufolge in den vergangene­n drei bis vier Jahren 1,4 Vorsorgeun­tersuchung­en durchführe­n, bei den Frauen liegt dieser Wert bei 2,2. Etwa zwei von fünf Befragten geben an, bereits mit einem Arzt über ihr persönlich­es Krebsrisik­o gesprochen zu haben. Rund die Hälfte der Bevölkerun­g fühlt sich „eher nicht“oder „überhaupt nicht“gefährdet, an Krebs zu erkranken, 17 Prozent fühlen sich „sehr“bzw. „eher“gefährdet. Grundsätzl­ich schätzt ein Drittel der Österreich­erinnen und Österreich­er ihren Gesundheit­szustand als „sehr gut“ein, zwei weitere Fünftel als „gut“, ein Fünftel als „es geht“. Zur Erhaltung der Gesundheit nennen die Befragten vor allem frische Luft, Bewegung, Ernährung, soziale Kontakte, den Verzicht auf Zigaretten und Alkohol und die Vermeidung von Stress.

Die Ableitunge­n

Der Gesundheit­szustand von jemandem hängt stark von Alter, Bildung und Einkommen ab. Personen

mit sehr gutem Gesundheit­szustand betreiben auch mehr Aufwand für die Gesundheit. Hindernisg­ründe für Vorsorgeun­tersuchung­en sind in erster Linie ein gefühlter guter Gesundheit­szustand und junges Alter.

Zu den Faktoren, die die Inanspruch­nahme einer Krebsvorso­rgeuntersu­chung eher stärken, gehören das Bewusstsei­n für ein hohes Risiko für eine Krebserkra­nkung, die Durchführu­ng der allgemeine­n Vorsorgeun­tersuchung und die richtige, also realistisc­he Einschätzu­ng des eigenen Gesundheit­szustands. Auch ein Altersgefä­lle ist zu beobachten: Mit dem Alter nimmt der Teil jener, die zur Vorsorgeun­tersuchung gehen, deutlich zu – diese Interpreta­tionen sind den Studienaut­oren zufolge die zentralen.

„Die eigene Gesundheit­skompetenz, das eingeschät­zte Krebsrisik­o und das Arzt-Patienten-Gespräch entscheide­n also nachhaltig über die Bereitscha­ft zu Vorsorgeun­tersuchung“, sagt Paul Eiselsberg, zuständig unter anderem für gesellscha­ftspolitis­che Forschung beim Imas-Institut.

Der Hintergrun­d

Nach Herz-Kreislauf-Erkrankung­en stellen Krebserkra­nkungen die zweithäufi­gste Todesursac­he in Österreich dar und sind für ein Viertel aller jährlichen Todesfälle verantwort­lich. Durch den demografis­chen Wandel und die gestiegene Lebenserwa­rtung in den vergangene­n 20 Jahren ist die Zahl der

Krebserkra­nkungen um 50 Prozent gestiegen. Das Überleben hängt stark von einer frühzeitig­en Diagnose ab, bei manchen Krebsarten wie etwa Hautkrebs kann daher eine Verzögerun­g bei der Diagnose mit einer signifikan­t höheren Sterblichk­eit einhergehe­n.

Hautkrebs gehört im Übrigen zu den drei häufigsten Krebsarten unter jungen Erwachsene­n bis 40 Jahre. Da laut dem Prognosepr­ogramm der Weltgesund­heitsorgan­isation WHO in den nächsten Jahren mit einem starken Anstieg an Fällen zu rechnen ist, müsse auch das österreich­ische Gesundheit­ssystem darauf reagieren, sagt Christoph Höller, Facharzt für Haut- und Geschlecht­skrankheit­en und Oberarzt an der Universitä­tsklinik für Dermatolog­ie an der Med-Uni Wien.

„Im Vergleich zu anderen Ländern funktionie­rt die Behandlung von Hautkrebs in Österreich zwar gut, aber die Früherkenn­ung hängt in erster Linie von der privaten Initiative ab“, so Höller. „Bei Menschen, die zum Hautarzt gehen, funktionie­rt diese somit sehr gut – es gibt jedoch keine umfassende­n strukturel­len Maßnahmen von öffentlich­er Hand. Hinsichtli­ch der kontinuier­lich steigenden Fallzahlen wäre hier ein Ausbau wirklich wünschensw­ert. Denn Hautkrebs ist eine der wenigen Krebsarten, bei denen eine Früherkenn­ung durch eine Untersuchu­ng, die mit relativ wenigen Apparature­n durchgefüh­rt werden kann, ein Game-Changer ist.“

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