Die Ski-Nation kann nur noch überraschen
Vier bis sechs Medaillen hat ÖSV-Präsidentin Roswitha Stadlober als Ziel für die anstehende Ski-WM ausgegeben. Wie realistisch ist diese Zahl – und vor allem: Was sagt sie über die neue Realität in Österreichs Skilauf aus?
Als Athletin hat Roswitha Stadlober höchst erfolgreich an Ski-Weltmeisterschaften teilgenommen, drei Starts, dreimal Top Ten, darunter Slalom-Vizeweltmeisterin 1987 in Crans Montana, eine der wenigen Medaillen, die damals nicht an die Schweizer Gastgeber gingen. Nun wartet im französischen Courchevel/Méribel (ab 6. Februar) Stadlobers erste alpine Ski-WM an der Spitze des Österreichischen Skiverbands. Und gleich zu diesem Anlass musste die Präsidentin die Zielsetzung für ihre Schützlinge nach unten schrauben.
Sechs bis acht Medaillen, das war die altbekannte, immer wieder wiederholte Vorgabe von LangzeitPräsident Peter Schröcksnadel gewesen. Nicht allzu hoch gegriffen, zuletzt aber stets eingehalten, oftmals übertroffen. Als Ziel für Frankreich nannte Stadlober vier bis sechs Mal Edelmetall – und fasste damit erstmals die neue ernüchternde Realität in Österreichs Skirennsport in Zahlen.
Vier Medaillen bei einer SkiWM, das wäre das schlechteste ÖSV-Abschneiden seit Sestriere 1997. Am anderen Ende der Liste: Chamonix 1962 (15 Medaillen), Vail 1999 (13) oder Bormio 2005 (11). Tatsächlich sind beide ÖSVTeams, Damen und Herren, nach Weltcuppunkten in diesem bisherigen Winter nur die drittstärkste Nation. Bei den Podestplatzierungen sieht es noch trister aus: Mit 17 Stockerlplätzen in 55 Rennen ist man nur der viertstärkste Verband, knapp vor den USA (14 Podestplätze allein durch Mikaela Shiffrin). Nicht einmal in jedem dritten Weltcuprennen fährt ein ÖSV-Athlet also aufs Stockerl. Um Stadlobers optimistischere Rechnung von sechs WM-Medaillen (bei 13 Entscheidungen) zu erreichen, müsste diese Quote entscheidend angehoben werden.
Hinzu kommt: Mit den ÖSVSiegläufern, die bei den jüngsten Großereignissen, der WM 2021 in Cortina d’Ampezzo und den Olympischen Spielen im Vorjahr in Peking, darf großteils nicht mehr gerechnet werden. Olympiasieger Matthias Mayer ist spontan zurückgetreten, Johannes Strolz fährt seiner Olympiaform hoffnungslos hinterher und bei Slalom- und Parallel-Weltmeisterin Katharina Liensberger herrscht völlige Verunsicherung – wie im gesamten Damen-Technikteam.
Um dennoch Medaillen einzufahren, müssen also die verbliebenen Aushängeschilder wie Vincent Kriechmayr (zweifacher Titelverteidiger und einziger Österreicher, der in diesem Winter Weltcuprennen gewonnen hat) und Manuel Feller (drei Podestplätze, aber auch vier Ausfälle) abliefern. Mit der bei dieser WM noch einmal angesetzten Kombination eröffnet sich durch Marco Schwarz (Titelverteidiger) zumindest eine weitere Medaillenchance. Bei den Damen gehört einzig Speed-Ass Cornelia Hütter zu den Anwärterinnen, auch hier gilt: Alle anderen können nur überraschen.
Blamage abgewendet
Immerhin konnte der ÖSV mit seinen 24 Nominierten (zwölf Damen, zwölf Herren) sicherstellen, alle Startplätze (vier bzw. mit Titelverteidiger fünf pro Rennen) auch besetzt werden. Bis vor Kurzem war der Verzicht auf solche gar nicht abwegig gewesen, ein Szenario aber, das einer Bankrotterklärung gleichgekommen wäre.
Was dieses WM-Aufgebot jedenfalls nicht ist: Die Chance für junge Athleten mit Blick auf die Heim-WM 2025 in Saalbach-Hinterglemm Erfahrungen zu sammeln. Lieber setzt man darauf, dass der ein oder andere Routinier doch noch in Fahrt kommt. (joe)