Soziale Säugetiere leben länger als Einzelgänger
Warum sind manche Tierarten drastisch langlebiger als andere? Chinesische Zoologen fanden einen Zusammenhang mit der Lebensweise – und Gene, die ihn beeinflussen könnten. Eine Arbeit über besonders langlebige Fische weist in eine ähnliche Richtung.
Die Lebensdauer ist eine Eigenschaft, in der sich Tierarten dramatisch voneinander unterscheiden, wenn auch nicht so dramatisch wie in der Körpergröße. Unter Säugetieren umfasst das Spektrum der Lebenszeit immerhin zwei Größenordnungen: Manche Wühlmäuse werden nur ein Jahr alt, der Grönlandwal kann über 200 Jahre leben.
Was bewirkt diese Unterschiede? Man weiß, dass innerhalb einer Art sozial gut vernetzte Individuen länger leben, wohl weil sie einander vor Räubern und Hunger schützen. Aber gilt dieser Zusammenhang auch für den Vergleich zwischen Arten? Zoologen um Xuming Zhou (Peking) prüften diese These anhand von Daten über 974 Säugetierarten – und bestätigen: Tiere, die in Gruppen leben, werden älter als solche, die einem Singledasein frönen. Wie die Nördliche Kurzschwanzspitzmaus, die nur zwei Jahre alt wird. Die gruppenbildende Fledermaus Große Hufeisennase hat ein ähnliches Gewicht, erreicht aber im Durchschnitt 30 Jahre. Es muss, merken die Forscher in Nature Communications an, eine richtige Gruppe sein, Zusammenleben in Paaren reicht nicht.
Für einen Zusammenhang zwischen Lebensdauer und Lebensweise sprechen übrigens auch Tiere aus einem ganz anderen Stamm des Tierreichs, nämlich der Weichtiere. Tintenfische leben dafür, dass sie so intelligent sind, erstaunlich kurz: nur zwei bis drei Jahre. Und sie sind eingefleischte Einzelgänger. Die gängige Hypothese, dass soziale Beziehungen die Evolution von Intelligenz begünstigen, passt nicht auf sie.
Zurück zu den Säugetieren: Welche Gene könnten die Korrelation zwischen Langlebigkeit und Sozialleben ausmachen, indem sie beide beeinflussen? Am ehesten Gene, die Hormone und Immunsystem betreffen, schließen die Forscher aus ihrer Analyse. Es ist ja bekannt, dass Peptidhormone wie Insulin und verwandte Wachstumsfaktoren beeinflussen, wie alt ein Tier – und auch ein Mensch – wird. Auch Steroidhormone tun das, über das Verhalten oder sogar über das Immunsystem. Man denke an das männliche Sexualhormon Testosteron, das nicht nur riskantes Verhalten fördert, sondern auch das Immunsystem drosselt – ein Grund dafür, dass Männer kürzer leben als Frauen. Biologen sehen allgemein einen Antagonismus: Lebewesen können entweder mehr auf die Instandhaltung und Reparatur ihres Körpers (damit auf langes Leben) setzen oder auf Maximierung der Fortpflanzung. Insekten, die zahllose Eier legen, aber kurz leben („Eintagsfliegen“), tun offenbar das Zweite.
Felsenbarsche leben bis zu 205 Jahre
In eine ähnliche Richtung wiesen schon vor drei Wochen Forscher um den Genetiker Stephen Treaster (Harvard Medical School) in „Science Advances“. Sie untersuchten die Gene von Felsenbarschen. Das ist eine Familie von Fischen, in der etliche Arten sehr lang leben, bis zu 205 Jahren. Wobei die Ahnen aller heutigen Arten offenbar langlebig waren. Das heißt: Es hat bei manchen Arten eine Evolution in Richtung kürzeres Leben stattgefunden. Vielleicht, weil äußere Faktoren (zum Beispiel Fressfeinde) die faktische Lebenszeit so verkürzten, dass Individuen, die sich schon früh fortpflanzten und schneller alterten, einen Vorteil hatten.
Bei den Fischen fanden die Harvard-Forscher zwei Gruppen von Genen, die offenbar die Unterschiede in der Lebensdauer ausmachen. Eine hat mit dem Kohlenhydrat-Stoffwechsel zu tun, der von Wachstumsfaktoren wie Insulin reguliert wird. Auf ihn wirkt auch ein, wer nach dem Motto „Schmale Kost, langes Leben“ständig Diät hält.
Die andere Gruppe von Genen charakterisieren die Forscher damit, dass sie mit Flavonoiden zu tun haben, Pflanzenstoffen, die zurecht als gesund gelten, etwa Catechin, das in Ginseng vorkommt. Aber diese Gene haben ein breiteres Tätigkeitsfeld, etwa auch im Stoffwechsel von Steroidhormonen.
Viele Wegweiser also, aber noch lange kein klarer Überblick über die wild vernetzten genetischen Faktoren der Langlebigkeit.