Kiki, die Pionierin aus der Kitsch-Ecke
Es ist genau die richtige Zeit, um das Werk Kiki Kogelniks, die in Kärnten geboren wurde und in New York gelebt hat, zu rehabilitieren. Und sie zu feiern: als Vorläuferin der wesentlichen feministischen Strömung in der Kunst heute.
Diese Ausstellung beginnt mit nichts weniger als einem Showdown: einem Showdown des österreichischen Publikums mit einer Künstlerin, die früh in die USA ging, das verzeiht man nicht. Die zu Lebzeiten von ihren männlichen Wiener Kollegen gern belächelt wurde. Die man mit ihrem Spätwerk bequem in der Glas-Kitsch-Ecke parken konnte. Der seit einem Jahr nach ihrem Tod 1997 keine große Ausstellung in der Stadt mehr gewidmet war (im Belvedere war das damals, die letzte große war zeitnäher in Krems). Und die uns jetzt genau hier, im Zentrum Wiens, im Entree des BA Kunstforums, breitbeinig und mit gezückter Waffe gegenübersteht.
In dem zentral gehängten Selbstporträt „The Painter“(das Englische hat hier Sinn, weil genderneutral), zeigt Kiki Kogelnik sich als wehrhafte Malerin, als schwarze Silhouette einer solchen, als wenn in ihrem Rücken die Sonne untergehen würde. Ihren Pinsel hat sie gezückt, seine Spitze hält sie genau auf der Höhe ihres Geschlechts, von dem so die rote Farbe zu tropfen scheint. Ganz blass daneben, man muss ganz nah herantreten, die Bleistiftumrisse eines Kindes, ihres Sohnes. Die Fragen nach ihrem Privatleben klebten an der 1935 geborenen, im Kärntner Bleiburg aufgewachsenen schönen Frau in der ersten Hälfte ihrer Karriere wie Pech, davon zeugen Artikel und Fernsehbeiträge aus den 60er- und 70er-Jahren, in denen sie als exotisches Wesen zwischen Malerin, Mutter und Ehefrau beäugt wurde. Man glaubt es kaum, was für Fragen vor knapp 50 Jahren noch möglich waren.
Es ist wichtig, sich diesen patriarchalen Hintergrund von Gesellschaft und Kunstszene zu vergegenwärtigen, vor dem „Kiki“– wie sie sich schon bei ihrer ersten Ausstellung in der Galerie St. Stephan noch als Studierende an der Wiener Akademie wie eine Marke „brandete“– antrat. Um ein Leben zu führen, das sie, wie sie sagte, interessierte, nämlich eines als Künstlerin.
Schau geht nach Zürich und Dänemark
Wie ihr das aus heutiger Sicht beeindruckend stark, teils sogar visionär gelungen ist, vermag diese große Retrospektive in mitunter Staunen machenden Werkblöcken aus Kogelniks stärksten, immer noch unterschätzten Phasen zu vermitteln. Die von Lisa Ortner-Kreil kuratierte Schau, die ins Kunsthaus Zürich und ins dänische Kunstmuseum Brandts weiterwandern wird, kann mit Hauptwerken im wahrsten Sinn auf den Putz hauen: Die kurz vor dem Tod der Künstlerin gegründete Kogelnik-Stiftung ließ aus dem Vollen schöpfen, wurde hier doch der Kern des umfangreichen Werks zusammengehalten. Für die Zeit, in der es seinen Wert behaupten kann – und diese Zeit ist genau jetzt.
„Now Is the Time“heißt auch der zwingende Titel der Schau, entlehnt von einem der knallfarbigen großen Frauenbilder, die Kogelnik Anfang der Siebziger nach Magazinefotos
malte: Es zeigt eine Tanzende auf hohen Schuhen, in Minirock und bauchfreiem Top. Pop Art pur. Aber das Gesicht mit dem offenen Mund und den gelbfleckigen Wangen, es wirkt starr und ausdruckslos wie eine Maske, könnte auch einer Sexpuppe gehören. Nie ist es eben Pop Art pur bei Kogelnik. Nie eine reine Affirmation an die fröhliche Warenwelt, wie es die US-Kollegen von Lichtenstein bis Warhol meist taten, in deren Kreisen in New York sie sich bewegte wie der Fisch im Wasser. Immer verwendet sie diese Mittel, die Punkte, die Raster, die
künstlichen Neon-Farben, um am Ende zu verstören. Eine „europäische“Form der Pop Art, sagt man dazu dann gern. So wirken ihre Glamourgirls eben wie Leichen. Und ihre von Raumfahrt und Robotertechnik inspirierten collageartigen Motive aus den frühen Sechzigerjahren, als sie nach New York zog, tragen oft Tod und Krankheit in sich.
Hybride Körper aus Diagnosestempeln
Kogelnik verwendete dazu Röntgenbilder und medizinische Diagnosestempel von Körperteilen, die dann auf leeren Bildflächen
schweben. (Der Mann, den sie heiratet, ist Radiologe – und einer der angesagtesten Restaurant- und Barbesitzer New Yorks.)
Es sind genau diese Bilder von hybriden Anatomien aus Frau und Technik und schwerelos schwebenden Prothesen, für die Kogelniks Werk bei der vorigen Biennale Venedig international entdeckt – und kurz zuvor von der globalen Pace Galerie ins Programm genommen wurde: als Pionierin einer Ästhetik und Ideologie, die viele junge Künstlerinnen heute so fasziniert – das feministisch Posthumane, eine queere Robotik, für deren theoretische Überbauten ZeitgeistGöttinnen wie Donna Haraway und Rosi Braidotti gefeiert werden. Und mitten drinnen: Kiki. Alles an ihrem Werk scheint auf die heutigen Moden zu verweisen: Die schrillen Farben. Die großen Formate. Die vielen Selbstporträts. Die exzentrische Selbstinszenierung (herzförmiger Schönheitsfleck, üppige Perücken, irre Kostüme). Und, natürlich, die Materialien – das Plastik. Die Keramik, ultimativer Stoff der Stunde. 1974 hat Kogelnik damit begonnen, einige wunderbare frühe Köpfe erinnern an ihr bewusstes Anknüpfen an die Wiener Werkstätte, an Valie Wieselthier vor allem, die wie Kogelnik, allerdings in den Zwanzigerjahren schon, nach New York gegangen war.
„Love Goddess“und „Cunt Mascot“
Kiki war eben nie „nur“Malerin, obwohl sie klassisch abstrakt begann, woran ein ganzer Raum erinnert. Sie war Performerin, als sie Extremitäten aus Schaumstoff durch Manhattan und Wien trug. Sie war Konzeptkünstlerin, als sie während der Übertragung der ersten Mondlandung 1969 in der Galerie nächst St. Stephan live nach den TV-Bildern Siebdrucke anfertigte und diese mit Datum und Uhrzeit versah. Oder als sie (Künstler-) Freunden ihre Umrisse „abzog“, sie auf Papier abpauste, ausschnitt und auf Kleiderstangen hing wie die Haut des Marsyas. Sie war Objektkünstlerin mit ihren Keramiken und Murano-Glasköpfen. Sie war eine „Love Goddess“, wie Komponist Morton Feldman sie bezeichnete. Ein „Walking Work of Art“, wie Claes Oldenburg die Freundin beschrieb. Und ein „Cunt Mascot“der PopArt-Künstler, wie Kogelniks New Yorker Ateliernachbarin Carolee Schneemann es auf den Punkt brachte. Was für ein Leben und Werk. Untrennbar bei ihr.
Und schon grüßte grinsend der Tod: „Hi“schrieb Kogelnik ihrem heiteren Knochenmann auf die Stirn, den sie 1994 auf die große Leinwand bannte. Über diese hängt sie dreimal sein Gesicht, aus Ton geformt, an die Wand – eine ihrer späten „Expansions“. Es sind Selbstporträt-Masken, leicht zu erkennen an Kogelniks charakteristischer Igelfrisur. Gerade hatte sie die Diagnose Krebs bekommen. Der Tod, der sich durch ihr Werk geschlichen hat, holte sie ein. Im Karner von Stein im Jauntal tanzt er immer noch seinen Tanz – nach Kikis Pfeife und Konzept (1996).
Von 2. 2. bis 25. 6.,
tägl. 10–19 Uhr, Freyung 8.