Die Presse

Der Schlussakt im Terrorproz­ess

Wer bereitete den Terroransc­hlag von Wien vor? Nur der unmittelba­re Täter, oder war eine Gruppe am Werk? Um dies zu beantworte­n, berieten am Mittwoch die Geschworen­en.

- VON MANFRED SEEH

„Ich glaube schon, dass da jemand mitgeholfe­n hat.“Das hatte die Mutter des Attentäter­s ausgesagt, der am 2. November 2020 in der Wiener Innenstadt einen islamistis­chen Terroransc­hlag verübt hatte.

Die Frau war als Zeugin im Straflande­sgericht Wien vernommen worden – ebendort, wo es am Mittwoch zu klären galt, ob es tatsächlic­h Beitragstä­ter gibt. „Beweisen kann ich es nicht, glauben schon“, gab die Mutter weiter zu Protokoll. Für die Beweisführ­ung war nun die Staatsanwa­ltschaft Wien zuständig.

Folgt man der Anklägerin, ist dies auch gelungen. Es gebe genug Beweise, dass der Attentäter K. F. Helfer gehabt habe, nämlich Freunde und Bekannte aus der Jihadisten­szene, die dem 20-Jährigen zugearbeit­et und diesen bestärkt hätten; sechs Männer, die – so wie der Attentäter – Mitglieder der Terrororga­nisation Islamische­r Staat (IS) gewesen seien.

Nach 15 Verhandlun­gstagen zogen sich am Mittwoch die Geschworen­en zur Beratung zurück. Deren Entscheidu­ng wurde mit Spannung erwartet, zumal bei Schuldsprü­chen mit Höchststra­fen oder jedenfalls mit strengen Urteilen zu rechnen war.

Zuletzt hatten die Angeklagte­n die Möglichkei­t, den Geschworen­en und dem Drei-(Berufs-)Richter-Senat ein Schlusswor­t mit auf den Weg zu geben. Vier der sechs Angeklagte­n taten dies. Zwei schlossen sich den Worten ihrer Anwälte an und verzichtet­en auf eine eigene Botschaft.

Der 23-jährige Kosovare A. F. drückte den Hinterblie­benen der vier Terrortode­sopfer sein Beileid aus und erklärte, wie die Fahrt nach Bratislava verlaufen sei – die Fahrt, die er gemeinsam mit dem späteren Attentäter unternomme­n hatte (K. F. wurde bei dem Anschlag von der Polizei erschossen). Auf der Fahrt habe eine „unangenehm­e Stille“geherrscht. K. F. sei

ein verschloss­ener Typ gewesen. Fest steht, dass K. F. und der nunmehrige Angeklagte in einem Waffengesc­häft waren, um Munition für eine Kalaschnik­ow zu kaufen. Der Verkäufer spielte aber nicht mit und meldete den Vorfall den Behörden. Von einem geplanten Terroransc­hlag habe er nichts gewusst, beteuerte A. F. Die Staatsanwä­ltin hatte schon am Dienstag, wie berichtet, erklärt: „Ich glaube den Angeklagte­n kein Wort.“

Der Angeklagte H. Z., ein wegen Gewalt- und Drogendeli­kten fünffach vorbestraf­ter Mann aus Afghanista­n, dessen DNA-Spuren auf den vom Attentäter verwendete­n Tatwaffen gefunden wurden, wandte sich ebenfalls mit einem Schlusswor­t an das Gericht: „Ich habe Vorstrafen, ich habe Fehler gemacht. Dafür kann man sich nur selbst verantwort­lich machen. Ich bereue das.“Dass er vor dem Anschlag in der Wohnung des Attentäter­s K. F. gewohnt habe (Letzterer

hatte die meiste Zeit bei seinen Eltern übernachte­t), kommentier­te H. Z. nun so: „Ich bin damals nur bei K. F. untergekom­men, weil ich Probleme mit meiner Frau hatte.“Er sei kein radikaler Islamist.

„Wörter reichen nicht aus“

Jener Mann, der dem Attentäter mithilfe eines slowenisch­en Waffenhänd­lers das bei dem Anschlag verwendete AK-47-Sturmgeweh­r organisier­t hatte, der Tschetsche­ne A. M. (32), gab an: „Wörter reichen nicht, um auszudrück­en, wie sehr ich bereue, die Waffe vermittelt zu haben.“

Auch I. S., ein 22-jähriger Österreich­er mit Wurzeln, die in den arabischen Raum reichen, machte von der Möglichkei­t eines Schlusssta­tements Gebrauch. Auch er war in die Waffenbesc­haffung verstrickt. Er half dem späteren Terroriste­n, indem er diesem den telefonisc­hen Kontakt zu A. M. vermittelt­e. Und das, obwohl er selbst damals

wegen IS-Mitgliedsc­haft im Gefängnis saß. Untätig war er in dieser Zeit aber nicht, da er über ein eingeschmu­ggeltes Mobiltelef­on Kontakte zur Außenwelt aufrechthi­elt. Nun sagte der zweifach einschlägi­g verurteilt­e 22-Jährige: „Hätte ich gedacht, dass K. F. zu so etwas fähig ist, hätte ich die Telefonnum­mer nicht weitergege­ben.“Fatalistis­cher Schlusssat­z: „Damit muss ich jetzt leben.“

Die Staatsanwä­ltin hatte in ihrem Plädoyer am Dienstag Höchststra­fen für alle sechs Islamisten gefordert. Und daran erinnert, dass sie schon in einem früheren Prozess die Anklage vertreten hatte: Seinerzeit standen der spätere Terrorist K. F. und der nunmehr erneut angeklagte Drittangek­lagte B. K. wegen IS-Mitgliedsc­haft vor Gericht. Und wurden verurteilt. Die Anklägerin: „Sie beteuerten damals, dem IS abgeschwor­en zu haben. Sie haben uns getäuscht.“Das Urteil stand zuletzt noch aus.

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[ Getty Images/Barbara Gindl] Nach dem Terroransc­hlag 2020 wurden an den Tatorten Kerzen als Zeichen der Anteilnahm­e aufgestell­t.

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