Die Eleganz und Schönheit der „Presse“-Verfassung
In eigener Sache: Wie „Die Presse“journalistische Qualität sicherstellt, warum das Redaktionsstatut dabei hilft, und woran sich „Die Presse“messen lässt.
Nach Niederösterreich, noch vor Kärnten und Salzburg hat also auch „Die Presse“gewählt. Deutlich über 100 Redakteurinnen und Redakteure haben am Donnerstag im Jubiläumsjahr des 175-jährigen Bestehens der Zeitung über eine neue Chefredaktion abgestimmt. Und diese mit sehr hoher Zustimmung bestätigt. Das Recht, einen vom Eigentümer gemachten Vorschlag auch abzulehnen, ist bereits seit 1974 im Redaktionsstatut verbrieft, aber auch im Jahr 2023 für Qualitätsmedien in Österreich keinesfalls eine Selbstverständlichkeit.
Dabei ist das Statut einer der Grundsteine für professionelle redaktionelle Arbeit, sichert es doch „die journalistische Freiheit und Unabhängigkeit“der Redaktion im Rahmen der bürgerlich-liberalen Haltung des Blattes ab. Nun mag der Vergleich mit Landtagswahlen auf den ersten Blick hoch gegriffen sein. Vielleicht auch auf den zweiten. Aber in einer Phase, in der nicht nur Demokratie und Rechtsstaat, sondern auch die kontrollierende „vierte Gewalt“unter massiven Legitimationsdruck gekommen ist, hilft es da wie dort, auf die Verfassung zurückzugreifen. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat rund um die turbulenten Monate nach der Ibiza-Krise auf „die Eleganz und Schönheit“der von Hans Kelsen konzipierten Bundesverfassung verwiesen, die sich besonders in schwierigen Zeiten zeigten.
In der „Zeitungsverfassung“der „Presse“werden die essenziellen Arbeitsbedingungen für Qualitätsjournalismus umschrieben und garantiert. Denn diese höchste Form des Journalismus, den sich viele gern auf die Druckfahnen schreiben, ist kein wolkiges Versprechen, sondern Ausfluss klarer Regeln für professionellen Journalismus: das Handwerkszeug eben. Es kann nicht oft genug festgehalten werden: Check, Re-Check, Doppelcheck, audiatur et altera pars und die Trennung von Bericht und Kommentar, das alles gilt es strikt einzuhalten. Tag für Tag, auch dann, wenn wie so oft Eile geboten ist, sind doch Nachrichten oft verderbliche Ware. Gerade wenn es oft kaum mehr einen nennenswerten Informationsvorsprung von professionellen Medien gegenüber der Allgemeinheit gibt (vor zwanzig Jahren war es noch möglich, Agenturmeldungen über ein Wochenende für die Montagsausgabe „aufzuheben“), macht das kompetente Prüfen von Nachrichten den Unterschied zwischen beliebigen News und relevanten Informationen aus.
Und auch das geschieht natürlich nicht im luftleeren Raum. Jede Nachricht wird in ihrer Entstehung nachvollziehbar gemacht, auf unseren Plattformen veröffentlicht und dadurch mit den Ergebnissen anderer Medien vergleichbar. Deshalb ist Konkurrenz unter Medien für eine funktionierende Öffentlichkeit unerlässlich. Dazu kommt das wohl wichtigste Korrektiv: die Schwarmintelligenz unserer Leserinnen und Leser. Erst durch diesen kritischen Blick der vielen wird die Nachricht quasi legiert oder aber relativiert, manchmal sogar als Irrtum entlarvt. Diesen Fehler dann einzugestehen ist unerlässlich.
Doch das Redaktionsstatut der „Presse“legt auch „die grundsätzliche Haltung des Blattes“verbindlich fest: „,Die Presse‘ vertritt in Unabhängigkeit von den politischen Parteien bürgerlichliberale Auffassungen auf einem gehobenen Niveau. Sie tritt für die parlamentarische Demokratie auf der Grundlage des Mehrparteiensystems und für die Rechtsstaatlichkeit ein. Sie bekennt sich zu den Grundsätzen der sozialen Gerechtigkeit bei Aufrechterhaltung der Eigenverantwortlichkeit des Staatsbürgers, zur Wahrung des privaten Eigentums unter Beobachtung seiner Verpflichtungen gegenüber der Gesellschaft, zu den Grundsätzen der sozialen Marktwirtschaft, zur freien unternehmerischen Initiative und zum Leistungswettbewerb. Sie verteidigt die Grundfreiheiten und Menschenrechte und bekämpft alle Bestrebungen, die geeignet sind, diese Freiheiten und Rechte oder die demokratische rechtsstaatliche Gesellschaftsordnung zu gefährden.“
Auch wenn diese Formulierung bald 50 Jahre auf dem Buckel hat, gibt sie immer noch sehr genau wieder, woran Sie, liebe Leserinnen und Leser, uns auch in Zukunft messen sollen.