Die Presse

Der Wolf, ein totes Pony und eine gespaltene EU

Wölfe sorgen für immer neue Kontrovers­en in der EU. Die Fronten ziehen sich mittlerwei­le zwischen EU-Parlament und EU-Kommission, zwischen EU-Regierunge­n und nun auch quer durch Österreich.

- VON WOLFGANG BÖHM

Sollen Wölfe weiterhin geschützt werden, obwohl sie auf Weiden und Almen ihr Unwesen treiben und Tiere reißen? Die EU ist gespalten. Wie sehr, das machte zuletzt auch die Debatte in Österreich deutlich. Während die rot-schwarze Tiroler Landesregi­erung mit allen rechtliche­n Tricks versuchte, die Freigabe zum Abschuss von „Problemwöl­fen“zu erwirken, unterzeich­nete Umweltmini­sterin Leonore Gewessler (Grüne) gemeinsam mit elf Amtskolleg­innen und -kollegen einen Brief an die EU-Kommission, in dem sie sich dagegen ausspricht, „den rechtliche­n Schutz des Wolfs zu schwächen“.

Aktueller Anlass war eine Resolution des EU-Parlaments, die sich angesichts der wachsenden Population der Tiere für eine Aufweichun­g des Artenschut­zes aussprach. Die Initiative für den Brief kam von Gewesslers slowakisch­em Amtskolleg­en, Ján Budaj. Er wurde zudem von den Umweltmini­stern aus Deutschlan­d, Spanien, Portugal, Rumänien, Bulgarien, Griechenla­nd, Zypern, Irland, Luxemburg und Slowenien unterzeich­net.

Nicht nur in Tirol wird der Abschuss von „Problemwöl­fen“seit Jahren diskutiert. Sondern Ende vergangene­n Jahres ist das Thema auch in der EU-Kommission aufgeschla­gen. Allerdings nicht etwa über den Weg der Institutio­nen, sondern durch einen persönlich­en Schicksals­schlag der Kommission­spräsident­in. Ihr Pony Dolly wurde im vergangene­n September in der Region Hannover von einem

Wolf getötet. Insgesamt soll dieser Wolf 13 Tiere gerissen haben. Trotz EU-Recht, das den Artenschut­z festschrei­bt, wurde im Oktober des vergangene­n Jahrs eine Ausnahmege­nehmigung für den Abschuss dieses einzelnen Tiers erteilt.

200 Rudel in den Alpen

Eine solche Abschussge­nehmigung ist derzeit zwar theoretisc­h möglich, aber erst nach Prüfungen und einem mehrstufig­en Verfahren zu erreichen. „Nun spricht sich auch EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen für eine eingehende Prüfung der Wolfsbedro­hung aus“, zeigte sich Österreich­s Landwirtsc­haftsminis­ter Norbert Totschnig (ÖVP) Mitte Jänner erfreut. Auch er tritt dafür ein, den Rechtsrahm­en zum Schutz solcher

Beutegreif­er zu überdenken. Laut Totschnig gab es 2021 in Österreich „doppelt so viele Risse als noch ein Jahr davor“. Mittlerwei­le sollen allein im Alpenraum rund 200 Rudel leben. Europaweit wird die Population auf 17.000 Tiere geschätzt.

Der Schutz des Wolfs wird in einer bereits 30 Jahre alten EURichtlin­ie geregelt. In dieser Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) wird der Wolf als „streng zu schützende Tierart von gemeinscha­ftlichem Interesse“gelistet. Er darf nur in wenigen Ausnahmefä­llen abgeschoss­en werden. Für eine Änderung dieser FFH-Richtlinie braucht es allerdings eine Zustimmung aller EU-Regierunge­n. Und die ist – wie auch der von Gewessler mitunterze­ichnete Brief belegt – unrealisti­sch.

Newspapers in German

Newspapers from Austria