Der Wolf, ein totes Pony und eine gespaltene EU
Wölfe sorgen für immer neue Kontroversen in der EU. Die Fronten ziehen sich mittlerweile zwischen EU-Parlament und EU-Kommission, zwischen EU-Regierungen und nun auch quer durch Österreich.
Sollen Wölfe weiterhin geschützt werden, obwohl sie auf Weiden und Almen ihr Unwesen treiben und Tiere reißen? Die EU ist gespalten. Wie sehr, das machte zuletzt auch die Debatte in Österreich deutlich. Während die rot-schwarze Tiroler Landesregierung mit allen rechtlichen Tricks versuchte, die Freigabe zum Abschuss von „Problemwölfen“zu erwirken, unterzeichnete Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) gemeinsam mit elf Amtskolleginnen und -kollegen einen Brief an die EU-Kommission, in dem sie sich dagegen ausspricht, „den rechtlichen Schutz des Wolfs zu schwächen“.
Aktueller Anlass war eine Resolution des EU-Parlaments, die sich angesichts der wachsenden Population der Tiere für eine Aufweichung des Artenschutzes aussprach. Die Initiative für den Brief kam von Gewesslers slowakischem Amtskollegen, Ján Budaj. Er wurde zudem von den Umweltministern aus Deutschland, Spanien, Portugal, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Zypern, Irland, Luxemburg und Slowenien unterzeichnet.
Nicht nur in Tirol wird der Abschuss von „Problemwölfen“seit Jahren diskutiert. Sondern Ende vergangenen Jahres ist das Thema auch in der EU-Kommission aufgeschlagen. Allerdings nicht etwa über den Weg der Institutionen, sondern durch einen persönlichen Schicksalsschlag der Kommissionspräsidentin. Ihr Pony Dolly wurde im vergangenen September in der Region Hannover von einem
Wolf getötet. Insgesamt soll dieser Wolf 13 Tiere gerissen haben. Trotz EU-Recht, das den Artenschutz festschreibt, wurde im Oktober des vergangenen Jahrs eine Ausnahmegenehmigung für den Abschuss dieses einzelnen Tiers erteilt.
200 Rudel in den Alpen
Eine solche Abschussgenehmigung ist derzeit zwar theoretisch möglich, aber erst nach Prüfungen und einem mehrstufigen Verfahren zu erreichen. „Nun spricht sich auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen für eine eingehende Prüfung der Wolfsbedrohung aus“, zeigte sich Österreichs Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) Mitte Jänner erfreut. Auch er tritt dafür ein, den Rechtsrahmen zum Schutz solcher
Beutegreifer zu überdenken. Laut Totschnig gab es 2021 in Österreich „doppelt so viele Risse als noch ein Jahr davor“. Mittlerweile sollen allein im Alpenraum rund 200 Rudel leben. Europaweit wird die Population auf 17.000 Tiere geschätzt.
Der Schutz des Wolfs wird in einer bereits 30 Jahre alten EURichtlinie geregelt. In dieser Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) wird der Wolf als „streng zu schützende Tierart von gemeinschaftlichem Interesse“gelistet. Er darf nur in wenigen Ausnahmefällen abgeschossen werden. Für eine Änderung dieser FFH-Richtlinie braucht es allerdings eine Zustimmung aller EU-Regierungen. Und die ist – wie auch der von Gewessler mitunterzeichnete Brief belegt – unrealistisch.