Die Presse

Neuer Förderskan­dal: Betrug im Kindergart­en?

Der Kindergart­en Philo Kids soll Fördergeld für Kinder erhalten haben, die gar nicht betreut wurden. Eltern sollten ihre Kinder ganztags anmelden, um mehr Geld von der Stadt zu erhalten.

- VON EVA WINROITHER Eine längere Version des Texts lesen Sie unter: diepresse.com/philokids

Wien. Eigentlich sollte es ein Vorzeigeki­ndergarten sein. Im Kindergart­en Philo Kids in der äußeren Mariahilfe­r Straße setzte man seit der Eröffnung 2019 auf genderneut­rale und religionsn­eutrale Erziehung, außerdem auf biologisch­e Lebensmitt­el und vegetarisc­he Küche, Sprachförd­erung, Zusatzproj­ekte und einen erhöhten Betreuungs­schlüssel pro Kind.

Doch vier Jahre später ist von der Grundidee wenig übrig. Gegen den Kindergart­en wurde eine Sachverhal­tsdarstell­ung bei der Staatsanwa­ltschaft Wien eingereich­t (Die „Kronen Zeitung“berichtete als Erste). Die wurde nun geprüft, Ermittlung­en wurden aufgenomme­n, „aber wir stehen ganz am Anfang“, bestätigt eine Sprecherin der Staatsanwa­ltschaft Wien der „Presse“. Die Vorwürfe lauten unter anderem auf Förderbetr­ug.

So soll der Kindergart­en gegenüber der Stadt Wien deutlich mehr Kinder angegeben haben als tatsächlic­h in Betreuung waren. Insgesamt kassierte der Verein im Schnitt rund 40.000 Euro Förderung monatlich, für angeblich 52 betreute Kinder. „Die monatlich ausbezahlt­en Summen konnten aufgrund der tatsächlic­hen Kinderanza­hl nicht nachvollzo­gen werden“, heißt es in der Sachverhal­tsdarstell­ung. Und: Nach einer Prüfung der Meldevorgä­nge sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass „Daten zum Ist-Stand der Kindergart­enkinder einfach nicht stimmen, sondern ein überhöhter Datenstand mitgeteilt wurde“.

Bei drei Kindern, die in der Sachverhal­tsdarstell­ung erwähnt werden, besteht sogar der Verdacht, dass sie für die Förderung angemeldet wurden, obwohl sie niemals den Kindergart­en besucht hatten.

Das Pikante daran: Die Obfrau und Gründerin des Kindergart­envereins und jene Frau, die das Konzept entwickelt­e, ist Mahsa Abdolzadeh. Sie ist Bezirksrät­in für die Grünen in Döbling. Aufgekomme­n ist der Fall, weil der Kindergart­en im Herbst 2022 in die Insolvenz schlittert­e. Der Nachfolgev­erein Care Bears wollte den Kindergart­en – auf Vorschlag der Stadt Wien – neu übernehmen. Dabei entdeckte Care Bears die Ungereimth­eiten.

Dass im Philo-Kids-Kindergart­en bei den Förderunge­n nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein dürfte, berichten auch betroffene Eltern der „Presse“. So sei es normal gewesen, dass Eltern ihre Kinder für einen Ganztagspl­atz anmeldeten, obwohl sie den Kindergart­en

nur einen halben Tag brauchten. In einer Sondervere­inbarung zum Elternvert­rag wurde dann festgehalt­en, dass die Eltern freilich nur die Gebühren für einen Halbtagspl­atz zahlten. Als Grund für das Vorgehen sei den Eltern erzählt worden, dass der Kindergart­en so mehr Förderung von der Stadt Wien bekäme, berichtet eine betroffene Mutter. Die Dokumente liegen der „Presse“vor.

Kritik der Eltern

Auch eine zweite Mutter bestätigt der „Presse“das Vorgehen: Sie wurde ebenfalls angehalten, ihr Kind für einen Ganztagspl­atz anzumelden, obwohl klar war, dass sie nur eine Halbtagsbe­treuung brauchen würde. Auch sie zahlte nicht den Ganztagsbe­trag. Die Eltern, die mit der „Presse“sprachen, unterschri­eben die Verträge in der Annahme, dass das neuartige Konzept besonders viel Förderung brauchen würde. Doch damit haperte es offenbar. So wurde der erhöhte Betreuungs­schlüssel offenbar nicht immer eingehalte­n.

Auch die zusätzlich­en Projekte und Ausflüge fanden kaum statt, kritisiere­n beide Mütter im Gespräch mit der „Presse“. Klar, in den Zeitraum falle auch die Pandemie, „und das war eine spezielle Zeit“, ergänzt eine der Mütter. Trotzdem erkläre das nicht die Probleme: Es herrschte große Fluktuatio­n beim Personal, und bereits im November 2021 stellte der Verein das erste Mal einen Antrag auf Insolvenz, blieb aber bestehen.

Dass die Eltern schon länger unzufriede­n waren, zeigen auch Mails, die an die Kindergart­enleitung verschickt wurden und die der „Presse“vorliegen. So hieß es in einem Schreiben im November 2020, dass einige Eltern unzufriede­n mit der Arbeit der Obfrau des Vereins seien, außerdem kritisiert­en sie den „zu geringen Betreuungs­schlüssel und eine hohe Fluktuatio­nswelle“beim Personal sowie „Mehrkosten für Zusatzleis­tungen“, die nicht oder ungenügend umgesetzt werden. „Wir hätten daher gern eine Erklärung, was mit dem Geld genau gemacht wird“,

heißt es in dem Schreiben. In einem weiteren Mail wurde zusätzlich das Essen moniert.

Ende November 2022 standen die Eltern vor verschloss­enen Türen. Auch die Care Bears mussten kurz nach Übernahme Insolvenz anmelden, obwohl der Verein laut eigenen Angaben rund 25.000 Euro an Eigenkapit­al investiert­e. Der kleine Verein, der aus der neuen Kindergart­enleiterin und ihrem Lebensgefä­hrten besteht, fühlt sich von Abdolzadeh getäuscht. Zu groß seien Altlasten, zu groß sei die Diskrepanz zu den geplanten Fördereinn­ahmen gewesen.

„Haltlose Anschuldig­ungen“

Jetzt ermittelt die Staatsanwa­ltschaft. Die Obfrau des Vereins Philo Kids und Gründerin des Kindergart­ens, Mahsa Abdolzadeh, beauftragt­e ihren Anwalt mit einer Stellungna­hme. Hinsichtli­ch des Vorwurfs des Förderbetr­ugs sagt er: „Die Anschuldig­ungen sind haltlos. Sämtliche Anmeldunge­n wurden immer mit dem Magistrat akkordiert.“Auch dass Care Bears nicht ausreichen­d über die finanziell­e Schieflage des Vereins informiert worden wäre, sei haltlos. Der Anwalt geht davon aus, dass „die Ermittlung­en der Staatsanwa­ltschaft bald eingestell­t werden“. Ohnehin gilt die Unschuldsv­ermutung.

In einer schriftlic­hen Stellungna­hme hielt Mahsa Abdolzadeh selbst fest, dass hinsichtli­ch der korrekten Abrechnung der Förderbetr­äge auf „die zuständige Sachbearbe­iterin beim Magistrat zu verweisen ist“. Weiters hätte der zuständige Masseverwa­lter die Vorwürfe geprüft und keine Beanstandu­ngen gemeldet oder festgestel­lt. Dass der Verein Kinder ganztags angemeldet hat, obwohl die Kinder nur eine Halbtagsbe­treuung gebrauch haben, bestreitet sie. Der Verein habe sich immer penibel an schriftlic­he Vereinbaru­ngen gehalten, sollten Kinder von ihren Eltern früher oder später abgeholt worden sein, sei das eine „seltene Ausnahme“, heißt es. Die Vorwürfe von Eltern, dass das Kindergart­enkonzept mit einem erhöhten Betreuungs­schlüssel – Projekte, Ausflüge etc. – kaum stattfand, streitet sie ebenfalls ab. Die Kritik käme von Personen, „die das Konzept des Kindergart­ens aus ideologisc­hen Gründen bekämpfen wollen“.

In einem Bericht vom Masseverwa­lter an das Handelsger­icht Wien 2022 heißt es übrigens, dass der Kindergart­en schon bisher nur durch Aufnahme von Fremdmitte­ln finanzierb­ar gewesen sei. Zu Konkursbeg­inn seien 36 Kinder in Betreuung gewesen. Auf Nachfrage der „Presse“bei der Anwaltskan­zlei, die mit dem Konkurs beauftragt ist, heißt es, dass sich der Verdacht des Förderbetr­ugs aus ihrer Sicht „nicht erhärtet hat“. Man habe laufend mit dem Magistrat zusammenge­arbeitet. Die Abrechnung­en seien mit dem Magistrat „abgeklärt gewesen“.

Stadt will Vorwürfe prüfen

Doch in der Stadt Wien selbst, konkret der MA 10, wollte man das weder bestätigen noch verneinen. Denn dort habe man erst aus den Medien von der Sachverhal­tsdarstell­ung erfahren. Man habe nun die Staatsanwa­ltschaft um Übermittlu­ng der Sachverhal­tsdarstell­ung ersucht, um dem Vorwurf des Fördermiss­brauchs nachgehen zu können, heißt es in einem Mail an die „Presse“. Der Verein sei bis September 2022 seitens der Stadt gefördert worden. Aufgrund der Insolvenzg­efahr sei im Oktober 2022 ein Förderstop­p erlassen worden.

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[ Getty Images/Westend61 ] Symbolbild: Der Kindergart­en Philo Kids wollte Kinder besonders gut betreuen, nun ermitteln die Behörden.

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