Was die Geldpolitik im Jahr 2023 bringen wird
Am Donnerstag hob die Europäische Zentralbank die Zinsen erneut um 0,5 Prozentpunkte an. Doch vom notwendigen Niveau sei man immer noch entfernt, so EZB-Chefin Christine Lagarde. Was bedeutet das für Wirtschaft und Kreditnehmer?
Der Wind in der EZB hat sich endgültig gedreht. Galt Zentralbank-Präsidentin Christine Lagarde zu Beginn des Vorjahres noch als „Taube“, da sie trotz bereits stark ansteigender Inflation keinen Grund für eine Zinswende sehen wollte, tritt die Französin inzwischen überzeugend für eine Geldpolitik im Sinne des Mandats der Zentralbank ein. Eine Veränderung, die ihr auch von bekennenden „Falken“im EZB-Rat bestätigt wird. Dies wurde am Donnerstag bekräftigt, indem die EZB nicht nur die Zinsen neuerlich um 0,5 Prozentpunkte auf drei Prozent erhöhte, sondern auch gleich bekannt gab, einen solchen Schritt auch bei der nächsten Sitzung am 16. März setzen zu wollen.
Die Entscheidung
Die Anhebung um einen halben Prozentpunkt war im Vorfeld erwartet worden. Etwas überraschend war jedoch, dass bereits bekannt gegeben wurde, dass es einen solchen Schritt auch im März geben werde. Damit folgt die EZB dem Wunsch jener Notenbanker, die seit Längerem auf eine strengere Geldpolitik drängen, darunter etwa auch OeNB-Gouverneur Robert Holzmann. „Der Preisdruck ist weiter hoch. Vor allem die stark gestiegenen Energiepreise sickern zunehmend durch die gesamte Wirtschaft“, so Lagarde. Erst am Mittwoch hatte Eurostat bekannt gegeben, dass die Inflation in der Eurozone mit 8,5 Prozent mehr als dem Vierfachen des EZB-Ziels von zwei Prozent entsprach.
Darüber hinaus äußerte sich die Zentralbank auch hinsichtlich der Reduktion des Anleihenkaufprogramms. Ab Anfang März soll die Wiederveranlagung bei abreifenden Anleihen um 15 Milliarden Euro pro Monat gesenkt werden. Diese Geschwindigkeit soll einmal bis Ende Juni gehalten werden. Wenn die Märkte gut darauf reagieren, will die EZB die Reduktionsrate weiter anheben, so Holzmann
jüngst im Interview mit der „Presse“. Durch diese Maßnahme wird das in den vergangenen Jahren in den Markt gepumpte Geld langsam wieder abgezogen. Aber auch inhaltlich will die EZB Akzente setzen. So soll die Wiederveranlagung bei Staatsanleihen entsprechend der aktuellen Verteilung erfolgen. Bei Firmenanleihen sollen jedoch künftig Firmen bevorzugt werden, die „eine bessere KlimaPerformance“haben.
Der Ausblick
„Wir wissen, dass wir noch einen Weg zu gehen haben. Wir sind noch nicht fertig“, so Lagarde am Donnerstag auf die Frage, wie es nach dem März mit den Zinsen weitergehen werde. „Wir müssen auf ein restriktives Niveau kommen und dort auch lang genug bleiben, bis der Zielwert einer Inflation von zwei Prozent auch erreicht wird.“Wo dieses Niveau genau sein könnte, sagte Lagarde nicht. Viele Ökonomen gehen jedoch davon aus, dass es jedenfalls über der Schwelle von vier Prozent liegen dürfte. Damit könnte die EZB den Höchstwert von Anfang 2008 einstellen, als die Zinsen kurz bei 4,25 Prozent lagen (siehe Grafik). In den USA wurde der Zinsgipfel von Fed-Chef Jerome Powell bei über fünf Prozent verortet. Am Mittwochabend erhöhte die USNotenbank ihre Leitzinsen bereits auf eine neue Spanne von bis zu 4,75 Prozent. Allerdings waren die USA auch in der Vergangenheit meist stärker bei ihren Zinsausschlägen
– sowohl nach oben als auch nach unten.
Die Auswirkungen
Klar ist, dass variable Kredite, die vor allem in Österreich sehr populär waren, für die Kreditnehmer zunehmend sehr teuer werden. Der etwa bei Hypothekarkrediten unterlegte Sechs-Monats-Euribor lag bereits vor der Ankündigung der EZB von Donnerstag bei drei Prozent und dürfte in den kommenden Tagen deutlich steigen. Bei einem Kredit mit einem Aufschlag von beispielsweise einem Prozent sind derzeit somit bereits vier Prozent an Zinsen zu bezahlen. Vor einem Jahr lag beim gleichen Kredit noch eine Gesamtbelastung von einem halben Prozent vor, da der Euribor damals noch bei minus 0,5 Prozent lag. Für Inhaber variabler Kredite dürften heuer also noch Gesamtbelastungen von fünf bis sechs Prozent Realität werden.
Die dadurch abgeflaute Kreditnachfrage ist auch das Ziel der EZB. So sollen auch die Nachfrage nach Gütern verringert und damit die Preise gesenkt werden. Dass dies bereits funktioniert, zeigt die jüngste Untersuchung zu BankKrediten der EZB. Demnach wird beispielsweise die Nachfrage nach Hypothekarkrediten im ersten Quartal 2023 mit minus 74 Prozent so stark zurückgehen wie noch nie seit Einführung des Euro. Selbst während der Finanzkrise 2008 war der Einbruch in der Kreditnachfrage mit 63 Prozent geringer.