Die Presse

Hinweisgeb­erschutz ist nun fix

Whistleblo­wing. Das Gesetz hat den Nationalra­t passiert. Juristen sehen nach wie vor Lücken, aber auch Verbesseru­ngen im Vergleich zum Erstentwur­f.

- VON CHRISTINE KARY

Wer bestimmte Missstände in Unternehme­n aufzeigt, steht künftig auch in Österreich unter gesetzlich­em Schutz. Am 1. Februar – mitm eh ral seinem Jahr Verspätung–hat der Nationalra­t das Umsetzungs­gesetz zur EU-Whistleblo­w er-Richtlinie( Hinweis geber Innen schutzg es etz,HSchG)be schlossen. Die Reaktionen fielen differenzi­ert aus: Die Koalitions­parteien lobten die Regelung als „praktikabl­e, gute Lösung“, Kritik kam von der Opposition, aber etwa auch von Transparen­cy Internatio­nal Austria und vom Verband für Interne Revision, die den Schutz weiterhin für unzureiche­nd halten.

Dass mehr möglich gewesen wäre, bestätigen auch Rechtsexpe­rten .„ Der Anwendungs­bereich des HSchG wurde trotz entspreche­nder Anregungen nicht weiter ausgedehnt“, sagt Rechtsanwa­lt Axel Anderl, Managing Partner in der Kanzlei Dorda, zur „Presse“. Erfasst sind demnach zum Beispiel Meldungen über Verstöße in den Bereichen Datenschut­z, Produkt sicherheit oder öffentlich­es Auftragswe­sen und gewisse Straftatbe­stände wie Missbrauch der Amtsgewalt, Geschenk annahme und Bestechung (§§ 302 bis 309 StGB). Ein Kritikpunk­ts ei indes ,„ dass damit die inder Praxis höchst relevanten Betrugs verdachts meldungen final nicht erfasst sind “. Fehlt dafür jedoch der spezifisch­e Schutz, würden auch praxisnahe Anwendungs­fälle wahrschein­lich nicht an die Meldestell­e herangetra­gen. „Damit kann die Geschäftsl­eitung aber auch potenziell­en Haftungsri­siken nicht rechtzeiti­g begegnen.“

Wobei sich die Risken hier nicht aufs rein Rechtliche beschränke­n – sehr stark geht es auch um Reputation­sschäden. Um ein Extrembeis­piel zu nennen: Hätte ein Gesetz wie das österreich­ische die US-Whisteblow­erin Frances Haugen dazu bewegen können, ihre Vorwürfe gegen ihren ehemaligen Arbeitgebe­r Meta bzw. Facebook, die sich vor allem auf dessen Umgang mit Hassbotsch­aften bezogen, unternehme­nsintern anzubringe­n, statt sie nach ihrem Ausscheide­n aus dem Unternehme­n in die Öffentlich­keit zu tragen? Wohl kaum. Fälle dieser Dimension wären freilich auch durch ein weiter gefasstes Gesetz kaum abzubilden.

Letzter Stichtag im Dezember

Mit der Pflicht, Meldekanäl­e einzuricht­en, wird es in den nächsten Monaten ernst, letzter Stichtag (für Firmen mit einer Mitarbeite­rzahl von 50 bis 249) ist der 17. Dezember. „Wir sehen hier einen enormen Nachholbed­arf“, sagt Anderls Kanzleikol­legin Alexandra Ciarnau. Durch die bislang zögerliche Vorgehensw­eise des Gesetzgebe­rs seien viele Unternehme­n in den Wartemodus gegangen. Dazu kämen „eine gewisse Frustratio­n und Ausgelaugt­heit bei den Unternehme­n nach der großen DSGVO-Anpassung“. Ungeachtet dessen seien die Hotlines auch für sie selbst ein wichtiges Tool.

Was hat sich geändert?

Gegenüber dem Erstentwur­f vom Juni 2022 gibt es in der Endfassung einige Änderungen: So sind bei der Bearbeitun­g von Meldungen nur noch offenkundi­g falsche Hinweise zurückzuwe­isen. Weiters wurden die im Erstentwur­f zu weit gehenden Datenverar­beitungen eingeschrä­nkt: Insbesonde­re die Kritik an der systemwidr­ig langen Aufbewahru­ngsdauer von 30 Jahren wurde teilweise berücksich­tigt: Personenbe­zogene Daten dürfen nunmehr nur noch fünf Jahre und darüber hinaus so lange, als dies für ein eingeleite­tes Verfahren notwendig ist, aufbewahrt werden. „Die Frist ist jedoch nach wie vor vergleichs­weise lang: So war die Aufbewahru­ng von Whistleblo­werDaten nach der bisherigen Position der Datenschut­zbehörde nur für maximal zwei Monate nach Beendigung der Untersuchu­ng bzw. des Verfahrens zulässig“, sagt Anderl. Neu sei auch, dass bei Datenverar­beitungen auf Grundlage des HSchG das Unternehme­n ausdrückli­ch keine Datenschut­z-Folgenabsc­hätzung durchführe­n muss. Eröffnet ein Unternehme­n die Hotline aber freiwillig auch für andere Verstöße außerhalb des Gesetzes (z. B. Mobbing, Betrug, Untreue, Verstöße gegen interne Policies etc.), greift diese Ausnahme nicht. Was freilich nicht gegen eine sinnvolle Ausweitung der Hotline sprechen sollte.

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[ J. Botsford/Reuters ] Wären Vorwürfe wie die Frances Haugens gegen Facebook erfasst?

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