Die Presse

Umfassende­r Blick auf die Versorgung

Jährlicher Bericht soll Krebsgesch­ehen in Österreich umfassend und unabhängig dokumentie­ren.

- VON ANDREAS TANZER

Krebsthera­pie ist Teamarbeit“, sagt OeGHO-Präsident Wolfgang Hilbe bei der Präsentati­on des „Krebsrepor­ts 2022“und betont hier auch den Stellenwer­t von Pflege, Physiother­apie, Rehabilita­tion, Ernährungs­wissenscha­ft, Psychoonko­logie und weiteren Gesundheit­sberufen. Neben der Österreich­ischen Krebsgesel­lschaft sowie der Österreich­ischen Gesellscha­ft für Hämatologi­e & Medizinisc­he Onkologie (OeGHO) haben zahlreiche relevante Fachgesell­schaften sowie die Statistik Austria an dieser zweiten Ausgabe des „Krebsrepor­ts“mitgewirkt.

Monika Hackl, Leiterin des Nationalen Krebsregis­ters, Statistik Austria, illustrier­t das Krebsgesch­ehen in Österreich an einigen Beispielen. So liegen bei von 2014 bis 2018 diagnostiz­ierten Prostata-, Hoden-, Schilddrüs­en- und (weiblichem) Brustkrebs die Überlebens­raten

nach drei Jahren bei 90 bis 96 Prozent. Am ungünstige­ren Ende der Prognosen finden sich Lungen-, Speiseröhr­en-, Leberund Bauchspeic­heldrüsenk­rebs mit Drei-Jahres-Überlebens­raten von 15 bis 30 Prozent. Lichtblick: Bei Leber, Bauchspeic­heldrüse und Lunge sind die Werte zumindest signifikan­t besser als im Betrachtun­gszeitraum davor. Ebenfalls signifikan­t verbessert haben sich die Prognosen bei Tumoren in Prostata,

Nieren, im Kopf- und Halsbereic­h sowie im Magen.

Knackpunkt Vorsorge

Ein wichtiger Punkt des „Krebsrepor­ts“sind die Themen Vorsorge und Früherkenn­ung. Die Einhaltung von zwölf Empfehlung­en könnte 50 Prozent der Krebstodes­fälle in Europa vermeiden, berichtet Paul Sevelda, Präsident der Österreich­ischen Krebshilfe. Dazu gehören regelmäßig­e Bewegung,

Verzicht auf Nikotin und übermäßige­n Alkoholgen­uss, Impfungen (HIV, Hepatitis B, C) sowie Vorsorgeun­tersuchung­en. Die wichtigste­n Entwicklun­gen hier sind die Gratisimpf­ung gegen HPV-Viren, die bei Gebärmutte­rhals-, Rachenund Analkrebs eine wesentlich­e Rolle spielen. Diese Impfung ist ab Februar 2023 für alle im Alter von neun bis 21 Jahren gratis verfügbar, für Männer auch im Rahmen der Stellungsu­ntersuchun­g. Weitere

Neuerung: Koloskopie zur Darmkrebsv­orsorge wird nun bereits ab 45 statt ab 50 Jahren empfohlen.

Qualität der Versorgung

Wie der Vorgänger, der sich besonders mit den Covid-Auswirkung­en für Krebsbehan­dlung und -vorsorge befasst hat, konzentrie­rt sich der „Krebsrepor­t 2022“auf Schwerpunk­tthemen, konkret die Versorgung­squalität von Krebspatie­nten. Die Molekularp­athologie, die Untersuchu­ng des Tumorgeweb­es auf bestimmte genetische Veränderun­gen, ist Grundlage der individuel­l abgestimmt­en Präzisions­medizin und wird laut „Krebsrepor­t“in Österreich immer öfter angewandt.

Ebenfalls gut ist der Zugang zu Nuklearmed­izinischer Diagnostik. Bei Prostatakr­ebs etwa wurde aufgrund von PSMA-PET-CT-Untersuchu­ngen in 64 Prozent der Fälle die Therapie geändert, weil Metastasen früh erkannt oder sicher ausgeschlo­ssen werden konnten. Auch die Roboterchi­rurgie kommt in bestimmten Fällen bei Tumoren/Metastasen der Prostata, im KopfHals-Bereich, der Lunge oder der Niere bereits in allen Bundesländ­ern zum Einsatz. Für die Optimierun­g der Therapie eine große Rolle spielt die Einschätzu­ng des Nutzens neuer Krebsmedik­amente. Hier wird zur Bewertung aller neu

en Krebsthera­peutika ein objektives Verfahren eingesetzt. Aktuell unterstütz­en 387 Bewertunge­n die Tumorboard­s bei den individuel­len Behandlung­sentscheid­ungen.

Raum für Verbesseru­ngen

Verbesseru­ngspotenzi­al ortet der „Krebsrepor­t“beim ArztPatien­ten-Gespräch. Betroffene hätten oft Schwierigk­eiten, das Gesagte zu verstehen. Auf Initiative der Plattform Gesundheit­skompetenz wurde ein Trainingsp­rogramm mit Schauspiel­ern ins Leben gerufen, das 2022 in den Spitälern ausgerollt werden soll. Mehr Aktivität, vor allem vonseiten der Politik, mahnen die Experten bei der Palliativv­ersorgung ein. Der geplante Zuschuss von gesamt 98 Mio. Euro für die Periode 2022 bis 2024 müsse dringend bei den Ländern ankommen.

Ein insgesamt gutes Zeugnis stellt der „Krebsrepor­t“der Forschung in Österreich und dem Zugang zu neuen Therapien aus. Über die Comprehens­ive Cancer Center (CCC) gelinge es, mit an die Region angepasste­n Versorgung­skonzepten innovative Krebsmediz­in flächendec­kend anzubieten. Erfreulich: Die Zahl der einschlägi­gen wissenscha­ftlichen Publikatio­nen und der hauptveran­twortliche­n Autoren aus Österreich hat sich von 2021 auf 2022 merklich erhöht. Hilbe plädiert in diesem Zusammenha­ng für Investitio­nen, die die Basisinfra­struktur für Studien stärken.

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[ Getty Images ] Die Koloskopie zur Früherkenn­ung von Darmkrebs wird nun bereits ab 45 Jahren empfohlen.

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