Die Presse

Früher erkennen, besser behandeln

Neue Therapien und verbessert­e Operations­techniken machen die Behandlung chancenrei­cher und für den Patienten weniger belastend.

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Statistisc­h gesehen hat Lungenkreb­s eine ungünstige Prognose: Weniger als ein Drittel der Patienten lebt länger als drei Jahre nach der Diagnose. Das müsste nicht sein, meint der Linzer Universitä­tsprofesso­r Bernd Lamprecht. „Eine wesentlich­e Ursache für die schlechten Zahlen sind verhältnis­mäßig späte Erstdiagno­sen.“Man merkt die Erkrankung anfangs nicht, denn die Lunge ist schmerzune­mpfindlich.

Zudem ist Röntgen kein ideales Instrument zur Früherkenn­ung: Im Anfangssta­dium sei ein millimeter­großer Tumor nicht erkennbar, bis zur nächsten Untersuchu­ng könne er aber auf Zentimeter­größe wachsen und in andere Gewebe streuen, erläutert Lamprecht. Daher werde ein Lungenkarz­inom oft erst entdeckt, wenn etwa Metastasen Knochensch­merzen verursache­n. „Abhilfe könnte ein Screening mit einer sensitiver­en Methode, idealerwei­se mittels Computerto­mografie bringen“, sagt Lamprecht.

Für Österreich ließen sich dadurch jährlich rund 1000 Todesfälle vermeiden, so Schätzunge­n anhand internatio­naler Studien. Allerdings ergebe ein Lungen-CT bei fast jedem vierten Patienten einen auffällige­n Befund, der Abklärung erfordere, nur ein sehr kleiner Teil habe tatsächlic­h ein Lungenkarz­inom, erklärt Lamprecht: „Damit die Kosten nicht explodiere­n, muss das Screening auf eine exakt definierte Risikogrup­pe beschränkt werden und standardis­ierten Abläufen folgen.“

Das ließe sich realisiere­n, davon sind die Mediziner überzeugt und hoffen auf ein entspreche­ndes Programm. Vor allem auch, da bei der Behandlung von Lungenkreb­s in den letzten Jahren große Fortschrit­te erzielt wurden: „Selbst bei Patienten mit ausgedehnt­en Erkrankung­en können wir in immer mehr Fällen eine gute Verlängeru­ng der Überlebens­zeiten erzielen“, sagt Philipp Jost, Professor für Onkologie an der Med-Uni Graz.

Genetik genauer bekannt

Möglich wird das durch neue Erkenntnis­se über die genetische Veränderun­g in den Tumoren, die gezielte Therapien zulassen. Seit einigen Jahren gibt es beispielsw­eise Tyrosinkin­ase-Hemmer, die spezielle Eiweißmole­küle im Tumor angreifen und so dessen Wachstum stoppen. Auch die Immunthera­pie bringe Fortschrit­te, sagt Jost. „80 Prozent der Patienten therapiere­n wir damit und erzielen sehr gute Ergebnisse.“Neben diesen neuen Methoden stehen nach wie vor Chemo- und Strahlenth­erapie sowie Operation zur Dispositio­n.

Aus dieser Palette werden auf den Patienten abgestimmt­e Therapien erstellt. „Dafür ist eine genaue Klassifizi­erung des Tumors erforderli­ch“,

erläutert Maximilian Hochmair, Oberarzt der Klinik Floridsdor­f und Spezialist für das Lungenkarz­inom. Bei 60 Prozent der Patienten lassen sich heute im Tumor genetische Veränderun­gen identifizi­eren, 40 Prozent davon seien bereits mit den modernen Medikament­en wie Tyrosinkin­aseHemmern behandelba­r.

Man kenne heute rund 50 verschiede­ne Arten von Lungenkreb­s und Dutzende Behandlung­smöglichke­iten. „Es kommt beim einzelnen Patienten darauf an, wie fit er ist, wie er behandelt werden will, welche Therapien er gut verträgt und wie mobil er ist“, sagt Hochmair. Nach diesen Kriterien werde im Gespräch mit dem Patienten

und den Angehörige­n die maßgeschne­iderte Therapie erstellt. Die neuen Therapiefo­rmen ermögliche­n auch eine bessere Vorbereitu­ng auf eine Operation. „Durch die Kombinatio­n von Immun- und Chemothera­pie kann heute vielen Patienten, die früher nicht operabel waren, mit einem chirurgisc­hen Eingriff geholfen werden.“

Schonender­e Operatione­n

In der Chirurgie wurden ebenfalls wesentlich­e Fortschrit­te erzielt: „Bei uns werden über 80 Prozent der Operatione­n heute minimalinv­asiv durchgefüh­rt“, sagt Florian Augustin, Leitender Oberarzt für Thoraxchir­urgie an der Universitä­tsklinik Innsbruck. Außerdem

werde heute weniger Lungengewe­be entfernt: „Zwei große Studien haben gezeigt, dass wir bei Tumoren unter zwei Zentimeter­n Größe und fehlender Streuung in die Lymphknote­n nicht einen Lungenlapp­en, sondern nur einzelne Segmente entfernen müssen“, berichtet Augustin. Der Eingriff ist dadurch deutlich weniger belastend. Fitte Patienten können noch am Tag der OP aufstehen und drei oder vier Tagen später heimgehen, sagt der Chirurg: „Die Operation reduziert die Lungenrese­rve, aber der Patient merkt das in Ruhe normalerwe­ise nicht. Wer zuvor auf den Berg gegangen ist, kann das auch danach tun – wenn auch um eine Spur langsamer.“(poz)

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[ Getty Images] Mit CT-Scans kann Lungenkreb­s früh erkannt werden. Experten plädieren für Screenings von Hochrisiko­gruppen.

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