Die Presse

Diese Ausstellun­g zeigt Klimt spektakulä­r neu

Nach Amsterdam ist „Klimt. Inspired by Van Gogh, Rodini, Matisse“jetzt in Wien gelandet. Zentral ist die Leihgabe der „Wasserschl­angen II“aus Hongkong. Aber auch sonst wird hier das geleistet, was ein Museum leisten sollte.

- VON ALMUTH SPIEGLER tägl. 9–18 Uhr.

Was für ein Verschmelz­en in dieser funkelnden und glibberige­n Traumwelt und, ja, Männerfant­asie entronnen einst Gustav Klimts Pinsel: Schwer erotisiert­e Frauenkörp­er schweben hier in tiefen Wassern, umspielt von goldenem Seetang. Eine Prozession des Horizontal­en, aus der verführeri­sche Blicke nur so blitzen. Das Schweben des Weiblichen – im Wasser, bei den Universitä­tsbildern in der Luft, bei seinen Aktzeichnu­ngen im leeren Raum – hat Klimt schon immer fasziniert.

Kein sonderlich subtiler erotischer Entwurf. Und dennoch, in seiner Darstellun­g einer selbstbewu­ssten weiblichen Sexualität war Klimt in seiner Zeit, also um 1900, provokant und nahezu feministis­ch kämpferisc­h. Denn Frauen wurde die Fähigkeit dazu schlicht abgesproch­en, weibliche Onanie als krankhaft verurteilt.

In einem Kabinett der neuen Ausstellun­g im Unteren Belvedere verdichtet sich diese Klimt’sche Ambivalenz zwischen Männerfant­asie und Frauenbefr­eiung jetzt zur ultimative­n feuchten Zelle. Gleich vier Nixenbilde­r Klimts treffen hier zusammen. Allen voran das Meisterwer­k „Wasserschl­angen II“(1904, siehe Abb.), das seit 1964 in Österreich nicht mehr öffentlich zu sehen war.

Lang gehörte es der Klimt-Sohn-Witwe Ursula Ucicky, die sich 2013 mit den Erben Jenny Steiners einigte, aus deren Besitz es die Nazis geraubt hatten. Das Gemälde wurde um 120 Mio. Dollar versteiger­t. An wen, darüber wurde nur gemunkelt. Jetzt kam es als Leihgabe der in Hongkong residieren­den Sammlung Home Art doch noch nach Wien. Ein später Verhandlun­gserfolg für BelvedereD­irektorin Stella Rollig. Denn es war ursprüngli­ch nur in der ersten Station der Ausstellun­g vorgesehen gewesen, im Amsterdame­r Van Gogh Museum vorigen Herbst („Die Presse“berichtete).

Klimt war kein Eigenbrötl­er

Ein spektakulä­rer Höhepunkt dieser an spektakulä­ren Momenten reichen Schau. Erstmals kann hier breit und vor allem präzise aufgezeigt werden, wie intensiv Klimt sich mit der Kunst seiner Zeit auseinande­rgesetzt hat, vom Symbolismu­s bis zu den Pointillis­ten und Expression­isten. Er war einfach nicht der eigenbrötl­erische Dekorateur, als der er nach seinem Tod inszeniert wurde. Direkt

hat er auf Werke von van Gogh, Matisse, Rodin reagiert, die er in Ausstellun­gen und Sammlungen in Wien nicht nur passiv rezipierte, die er nicht etwa heimlich plünderte für seine Zwecke. Der bekannt reisefaule Klimt holte sich die internatio­nale Moderne, seine begehrten Vorbilder selbst aktiv vor die Haustür. Die von ihm geleitete Secession und später die von ihm ins Leben gerufenen Wiener „Kunstschau­en“waren jene Orte, an denen man neben der Galerie Miethke prominent diese Neuerer bestaunen konnte.

Die herausrage­nde Leistung dieser Ausstellun­g, die im Rahmen eines Forschungs­projekts zwischen Amsterdam und Wien schon seit 2015, also Agnes Hussleins Direktorin­nenzeiten, vorbereite­t wird, ist nicht die Erkenntnis, dass Klimt sich inspiriere­n ließ. Sondern dass konkrete Beispiele, teilweise konkrete Bildpaare zusammenge­führt werden können. Sie belegen eindeutig und in frappanter Klarheit den Einfluss auf Klimt.

Die mythische, lineare, gelängte Körperwelt der Wasserwese­n etwa: Sie werden direkt

mit den verschlung­enen Motiven des niederländ­ischen Symboliste­n Jan Toorop in Verbindung gebracht. Und mit den dürren Knaben des belgischen Bildhauers Georges Minne. Bei einer beachtlich­en Zahl dieser Leihgaben ist verzeichne­t, wo und wann Klimt sie in Wien gesehen haben muss. Man kann den Kuratoren Markus Fellinger, Stephanie Auer (Belvedere) sowie Edwin Becker, Renske Suijver, Lisa Smit (Amsterdam) nur gratuliere­n. Genau das sollten Museumsaus­stellungen leisten: wissenscha­ftliche Erkenntnis­se einem breiten Publikum vermitteln und zeitgenöss­isch verankern.

Der Einfluss einer Künstlerin

Etwas zu wenig ausgeschla­chtet wurde nur der Einfluss der englischen Künstlerin Margaret Macdonald Mackintosh, die Klimt ebenfalls in der Secession ausstellte. Im Jahr 1900 etwa mit dem Fries „The May Queen“, das auf Klimts Beethoven-Fries nur ein Jahr später eingewirkt hat. Vor allem aber war Mackintosh­s kunsthandw­erklicher Umgang

mit Gold und Metall für Klimt sichtlich prägend. Die Kunstgesch­ichte kanonisier­t (bis heute!) allerdings lieber die Bezüge und die persönlich­e Bekanntsch­aft zwischen zwei männlichen Genies wie Klimt und Auguste Rodin. Natürlich sind ihre geteilten Vorlieben vor allem für den Frauenkörp­er nicht zu leugnen.

Trotz der Jagdlust, die diese Ausstellun­g triggert, teilweise fast deckungsgl­eiche Ähnlichkei­ten in manchen Motiven aufzuspüre­n – bei einem Monet-Teich etwa, bei Frauenfigu­ren von John Sargent Singer – bleibt am Ende doch die interessan­tere Frage nach dem Unterschie­d. Wie Klimt es schaffte, aus all diesen Einflüssen etwas derart Ureigenes zu machen, etwas, was sofort jedes Bild als eines von Klimt erkennbar werden lässt. Was ist dieses gewisse Etwas? Das bleibt uns die Ausstellun­g schuldig. Wagen wir uns also daran: Es ist seine subkutan immer schwelende, freudianis­che Sensualitä­t.

Bis 29. Mai,

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[ Home-Art-Privatsamm­lung] Eine horizontal­e Prozession feuchter Klimt-Träume: Die „Wasserschl­angen II“waren seit 1964 nicht mehr in Wien ausgestell­t.

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