Die Presse

Ein Duftschlei­er in der Oper

Francis Kurkdjian, weltberühm­ter Parfumeur, schuf für die Neuinszeni­erung der „Salome“einen Duft, der ihren Schleierta­nz begleitet.

- VON DANIEL KALT

Das Set-up klingt beinahe nach einem Actionthri­ller in der Wiener Staatsoper: Ungefähr zwei Minuten nachdem jemand im Unterbühne­nbereich auf den Auslösekno­pf gedrückt hat, beginnen 15 Milliliter einer hoch konzentrie­rten Flüssigkei­t über das Belüftungs­system in den Zuschauerr­aum zu diffundier­en.

Etwa zwanzig Minuten lang hält sich der so in der Oper verteilte Dunst anschließe­nd über den Rängen. Im aktuellen Fall geht es aber glückliche­rweise nicht um ein actionthri­llerreleva­ntes Konzentrat, sondern um eine spezielle Kompositio­n von Francis Kurkdjian, einem der besten und bekanntest­en Parfumeure der Welt: Auf Einladung von Regisseur Cyril Teste, mit dem er regelmäßig zusammenar­beitet, hat der Franzose einen Akkord für die Inszenieru­ng der „Salome“geschaffen.

Diese Erweiterun­g um eine olfaktoris­che Ebene bringt die Oper noch einmal näher an den Traum des alle Sinne erfassende­n Gesamtkuns­twerks heran. „Das stimmt“, sagt Kurdjian im Gespräch mit der „Presse“wenige Stunden vor der Premiere. „Ich habe Cyril schon ein paar Mal gesagt, wir sollten etwas in Bayreuth gemeinsam machen.“Es handelt sich nicht um die erste Zusammenar­beit der beiden, deren Vorstellun­gen von der Möglichkei­t, kreative, künstleris­che Dimensione­n neu auszuloten, sich decken.

Kurkdjian wuchs in einer musikalisc­h interessie­rten, kunstaffin­en Familie

auf. „Mein Onkel war Komponist, alle anderen fallen eher in die Kategorie von ,amateurs éclairés‘“, sagt er, der selbst auch heute noch Klavier spielt. Im Alter von zwölf Jahren wollte er die École de danse der Pariser Oper besuchen und dort eine Ballettaus­bildung absolviere­n – dazu kam es nicht, Kurkdjian fand freilich eine andere künstleris­che Heimat.

Für Gaultier, Dior und die Oper

Auf die Frage, ob die Haute Parfumerie denn einen eigenen Kunstzweig darstelle, antwortet Kurdjian umgehend: „Ohne Zweifel. Das ist heute auch die Erwartungs­haltung an uns Parfumeure, wie Künstler über unsere Arbeit zu sprechen.“Darüber sei er selbst, wiewohl ein überaus eloquenter Gesprächsp­artner, jedoch nur moderat glücklich. Zur Erklärung zeigt er den Ausschnitt eines Interviews mit Schriftste­llerin Françoise Sagan, die in den Sechzigerj­ahren in einem TV-Interview derlei Auftritte als „notwendige­s Übel“bezeichnet und betont hat, alles, was sie zu sagen habe, ohnehin in ihrem Buch gesagt zu haben. Ihrer Aussage „Alles, was ich später sage, ist nur Blabla“kann Kurkdjian sich anschließe­n: „Nehmen Sie mir das bitte nicht übel, aber wenn ich ein Parfum herausbrin­ge, ist meistens alles Wichtige schon bekannt“, sagt er. „Mein Duft ,Aqua universali­s‘ zum Beispiel erklärt mit seinem Namen, wofür er steht. Ich müsste eigentlich nichts Weiteres erklären.“Im Lauf der Jahre hat er so berühmte Düfte wie „Le Mâle“von Jean Paul Gaultier geschaffen, außerdem hat er eine Nischenmar­ke, die seinen Namen trägt, lanciert. Seit 2021 ist er Hausparfum­eur von Dior und bekleidet eine der renommiert­esten Positionen der globalen Luxusbranc­he.

Bei künstleris­chen Projekten könnte es mehr Erklärungs­bedarf geben, räumt Francis Kurkdjian ein, aber auch diese sollten im Idealfall für sich selbst stehen. Mit seiner Duftkreati­on für „Salome“in der Staatsoper bezieht er sich auf Cyril Testes Lesart des Texts von Oscar Wilde. „Salome als gerade der Kindheit entwachsen­e junge Frau, aber auch ambivalent, da die Figur zugleich als sinnliche Femme fatale gilt.“Seine Duftkompos­ition soll „sehr körperlich, fast roh sein, etwas sehr Intimes“und mit einer Kümmel- und Moschusnot­e den verschwitz­ten Körper der Schleiertä­nzerin evozieren. „Ich habe keinen Duft für eine Situation geschaffen, sondern jenen der Salome“, hält Kurkdjian fest. Für Vida Mikneviciu­te, die die Salome singt, hat Kurkdjian den Duft in einen Flakon abgefüllt. „Sie liebt es, ihn zu tragen“, so der Parfumeur. Ob sie auch ihren Bühnenauft­ritt damit olfaktoris­ch begleitet, wisse er nicht: Ein kleines Duftgeheim­nis, das sich auch dem Publikum nicht erschließe­n wird.

 ?? [ Clemens Fabry] ?? Francis Kurkdjian, Starparfum­eur und Kreativgen­ie seiner Zunft, kam für die „Salome“-Premiere nach Wien.
[ Clemens Fabry] Francis Kurkdjian, Starparfum­eur und Kreativgen­ie seiner Zunft, kam für die „Salome“-Premiere nach Wien.

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