Warum die USA Kiew nicht genug Waffen für einen Sieg liefern
Die Amerikaner wissen genau, was in ihrem nationalen Interesse ist. Und die Deutschen haben Annalena Baerbock.
Wenn man dabei zusehen muss, wie die deutsche Außenministerin, Annalena Baerbock, schlafwandlerisch durch die Weltgeschichte taumelt, wie sie wie jüngst Russland eher unabsichtlich fast den Krieg erklärt („Wir führen einen Krieg gegen Russland und nicht gegeneinander“); schwadroniert von „Ländern, die Hunderttausende Kilometer entfernt liegen“; Strom „im Netz speichern“will, weil das „Experten errechnet haben“; oder erläutert, der Ukraine-Krieg werde anders geführt als im 19. Jahrhundert, denn damals kämpfte man „nur mit Panzern“– wenn man also diese Aneinanderreihungen von Bildungsferne, Ignoranz und Unverständnis als Zeitzeuge hautnah miterleben muss, könnte einem angst und bange werden.
Baerbocks schlichte intellektuelle Ausstattung erscheint um so tragischer vor dem Hintergrund ihrer Vorgänger, Männern wie Konrad Adenauer, Willy Brandt, Hans-Dietrich Genscher oder Helmut Schmidt. Sie alle mögen ihre Fehler und Untiefen gehabt haben, aber sie waren zweifellos Staatsmänner von Format, würdig ihres bedeutenden Amts.
Das kann man von der aktuellen Amtsinhaberin nicht einmal bei Aufbringung enormer Mengen guten Willens behaupten. Das Beste, was man über sie sagen kann, ist, dass sie nicht Kanzlerin geworden ist, was so manche deutsche Medien herbeizuschreiben versucht haben vor der jüngsten Wahl. Es ist das politische Glück von Figuren wie der deutschen Außenministerin, dass heute nur noch wenigen Menschen bewusst ist, welche gewaltigen Talente gerade im Feld der Außenpolitik früher die Welt veränderten, im Guten wie im Schlechten, immer ausgerüstet mit der intellektuellen Fähigkeit, dreidimensionales Schach zu spielen.
Gerade angesichts der Weltenkatastrophe von Russlands Krieg gegen die Ukraine drängt sich die Auseinandersetzung mit George Kennan auf, dem wahrscheinlich brillantesten Außenpolitiker und Russland-Kenner des 20. Jahrhunderts.
Der bewunderte – und vor allem: verstand – Russlands Menschen, Kultur und Seele ebenso, wie er das kommunistische Regime verachtete.
Bereits 1948 schrieb er, der als einer der Ersten den Untergang der UdSSR vorhersagte, eine Denkschrift „U.S. Objectives with Respect to Russia“, in der er auf die Risiken einer Abspaltung der Ukraine von der Sowjetunion hinwies. Russland, so argumentierte er damals, werde nie und nimmer die Unabhängigkeit der Ukraine akzeptieren und diese notfalls mit Gewalt beenden. Und zwar unabhängig davon, wer an der Spitze Russlands stehe, war er überzeugt.
Den von ihm beratenen US-Präsidenten empfahl Kennan deshalb stets, vorsichtig die Interessen sowohl Russlands als auch der Ukraine zu berücksichtigen – und blieb bis zu seinem Tod 2005 bei dieser Haltung. Nicht, weil er Russlands Haltung billigte – wohl aber, weil er Russland verstand, ohne Russenversteher zu sein. Interessant, wenn auch kaum wahrgenommen ist, dass sich die USA auch heute bis zu einem gewissen Grad an Kennans Rat halten. Denn sie sind peinlich bemüht, Russland militärisch nicht über ein für die Ukraine absolut notwendiges Minimum hinaus existenziell zu schwächen. Sie liefern der Ukraine zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben an Waffen, sie stören keine russischen satellitengestützten Kommunikationssysteme – und haben mit großer Wahrscheinlichkeit die Ukraine daran gehindert, im Herbst 30.000 nahezu eingekesselte russische Soldaten zu vernichten.
Das mag zynisch erscheinen angesichts der Brutalität, mit der Russland in der Ukraine vorgeht und für die Ukrainer eher unbefriedigend – aber es ist Realpolitik, die von Interessen und nicht von Gefühlen geleitet wird und in deren Mittelpunkt das nationale Interesse der USA steht. Man mag zu einer derartigen Außenpolitik stehen, wie man will, aber eines kann man ihr nicht absprechen: ein hohes Maß an gedanklicher Schärfe und Professionalität in der Exekution. Und Europas Vormacht, Deutschland, hat Baerbock.
Das Beste, was man über Annalena Baerbock sagen kann, ist, dass sie nicht Deutschlands Bundeskanzlerin geworden ist.