Die Presse

Das verwundete Hinterland

Uschhorod liegt weit weg von der Front. Doch auch hier kämpfen die Menschen mit den Folgen des Krieges.

- A us der Ukraine berichtet WIELAND SCHNEIDER

Der Krieg scheint weit weg zu sein – zumindest auf den ersten Blick. Menschen schlendern über die Brücke, die über den Fluss Usch führt. Die Geschäfte und Cafés sind geöffnet. Vor einem Friseurlad­en stehen zwei Frauen und rauchen. Eine bunte Reklametaf­el, die die Umrisse eines Männer- und eines Frauenkörp­ers zeigt, weist auf den Friseurlad­en hin. Er heißt Javelin – so wie die US-Panzerabwe­hrlenkwaff­e, mit der ukrainisch­e Soldaten der russischen Armee herbe Verluste zugefügt haben. Nur einige Straßen weiter blicken zwei Männer mit Sturmhaube­n und Kalaschnik­ows ernst von einem gewaltigen Poster – ein Werbeplaka­t für die ukrainisch­en Streitkräf­te.

16 Stunden ohne Strom

Von Gefechten ist die Stadt Uschhorod, im äußerten Südwesten der Ukraine, verschont geblieben. Geschossen wird viel weiter östlich. Doch auch in Uschhorod kämpfen die Menschen mit den Auswirkung­en des Krieges. In den Straßen der Altstadt wird alles von einem lauten Dröhnen übertönt. Es ist der Lärm der vielen Dieselgene­ratoren, die hier die Versorgung mit Elektrizit­ät sicherstel­len sollen. „Aus dem öffentlich­en Netz gibt es nur morgens und abends jeweils zwei Stunden Strom. Und dazwischen auch nochmals vier Stunden“, berichtet Oleksandar Bodnar. Wer die restlichen 16 Stunden Elektrizit­ät haben will, braucht einen Generator samt Treibstoff.

Uschhorod ist auch Heimstätte für Zehntausen­de Vertrieben­e, die aus den umkämpften Teilen der Ukraine flüchten mussten. Von hier aus sind viele weiter ins Nachbarlan­d Slowakei geflohen. Das ukrainisch­e Rote Kreuz versucht, den Vertrieben­en und den Einwohnern der Stadt so gut es geht beizustehe­n. Dabei erhält es Hilfe des Österreich­ischen Roten Kreuzes. Es schickte Nothilfepa­kete und beteiligte sich an der Sanierung nicht winterfest­er Häuser und Flüchtling­sunterkünf­te.

Rettungsau­tos aus Österreich

Bei seiner jüngsten Ukraine-Reise besuchte Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen auch eine Klinik in Uschhorod, die vom Österreich­ischen Roten Kreuz unterstütz­t wird. „Wir haben drei Rettungsfa­hrzeuge aus Österreich erhalten“, berichtet die Spitalslei­terin Ludmila Sorokina. Drei Miniklinik­en hat das Rote Kreuz hier eröffnet, dazu kommt noch eine Reihe mobiler Sanitätsbr­igaden, die auch im Berggebiet rund um die Stadt unterwegs sind, um die Menschen zu versorgen.

„Wir kümmern uns nicht nur um die Vertrieben­en. Auch viele Bürger von hier brauchen Hilfe“,

sagt Ivanna Sabo. Sie leitet das Rote Kreuz hier im Oblast Transkarpa­tien und ist Vizepräsid­entin des gesamten ukrainisch­en Roten Kreuzes. Vor allem alte Menschen benötigten Pflege zu Hause, schildert Sabo. Familiäre Netzwerke, die bisher Alte und Schwache aufgefange­n haben, sind durch den Krieg loser geworden – weil etwa jüngere Familienmi­tglieder an der Front kämpfen oder die Verteidigu­ng im Hinterland unterstütz­en.

Auch zwei Zentren für psychologi­sche Betreuung wurden eröffnet, erzählt Ivanna Sabo. Psychologi­sche Hilfe wird immer wichtiger. Denn der Krieg hat tiefe seelische Wunden in den Menschen hinterlass­en. Auch wenn das auf den ersten Blick nicht immer zu erkennen ist.

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[ APA/Roland Schlager ] Hilfe in der Ukraine. Österreich­s Bundespräs­ident Van der Bellen besuchte die Rot-Kreuz-Klinik in Uschhorod.

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