Die Presse

„Die OSZE sterben zu lassen ist keine Option“

Außenminis­ter Ian Borg präsentier­te inhaltlich­e Schwerpunk­te seines einjährige­n Vorsitzes. Knapp vor ihrem 50-jährigen Bestehen steht die Zukunft der Organisati­on selbst auf dem Spiel.

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Der maltesisch­e Außenminis­ter, Ian Borg, lässt sich Zeit mit seinen Antworten. Mäandernd und ein wenig umständlic­h beantworte­te er am Donnerstag Fragen zu Maltas OSZE-Vorsitz. Vielleicht muss Borg – 37, hellblaue Krawatte, dunkelblau­er Anzug – seine Rolle als neuer OSZE-Vorsitzend­er erst finden. Und tatsächlic­h hat der maltesisch­e Vorsitz der bedeutende­n multilater­alen Organisati­on mit Sitz in Wien gerade erst begonnen. Doch die Uhr tickt für Borg. In neun Monaten muss er viele Probleme lösen – Probleme, an denen erfahrene Diplomaten vor ihm gescheiter­t sind.

Am Donnerstag stellte er die Prioritäte­n seines einjährige­n Vorsitzes vor. Wenig verwunderl­ich steht die Beendigung des russischuk­rainischen Krieges an erster Stelle. Die OSZE-Spitze veröffentl­ichte ein Statement, das auf das Flugzeugun­glück bei Belgorod Bezug nahm. Zwar müssten erst die

Fakten geklärt werden, sicher sei aber: „Zu viele Leben wurden schon geopfert.“Moskau solle seinen Krieg gegen die Ukraine sofort beenden. Andere Probleme, die Borg im Laufe des Jahres thematisie­ren will, sind Klimawande­l, Digitalisi­erung und Medienkomp­etenz sowie Gewalt gegen Frauen.

Vier Posten müssen besetzt werden

Das neutrale Malta kam als Vorsitzlan­d zum Zug, nachdem Russland den Kandidaten Estland blockiert hatte. Diese Entscheidu­ng in letzter Minute beim Ministerra­t in Skopje im November 2023 wurde in Diplomaten­kreisen als Hoffnungss­chimmer gewertet. Jetzt stellt sich die Frage, ob der Inselstaat auch in anderen drängenden Fragen eine Einigung beschleuni­gen kann.

Die wichtigste Aufgabe des Vorsitzes ist es wohl, die in einer tiefen Krise steckende Organisati­on überhaupt am Leben zu erhalten. „Die

OSZE einfach sterben zu lassen ist keine Option“, gelobte Borg. Aufgrund der Ost-WestSpannu­ngen gibt es keine Entscheidu­ng über die Besetzung von vier Top-Posten. Dazu gehört der Job von Generalsek­retärin Helga Maria Schmid, deren Amtszeit eigentlich 2023 zu Ende gegangen wäre. Die Generalsek­retärin wurde bis 3. September 2024 verlängert. Dann ist Schluss. Zudem hat die Organisati­on kein aktuelles Budget. Man hantiert mit Mitteln, wie sie 2021 vorgesehen waren. Wie er all die Herausford­erungen angehen wolle? „I don’t have the magic answer“, gab Ian Borg zu.

Eines zumindest ließ der Vorsitz durchblick­en. Forderunge­n nach einem Rauswurf Russlands aus der Organisati­on dürfte er nicht unterstütz­en. Es gebe gar keinen Mechanismu­s dafür und käme einer Selbstabsc­haffung gleich, erklärte der Außenminis­ter.

Und noch eine Frage ist bereits gelöst: Für 2025 gibt es schon einen Vorsitz. Finnland soll zum 50-Jahr-Jubiläum der Schlussakt­e von Helsinki die Organisati­on anführen, die damals – in einer Phase der Entspannun­g, so anders als heute – geboren wurde. (som)

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[AFP/APA] Maltas Außenminis­ter und OSZEVorsit­zender Ian Borg.

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