Die unheimliche Macht der Houthis
Die vom Iran unterstützten Rebellen sind militärisch und politisch so stark wie nie. Die US-Luftschläge setzen ihnen kaum zu. Mit ihren Raketenangriffen auf Handelsschiffe im Roten Meer gefährden sie die Weltwirtschaft.
Das ärmste Land der Arabischen Halbinsel wird zum Risiko für die Weltwirtschaft. Die Houthi-Rebellen im Jemen greifen seit November westliche Handelsschiffe im Roten Meer mit Raketen an und lassen sich auch von amerikanischen Luftschlägen nicht davon abbringen. Große Reedereien meiden deshalb das Rote Meer und den Suezkanal, was Transporte verteuert und verzögert.
Amerikanische Militärs sagen zwar, ihre Angriffe auf Stellungen der Rebellen seit dem 12. Jänner hätten bis zu 30 Prozent der Houthi-Waffen außer Gefecht gesetzt. Doch die Houthis haben offenbar immer noch genug Raketen übrig und schießen weiter. Militärisch und politisch sind die Houthis so stark wie nie.
Die Gründe dafür liegen nicht nur bei den Houthis selbst, wie Abdulghani al-Iryani von der Denkfabrik Sanaa-Center in der jemenitischen Hauptstadt sagt. Die Rebellen seien einerseits eine disziplinierte und kampferprobte Truppe mit einer „messianischen“Ideologie, sagte Iryani der „Presse“. Andererseits profitierten sie von der Brutalität ihrer Gegner: Saudiarabien habe im Krieg gegen die Houthis in den vergangenen neun Jahren so viele Zivilisten getötet, dass die Houthis auch von Jemeniten unterstützt würden, die sonst nicht auf ihrer Seite stünden. Hinzu kommt das Bündnis mit dem Iran, das den Houthis moderne Waffen sichert.
Vom Clan zur Kampftruppe
Houthi ist der Name eines Clans aus dem schiitisch dominierten Nordwesten des Jemen. Die Schiiten stellen etwa ein Drittel der Bevölkerung in dem Land im Süden der Arabischen Halbinsel, die Sunniten zwei Drittel. Ab den 1980er-Jahren und besonders nach der Vereinigung von Nord- und Süd-Jemen 1990 sammelten die Houthis unzufriedene Schiiten um sich, die sich gegen den Einfluss der sunnitischen Führungsmacht Saudiarabien und der USA wehren wollten.
Diese Protestbewegung geriet in Konflikt mit dem damaligen jemenitischen Präsidenten, Ali Abdullah Saleh. Die Houthis beteiligten sich am Aufstand gegen Saleh im Arabischen Frühling 2011, der mit der Vertreibung des Präsidenten endete. Anschließend eroberten die Houthis große Gebiete im Norden des Jemen und nahmen 2015 die Hauptstadt Sanaa ein. Die Rebellen unterdrücken Andersdenkende in ihren Herrschaftsgebieten. Auch gelten sie als korrupt und arrogant. Das Schicksal notleidender Zivilisten – zwei Drittel der rund 30 Millionen Einwohner des Jemen sind wegen des Dauerkrieges auf Hilfe von außen angewiesen – sei den Houthis egal, sagen Kritiker.
Saudiarabien griff im Jahr 2015 militärisch im Jemen ein, um die Houthis zu stoppen. Riad hoffte auf einen raschen Sieg, doch die Houthis schlugen zurück und beschossen saudisches Territorium mit Raketen und Drohnen. Seit zwei Jahren herrscht ein Waffenstillstand; inzwischen laufen Friedensverhandlungen.
Gaza-Krieg als Chance
Den Gaza-Krieg zwischen Israel und der Hamas seit Oktober begreifen die Houthis als Chance. Ideologisch sind sie gegen den Westen und Israel eingestellt; die Parolen „Nieder mit Amerika – Nieder mit Israel – Verflucht seien die Juden“gehören zu ihren Schlachtrufen. Nun machen sich die Houthis die Unzufriedenheit vieler Araber mit der Zurückhaltung arabischer Regierungen in dem Konflikt zunutze. Sie stellen ihre Angriffe auf Schiffe im Roten Meer als Unterstützungsaktion für die Hamas dar und schwören Vergeltung für die westlichen Luftschläge.
„Sie sind froh über Konfrontation mit den USA und Großbritannien“, sagt Jemen-Experte Iryani über die Houthis. Seit die Rebellen Handelsschiffe beschießen, wächst die Bewunderung für die Houthis in der ganzen Region. In der Nacht zum Donnerstag trafen sie nach eigenen Angaben ein US-Kriegsschiff vor der Küste Jemens mit einer Rakete. Die US-Militärs dementierten, doch eine Schwächung der Houthis als Folge der Luftangriffe ist vorerst nicht zu erkennen.
„Juniorpartner“des Iran
Die USA werfen dem Iran vor, er stehe hinter den Angriffen der Houthis. Die Rebellen als bloße Gefolgsleute der Iraner zu sehen, sei aber ein Fehler, sagte Iryani. Er sieht die Houthis als „Juniorpartner“Teherans mit eigenen Interessen. Die Houthis gehören zwar zur sogenannten Achse des Widerstands, wie der Iran seine Verbündeten im Nahen Osten nennt. „Aber generell stellen die Houthis die eigenen Prioritäten über die des Iran“, sagt Iryani. Deshalb ist fraglich, ob der Iran die Houthis stoppen könnte, wenn er wollte.
Mit den westlichen Luftangriffen seien die Rebellen jedenfalls nicht aufzuhalten, meint der Jemen-Experte. „Ihre Waffen sind im ganzen Land verteilt, sodass ihre Verluste gering bleiben werden, ganz gleich, wie viele Luftangriffe es geben wird.“Auch die Verhandlungen mit Saudiarabien laufen gut für die Houthis: Riad hat es mit dem Friedensschluss so eilig, dass die Rebellen in den Gesprächen am längeren Hebel sitzen.
Der Höhenflug der Houthis bedeutet aber nicht, dass sie bald die Macht im ganzen Jemen übernehmen werden. Nur ein Frieden, der alle Gruppen im Jemen berücksichtige, könne die Einheit des Landes garantieren, sagt Iryani. Sollten die Houthis in den Verhandlungen mit Saudiarabien ihr politisches Programm für den künftigen Staat durchsetzen, drohe eine erneute Teilung des Jemen: „Der Süden wird sich dann sicher vom Rest des Landes abtrennen“, so Iryani.
Er befürchtet, dass der Jemen vollends zu einem gescheiterten Staat wie Somalia werden könnte. Der Albtraum im Jemen ist noch lang nicht vorbei.