„Ihr seid Teil der Gesellschaft“
Diese infame und bis ins Detail durchdachte Niedertracht ist nichts für zart Besaitete. Und schon gar nichts für Menschen mit Migrationshintergrund, die ihren Platz in der Gesellschaft noch nicht gefunden haben. Die innerlich nicht gefestigt genug sind, um mit dieser Form der Ablehnung klarzukommen, um auszublenden, dass sie wegen ihrer Herkunft niemals als gleichberechtigte Bürger angesehen werden – egal, wie erfolgreich sie in ihrem Beruf sind und wie gut sie Deutsch sprechen.
Die bekannt gewordenen Pläne sehen nämlich unter anderem einen „Anpassungsdruck“vor, der – erzeugt durch Gesetze mit ausgrenzender Absicht – nach und nach so hoch ist, dass sogar deutsche bzw. österreichische Staatsbürger mit Migrationshintergrund von sich aus das Land verlassen, weil der Alltag für sie unerträglich wird. Und zwar dann, wenn sie „nicht assimiliert“sind. Alles unter dem Motto „Remigration“und „Rückabwicklung der Ansiedlung von Ausländern“. An dem Treffen in Potsdam sollen auch Vertreter der in Teilen rechtsextremen deutschen Partei AfD teilgenommen haben. Das dort präsentierte Konzept der „Remigration“stammt vom rechtsextremen Österreicher Martin Sellner von der Identitären Bewegung.
Demokratiefeindliche Fantasien, die seit Tagen Proteste von Hunderttausenden Menschen nach sich ziehen, die in großen deutschen Städten auf die Straße gehen – auch in Wien ist für Freitag eine Demo geplant. Diese Fantasien sorgen aber auch für massive Verunsicherung bei Personen mit Migrationshintergrund. „Die Presse“sprach mit fünf von ihnen, die sich beruflich wie privat intensiv mit Rassismus und Alltagsdiskriminierung beschäftigen und eine Anlaufstelle für jüngere Menschen aus ihren Communitys sind.
Bühne zur Verbreitung ihres Gedankenguts geben.
Als in den Neunzigerjahren gegen Ausländer gehetzt wurde, war ich genauso verängstigt. Damals habe ich viel mit älteren Freunden gesprochen. Genau das empfehle ich jüngeren Menschen auch jetzt. Kommunikation ist das Wichtigste.
Als sie die Juden holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Jude. Als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Erhebe deine Stimme und zeige all jenen Menschen, dass Österreich nicht dieses tolle Land wäre, wenn es Menschen wie dich nicht gäbe. Die Wirtschaft würde nicht funktionieren. Das Gesundheitssystem würde kollabieren. Die öffentlichen Verkehrsmittel wären lahmgelegt. Sei also selbstbewusst und achtsam zugleich.
Deutschland demonstrierten Hunderttausende. Das ist ein starkes Zeichen, was kurz Hoffnung gibt, aber darauf muss mehr folgen. Die Menschenrechte sind in Gefahr.
Ihr seid damit nicht allein, und eure Sorgen sind vollkommen berechtigt. Teilt sie mit anderen und versucht, Halt in einer Gemeinschaft zu finden, die sich für ein gutes und gerechtes Miteinander einsetzt. Bitte lasst nicht zu, dass irgendjemand eure Ängste ausnutzt, um damit wiederum Hass auf andere Gruppen zu schüren.
Ich verstehe nur zu gut, wenn Menschen mit internationaler Geschichte und unterschiedlichen Alters ob der jüngsten Geschehnisse verängstigt sind. Viele junge Menschen, deren Großeltern als Gastarbeiter gekommen sind, wurden hier geboren. Sie kennen oftmals keine andere Heimat. Österreich ist ihr Zuhause. Auf individueller Ebene halte ich es für wichtig, viel darüber zu reden, zuzuhören und Geschichten zu teilen. Als mir in den Neunzigerjahren ein Mitschüler in Tirol den Satz „Früher hätte man dich vergast“mitgegeben hat, weiß ich heute, dass es besser gewesen wäre, gleich darüber zu sprechen, anstatt sprachlos zu sein. 30 Jahre später ist dieses Gedankengut leider immer noch da. Es ist wichtiger denn je, Haltung zu zeigen.