Und immer wieder Wels Warum große Reden gern in dieser kleinen Stadt gehalten werden. Und wie sie sich unter FPÖ-Führung entwickelt.
Alle Wege führen nach … Wels. Zumindest, wenn man große Reden halten will. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hat das am Freitag vor. Er folgt Christian Kern, der hier einst seine Grundsatzrede „Plan A“hielt, auch Pamela Rendi-Wagner rief die SPÖ einst nach Wels zum Bundesparteitag.
„Man will das mit einer gewissen Symbolik verbinden, sie gehen ins blaue Wels, wollen sich die Stadt zurückholen“, kommentiert Andreas Rabl, seit 2015 erster FPÖBürgermeister der früheren SPÖHochburg. Man kann es auch pragmatisch sehen: Wels liegt zentral, an der Ost-West- und der NordSüd-Achse, an Autobahn und Eisenbahn, und große Hallen gibt es in der Messestadt auch genug.
Diese günstige Lage hat der Stadt, mit knapp 65.000 Einwohnern die Nummer zwei in Oberösterreich, Nummer acht Österreichs, auch den Ruf einer Problemstadt eingebracht. Industriestadt, Drogenumschlagplatz, Zentrum Organisierter Kriminalität, sozialer Brennpunkt mit hohem Migrantenanteil, einer Ghettoisierung, wie man sie sonst in Großstädten sieht. Aber man kennt Wels überregional auch für die Kulturszene, vor allem für eine linke Szene, etwa um den Alten Schlachthof. Und nun eben als FPÖ-Hochburg.
„Wels als Schmuddelstadt? Dieser Darstellung sind wir entkommen. Wir sind eine Vorzeigestadt geworden. Wir sind die transparenteste Stadt, haben keine Schulden, es gibt Überschüsse, wir haben beste Ratings“, sagt Rabl.
Die Stadt hat sich verändert, das sieht jeder Besucher. Die Fußgängerzonen sind frisch gepflastert, neu gestaltet, aufgehübscht. Videoüberwachung in weiten Teilen der Innenstadt inklusive. „Die Drogenkriminalität ist zurückgegangen, die Leerstandsquote haben wir auf unter drei Prozent gesenkt“, listet Rabl Verdienste auf.
Sind es seine? Kritiker bringen ein, Rabl habe es nicht zu schwer gehabt. Die Stadt hat am Beginn seiner Amtszeit Sparkassen-Anteile um mehr als 70 Mio. Euro verkauft. Davon wurden Schulden gezahlt und viel investiert. In Umgestaltung, Verschönerungen, in Veranstaltungen. Christkindlmarkt, Eislaufen, Faschingsumzug, Sommerfeste – die Innenstadt-Events wurden irgendwann so viele, dass sogar die Wirte protestierten.
„Viel Spiele, wenig Brot“, sagt dazu der grüne Welser Stadtrat Thomas Rammerstorfer. Auch die gesunkene Leerstandsquote habe man sich einiges kosten lassen. Und bei so stark wachsender Bevölkerung sei klar, dass Geschäfte aufmachen. „Was er nicht dazusagt: In B- und CLagen ist die migrantische Ökonomie sehr dominant“, so Rammerstorfer.
Er ist 2015, nach Rabls Wahl, in die Politik gegangen, um die FPÖ wieder zu entmachten – und um 2021 dank Proporzsystem dann selbst mit diesen im Stadtsenat zu landen. Die blaue Vorherrschaft sieht er nun nicht mehr so negativ. „Die Zusammenarbeit ist konstruktiv, Rabl sind Transparenz und strenge Rechnung wichtig, da sind wir uns ähnlich. Es gibt in der Welser FPÖ keine Burschenschafter, sogar den Klimaschutz nehmen sie ernst“, so Rammerstorfer. Er kenne Rabl als pragmatisch und liberal.
Und übt freilich auch Kritik: „Ihm fehlt das Gespür für Sozialpolitik, das Einfühlungsvermögen für Menschen, denen es nicht gut geht.“Die bürokratischen Hürden seien im Sozialbereich hoch, teilweise wird von Schikanen berichtet. Auch in der Integration geschehe zu wenig.
Auch in der Stadt wurden manche Befürchtung nicht wahr. So kam es etwa im Kulturbereich zwar zu Konflikten, um das Medienkulturhaus, um den Alten Schlachthof, auch zu Begehrlichkeiten um Einflussnahme, um Entpolitisierung, aber zu keinem Kahlschlag, was Förderungen betrifft. Doch es wurden Kriterien verschärft, Abrechnungen werden streng kontrolliert.
Was hat Rabl noch vor? Im Bereich Integration, sagt er, habe er weitgehend getan, was seine Kompetenz erlaubt. Ausbauen will er Kleinkindbetreuung, auch die Videoüberwachung. Aktuell läuft „eines der größten Entsiegelungsprojekte Europas“, wie er sagt, an. Für den Park Neuer Volksgarten sollen alte Messehallen abgerissen werden. Damit sei er gut beschäftigt.
In der Stadt halten sich trotzdem die Gerüchte, Rabl könnte nach Wien gehen, er wäre die logische Wahl der FPÖ als Kanzler, sollte Herbert Kickl keinen Koalitionspartner finden. Und Rabl? Der verneint jede derartige Ambition. Auch der heutige Kanzlerbesuch interessiere ihn, sagt er, nicht so sehr – er lese sich dann nur die Zusammenfassung der Rede durch.