Die Politik spielt an vielen kleinen Hebelchen und lässt die großen, schwieriger zu bedienenden unberührt. So wird Klimaschutz extrem teuer und ineffizient. Musterbeispiele dafür liefern die E-Auto-Förderungen und das Klimaticket.
Österreich hat seinen Treibhausgasausstoß 2023 um stolze sieben Prozent verringert. Deutschland sogar um zehn. Ist doch großartig: Grün wirkt.
Zumindest so lang, bis man ein wenig hinter die Daten schaut: In Österreich war ausgerechnet der bisherige Klima-Problembär Verkehr Haupttreiber der Emissionsverringerung. Konkret: ein weitgehender Wegfall des sogenannten Tanktourismus. Der entsteht, wie wir wissen, durch Preisdifferenzen. Auf dem Weg von Deutschland nach Italien beispielsweise kann man auf weniger als 100 Kilometern in Deutschland, Österreich oder Italien tanken.
Wenn Treibstoff, wie im Vorjahr, in Österreich vorübergehend teurer ist als beim Nachbarn, dann tankt man eben in Kiefersfelden statt in Kufstein. Damit wandert die an der Tankfüllung bemessene CO2-Emission von der österreichischen in die deutsche Klimabilanz. Die für das Budget nicht ganz unwesentlichen Mineralölsteuern überqueren dann allerdings auch die Grenze und fallen im Nachbarland an.
In Deutschland wiederum war der Niedergang der energieintensiven Industrie Haupttreiber des fantastischen Klimabilanz-Erfolgs. Die wird von den (unter anderem wegen der missglückten Energiewende) hohen Energiepreisen gerade massenhaft ins Ausland vertrieben. Allein 2023 sank deren Produktionswert um elf Prozent, seit Beginn der Energiepreisexplosion um fast 20 Prozent. Degrowth ist also wirklich eine tolle Klimastrategie.
Kurzum: Österreich hat seine Klimabilanz durch erfolgreiche Vertreibung der Tanktouristen stark verbessert, Deutschland durch Vertreibung der energieintensiven Industrie. Schön für die jeweils eigene Klimabilanz, weniger schön fürs Klima. Denn durch bloße Verlagerung von CO2-Emissionen ins Ausland ist dem globalen Klima eher wenig geholfen.
Das zeigt uns wieder einmal sehr schön den Unsinn nationaler Klimabilanzen, mit denen man ein globales Problem leider nicht in den Griff bekommen kann. Wenn man die als Basis für politisches Handeln nimmt und das Ganze noch mit ideologischen Versatzstücken auflädt, dann wird Klimapolitik sehr schnell ineffizient und teuer, aber wenig lösungsorientiert. Die ambitionierten politischen Ziele lassen sich so jedenfalls nicht erreichen.
Wie ineffizient das Ganze aus den genannten Gründen läuft, lässt sich im Verkehrsbereich – der sich besonders hartnäckig der Dekarbonisierung widersetzt – besonders schön darstellen. Dort lautet beispielsweise eine der Vorgaben, den Pkw-Verkehr möglichst schnell zu elektrifizieren (und mögliche technische Alternativen von vornherein abzulehnen).
Das funktioniert aber zumindest bisher nicht so recht, weil Elektroautos derzeit wegen ihrer unzweifelhaften Nachteile – lange Ladedauer, hohe Anschaffungskosten, unsichere Wertentwicklung etc. – auf dem Markt keine Selbstläufer (wie etwa Handys bei der Einführung der Mobiltelefonie) sind.
Die Lösung der Politik (von der sich die Deutschen teilweise aber schon wieder verabschiedet haben): hohe Förderungen aus Steuermitteln für die Auto-Anschaffung und für den Aufbau der Ladestruktur. Das deutsche Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung hat sich die Effizienz dieser Maßnahmen angeschaut – und ist zu einem ernüchternden Ergebnis gekommen:
Gesamthaft betrachtet haben E-Autos und Hybride in Deutschland im Untersuchungszeitraum lediglich zu einer Verringerung der Verkehrsemissionen um jeweils ein Prozent geführt.
Setzt man die Summe der Förderungen in Relation dazu, dann kostet die Vermeidung einer Tonne CO2 durch die üppigen E-AutoSubventionen 1000 Euro und durch die Ladestation-Offensive 400 Euro.
Zum Vergleich: CO2-Zertifikate kosten derzeit auf dem Markt 35 Euro pro Tonne, Emissionsrechte für die Industrie werden mit 80 bis 100 Euro pro Tonne gehandelt.
Man sieht: Viel teurer und ineffizienter kann man Klimaschutz nicht betreiben. Moment, kann man doch: Der Verkehrsexperte Gerd Sammer hat in einem vor wenigen Tagen erschienenen Gastbeitrag in der „Presse“vorgerechnet, dass die CO2-Vermeidungskosten beim viel gepriesenen österreichischen Klimaticket fantastische 2464 Euro pro eingesparter Tonne betragen. 2022 ist es damit gelungen, die Treibhausgasemissionen des Verkehrs mit einem Einsatz von 160 Mio. Euro um stolze 0,3 Prozent zu verringern. Beeindruckend, oder?
Nur so zum Vergleich: Tempo 100 auf der Autobahn (allerdings umstritten und politisch wohl nicht durchsetzbar) hätte das Potenzial zu einer Verringerung der Pkw-Emissionen um das Dreißigfache.
Der größte Hebel liegt aber anderswo: Der Güterverkehr boomt, überwiegend auf der Straße. Prognosen gehen davon aus, dass er sich bis 2045 um gut 46 Prozent steigern wird. Auf der Straße aber um 54 Prozent. Das heißt, die Verlagerung von der Schiene auf die Straße geht unverdrossen weiter, wenngleich die Politik seit vielen Jahren das genaue Gegenteil in Strategiepapiere schreiben lässt.
Nachdem der Straßengüterverkehr fast die Hälfte der Verkehrsemissionen beisteuert und aus heutiger Sicht für die Elektrifizierung nicht geeignet ist, kann man sagen: So wird das nichts mit der Dekarbonisierung des Verkehrs.
Um hier die Ziele zu erreichen, müsste man erstens die Forschung und Entwicklung alternativer Antriebsarten und Treibstoffe für die Lkw, die man nicht von der Straße bekommt, massiv unterstützen. Das genaue Gegenteil geschieht. Und man müsste endlich Maßnahmen setzen, um zumindest einen Teil des Langstrecken-Güterverkehrs entgegen dem laufenden und erwarteten Trend auf die wesentlich klimafreundlichere Schiene zu bringen.
Woran das hauptsächlich scheitert, hat ÖBB-Chef Andreas Matthä in einem Interview neulich sehr prägnant formuliert: „Es gibt keine europäische Bahn.“So sehr kann man Lkw gar nicht mutwillig verteuern, dass sie gegen ein derart fragmentiertes, von Nationalstaatlerei geprägtes und entsprechend unflexibles und ineffizientes System ihre Konkurrenzfähigkeit verlieren.
Das zu ändern ist eine politische Aufgabe. An der die Verkehrsminister – auch die österreichischen – seit vielen Jahren grandios scheitern. Ein Klimaticket oder ein paar Tausender fürs E-Auto lassen sich wahlkampftechnisch eben leichter verwerten als eine Initiative für einheitliche technische Standards sowie der Abbau von Protektionismus und die Einführung einer einheitlichen Kommunikationssprache im Bahnsystem.
Und so wird an vielen kleinen, aber populären Hebelchen ohne Erfolg herumgedrückt, statt die wirklich großen Hebel zu bedienen. Effizienter und erfolgreicher Klimaschutz sieht irgendwie anders aus.