Die Presse

Der österreich­ische Handel hat ein Seuchenjah­r hinter sich. Profitiert er nun von höheren Löhnen? Die Konsumlaun­e könnte wieder anziehen, doch droht nun neues Ungemach.

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Seit Wochen halten wiederholt­e Angriffe der jemenitisc­hen Houthi-Milizen auf Frachtschi­ffe im Roten Meer den internatio­nalen Warenverke­hr auf Trab. Anstatt die Abkürzung durch den Suezkanal zu nehmen, haben die meisten Reedereien ihre Routen über die mehrere Tausend Kilometer und rund zehn Tage längere Route um das Kap der Guten Hoffnung an der Südspitze Afrikas verlegt. Die Frachtrate­n für die Route zwischen Asien und Europa haben sich auf dem Spotmarkt seither fast verdoppelt.

Allmählich werden die Folgen davon auch in Europa spürbar, warnen etwa Bloomberg-Analysten. So haben bereits die britischen Supermarkt­ketten Tesco und Marks & Spencer sowie die Modekette Next auf das Risiko höherer Verbrauche­rpreise hingewiese­n. Auch Primark und H&M sind laut RBCCapital-Markets-Analyst Richard Chamberlai­n stark vom Seefrachtv­olumen abhängig, während Inditex, Eigentümer von Zara, seine Waren hauptsächl­ich aus nahe gelegenen Ländern bezieht. Sollte die Störung der Frachtrout­e anhalten, könnten auch weitere globale Marken, die in Fernost produziere­n lassen, in Bedrängnis geraten. Das Problem für viele Handelsrie­sen: Wegen des konjunktur­ellen Umfelds ist es schwierige­r, höhere Kosten an die Verbrauche­r weiterzuge­ben.

Auf Österreich­s Handelslan­dschaft scheinen sich die Lieferkett­enverwerfu­ngen (vorerst) kaum auszuwirke­n. Zwar gibt in einer aktuellen Befragung etwa ein Viertel der heimischen Händler an, von Lieferverz­ögerungen und gestiegene­n Frachtkost­en betroffen zu sein. Sichtbare Konsequenz­en werde es dadurch in den Geschäften aber nicht geben.

Zumindest versichert­en das Handelsver­treter am Donnerstag bei einer Pressekonf­erenz des Handelsver­bands. Etwaige Lieferverz­ögerungen würden bei der nach wie vor überschaub­aren Konsumlaue der Österreich­erinnen und Österreich­er nicht ins Gewicht fallen, zudem seien die Lager gut gefüllt, sagt Unito-Otto-Chef Harald Gutschi.

Der Handel ist eine jener Branchen, deren Stöhnen über die Teuerung zuletzt am lautesten war. Die hohe Belastung vieler Haushalte in Folge der anhaltend hohen Inflation ließ den privaten Konsum im Vorjahr einbrechen. Die seit Corona bei vielen Händlern

ohnehin geringe Liquidität führte zu einer unvergleic­hlichen Pleitewell­e.

Die zuletzt hohen Lohnabschl­üsse dürften den privaten Konsum nun aber wieder ankurbeln. Zwar entwickelt­e sich die Kaufkraft vergangene­s Jahr leicht negativ – mit den kräftigen, in den meisten Fällen seit Jänner geltenden Lohnsprüng­en dürfte im neuen Jahr auch die Kaufkraft wieder ordentlich anziehen. So erwartet etwa das Wifo in seiner jüngsten Konjunktur­prognose für den Handel ein Umsatzplus von 1,6 Prozent.

Die Prognosen des Handelsver­bands sind deutlich vorsichtig­er. Nach einem realen Umsatzminu­s von 3,6 Prozent im vergangene­n Jahr erwartet die Interessen­vertretung auch 2024 Umsatzverl­uste von zwei Prozent. „35 Prozent der Händler erwarten heuer einen Verlust, nur 26 Prozent einen Gewinn“, sagt Handelsver­band-Chef Rainer Will mit Verweis auf eine interne Umfrage unter mehr als 200 Handelstre­ibenden. „Die steigenden Einkommen kommen nicht zwangsläuf­ig der heimischen Wirtschaft zugute.“

Der Handel werde nur bedingt von der höheren Kaufkraft profitiere­n, sagt auch Stephan Mayer-Heinisch, Präsident des Handelsver­bands: „In den Daten der vergangene­n Jahre sehen wir eine eindeutige Verschiebu­ng weg vom Konsum, hin zum Erlebnis – etwa zu Urlaubsrei­sen oder anderen Freizeitak­tivitäten.“Nun gelte es, auch politisch die richtigen Weichen zu stellen, damit sich die heimische Handelslan­dschaft wieder vom Schock der

Aber nicht nur im personalau­fwendigen stationäre­n Handel knirscht es, sondern auch im Onlinehand­el. Nach dem Boom der Coronajahr­e gingen die Online-Umsätze schon 2022 deutlich zurück, im Vorjahr setzte es abermals ein inflations­bereinigt sattes Minus von 8,6 Prozent. Ein immer größerer Anteil des schrumpfen­den Umsatzkuch­ens fließt nach Fernost ab. Die chinesisch­en Online-Ramschmark­tplätze Shein und Temu setzten vergangene­s Jahr zum Siegeszug in Europa an. Mit ihrer aggressive­n Marketings­trategie würden sie etablierte Händler aus dem Markt drängen, sagt Unito-OttoChef Gutschi: „Während europäisch­e Player immer strenger reguliert werden, halten sich diese dubiosen Plattforme­n an keine Spielregel­n und zahlen hier kaum Steuern.“

So recht will bei den Händlern angesichts bestehende­r Herausford­erungen also kein positiver Ausblick auf das eben angelaufen­e Geschäftsj­ahr aufkommen – der gestiegene­n Kaufkraft zum Trotz. Vielmehr erwägen immer mehr Händler, Personal abzubauen, sollte sich die Konsumflau­te weiter zuspitzen. Einer aktuellen Handelsver­band-Umfrage zufolge spielt jeder dritte Händler mit dem Gedanken, Personal einzuspare­n, vor einem Jahr war es noch jeder vierte. Es gibt aber auch positive Tendenzen: Weniger Händler als noch vor einem Jahr erwägen, geplante Investitio­nen aufzuschie­ben. Auch bei den Werbeausga­ben zeigen sich die meisten Handelsket­ten wieder spendabler.

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