Ein Jahrhundertfund ist dem Wiener Auktionshaus Im Kinsky gelungen: Es kann ein wieder aufgetauchtes Klimt-Spätwerk versteigern – das wohl um die 100 Mio. Euro bringen wird.
Es war ein unglaublicher Moment, als man Donnerstagvormittag die Prunkstiegen im Stadtpalais Liechtenstein hinaufeilte. Um endlich zu sehen, was nur von einem Schwarz-WeißFoto bekannt und nie zuvor öffentlich zu sehen war: „Fräulein Lieser“. Es ist eines von nur einer Handvoll der begehrten Frauenporträts Gustav Klimts, für die gilt: Verbleib unbekannt. Wer angesichts des KlimtBooms der vergangenen Jahre ein solches entdeckt und versteigern darf, hat den Hauptgewinn gemacht. Genau das gelang dem vergleichsweise kleinen Wiener Auktionshaus Im Kinsky.
Wie sich das zutrug? Man müsse nur warten können, scherzte einer der beiden Geschäftsführer des Hauses, der Rechtsanwalt Ernst Ploil, „dann laufen einem die Klimts ganz bequem zu“. Wie eines Tages, als in seiner Kanzlei das Telefon läutete und ein Mann fragte, ob Ploil ihn bei seiner bevorstehenden Erbschaft begleiten könne. Denn zu dieser würde auch ein wertvolles Gemälde zählen. Ploil fuhr mit Compagnon Michael Kovacek in eine Villa in Wien-Umgebung – und traute seinen Augen nicht, als dort das verschollene „Fräulein Lieser“hing.
Der Rest wird Wiener Auktionsgeschichte schreiben: Am 14. April, ab 18 Uhr, wird das Bild Im Kinsky ausgerufen werden. Geschätzt auf 30 bis 50 Mio. Euro. Vorsichtig, wenn man daran denkt, dass „Die Frau mit Fächer“2023 bei Sotheby’s in London 100 Mio. brachte. Es stammt aus demselben Jahr, beide waren unvollendet, beide in Klimts Atelier, als dieser 1918 starb.
Was dann passierte, liegt großteils im Dunkeln. Man weiß nicht einmal, ob hier wirklich die Tochter ermordet. An ihrer Adresse war das Bild 1925 noch zu finden gewesen, als es Galerist Kallir-Nirenstein für eine Ausstellung vorsah, die einzige Notiz überhaupt dazu. Keine von Henriettes Töchtern aber, die beide fliehen konnten, auch nicht die Nachfahren Adolf Liesers, scheinen das Porträt nach dem Krieg gesucht oder eine Rückgabe gefordert zu haben, so Ploil. Auch ihre heutigen Nachfahren nicht. Warum? War es vor der NS-Zeit verkauft worden? Man weiß es nicht. Man weiß auch nichts von einer „Arisierung“, es scheint nirgends auf. Mitte der Sechziger erst taucht es „im Kunsthandel“plötzlich wieder auf. Es wird von der Familie erworben, in der es sich bis heute befindet.
Trotzdem, so Ploil, nahm man den „Worst Case“an. Suchte aktiv die Rechtsnachfolger, schloss einen Vertrag mit ihnen „im Sinne der Washington Principles“für die Rückgabe von Raubkunst ab. Das heißt, der erzielte Preis wird nach einem unbekannten Schlüssel aufgeteilt. Warum tat das Auktionshaus das? Um sicherzugehen.
Wohl aber auch, um eine damit einhergehende Ausfuhrbewilligung des Bundesdenkmalamts zu bekommen, die ein Hauptwerk Klimts sonst nicht außer Landes hätte gehen lassen. Dann könnte man es nur auf dem österreichischen Markt verkaufen, was eine viel geringere Summe ergeben würde. So wird „Fräulein Lieser“wohl in die weite Welt ziehen. Möge sie nicht in einem Zollfreilager weiterträumen müssen.