Wie halten es die Grünen mit Postenschacher? Als Oppositionspartei haben die Grünen stets Postenschacher angeprangert. Und als Regierungspartei? Da wurden durchaus Posten an Grüne vergeben. Mangels Personalreservoir aber oftmals auch an Rote.
Am Anfang war der Sideletter. Gut, eigentlich wurden die darin festgehaltenen personalpolitischen Absprachen zwischen ÖVP und Grünen nicht am publik, sondern erst im Jänner 2022 – also zwei Jahre, nachdem die Koalition ihre Arbeit aufgenommen hatte. Was der Aufregung freilich keinen Abbruch tat: Immerhin hatten die Grünen als politische Oppositionspartei Jahr für Jahr Postenschacher angeprangert. Und nun, erstmals in Regierungsverantwortung, partizipierten sie selbst am personalpolitischen Gemauschel?
Durchaus – das legte jedenfalls das an die Öffentlichkeit geratene Papier nahe: Da wurden Posten im ORF-Stiftungsrat, im Verwaltungsgerichtshof, im Generalrat der Oesterreichischen Nationalbank oder in der Finanzmarktaufsicht fein säuberlich zwischen den Regierungspartnern aufgeteilt. Die Nominierung des EU-Kommissars bzw. für den Europäischen Gerichtshof und den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte detto. Man habe dies schriftlich festgelegt, um die ÖVP personalpolitisch in die Schranken zu weisen – so das Argument von Grünen-Chef
Wirklich? Nun, gleichsam im Abgesang der Legislaturperiode seien die Fragen gestattet: Welche personalpolitischen Markierungen hat die schwarz-grüne Regierung tatsächlich hinterlassen? Und welche Rolle haben dabei die Grünen gespielt?
Politologe unter anderem bekannt für seine Untersuchungen über politische Postenbesetzungen in Österreich, hat den Eindruck, dass es unter Schwarz-Grün punkto politische Postenvergaben im Vergleich zu früheren Regierungen „ein bisschen besser“geworden ist. Was wohl daran liegt, dass die öffentlich gewordenen Chatprotokolle unter Türkis-Blau die Politik vorsichtiger gemacht haben. Außerdem gibt es weniger Jobs, die rein politisch vergeben werden können: In vielen staatsnahen Unternehmen wie OMV, Telekom etc. gibt es ausländische Stakeholder, die politischen Einfluss schlicht nicht dulden.
Aber politische Jobbesetzungen gab es in der laufenden Legislaturperiode natürlich – auch von den Grünen.
Da sticht vor allem Klimaschutz- und Verkehrsministerin hervor, die als Eigentümervertreterin der rein staatlichen Unternehmen ÖBB, Asfinag, Austro Control nach Belieben schalten und walten kann. Und das tat sie denn auch. Beraterin
sagt: „Gewessler hat gezeigt, dass sie Machtpolitikerin ist“, räumt aber ein, dass die Ministerin „durchaus kompetenten Personen“zu Jobs verholfen habe. Auffallend sei aber, dass die grüne Ministerin jedenfalls einen großen Bogen um ÖVPnahe Führungskräfte gemacht habe.
Das bedarf einer näheren Erläuterung: Die Grünen hatten und haben ganz offensichtlich ein Problem mit ihrem Personalreservoir. Ähnlich wie die FPÖ in der Regierung davor. Was die Blauen aber keinesfalls davon abhielt, munter Posten an FPÖ-Gesinnte zu verteilen. Politologe Ennser-Jedenastik sieht das so: „Es gibt zwei Motivationen für politische Postenbesetzungen“, sagt er. „Entweder man belohnt politische Loyalität mit einem Job. Oder man will eine thematische Steuerung bewirken.“Für Motiv Numero zwei brauche es nicht unbedingt Parteiangehörige. Es reiche, Personen mit einem Posten zu versehen, die inhaltlich die gleichen Vorstellungen hätten. Und der politische Schaden halte sich damit sogar in Grenzen.
Die Grünen haben Letzteres beherzigt. Jedenfalls ist es auffällig, wie viele SPÖ-nahe Personen den Grünen Posten zu verdanken haben: In den Generalrat der Nationalbank entsandten die Grünen etwa Gewerkschafterin ÖBBManagerin sowie den wissenschaftlichen Leiter des linksgerichteten Momentum-Instituts, Allesamt Rote.
Aber auch im Gesundheitsbereich, für den Minister verantwortlich ist, gab es laut Politikberater
Probleme, waschechte Grüne zu finden. Beispiele gefällig? ist seit Kurzem im Führungsteam der ÖGK,
gelangte an die Spitze des Dachverbands der Sozialversicherungsträger. Beide gelten als Rote.
Und, nicht zu vergessen: Unter Leonore Gewessler wurde auch der Vertrag des SPÖnahen ÖBB-Chefs verlängert. Obwohl: Beim staatlichen Straßenbaukonzern Asfinag verlängerte sie auch den Vertrag von Vorstand – und der ist FPÖ-nahe. Allerdings hat es Hufnagl bestens verstanden, grüne Akzente im Konzern zu setzen. Damit dürfte er dort seine berufliche Zukunft, sogar unter Gewessler, gesichert haben.
Hufnagl zur Seite steht dort ab Mitte des Jahres Gewesslers roter Generalsekretär
Was Berater Thomas Hofer als „die bemerkenswerteste Personalie“der Grünen bezeichnet – nämlich was Gewesslers „Härte und Konsequenz“betreffe. Immerhin ist Kasser in ihrem Ministerium auch für das Beteiligungsmanagement zuständig. Das ergibt keine schöne Optik – hätte eine andere Partei diese Vorgangsweise gewählt, hätten die Grünen wohl Zeter und Mordio geschrien.
Aber es sind natürlich nicht ausschließlich Rote, die den Grünen Jobs zu verdanken haben. nach Eigenbezeichnung grüne Aktivistin, ist seit vergangenem Jahr Co-Geschäftsführerin der Forschungsförderungsgesellschaft FFG, einer wichtigen Anlaufstelle der Wirtschaft für Innovation, Forschung und Technologie mit einem Jahresbudget von 1,6 Milliarden Euro. Sie wurde von Gewessler nominiert, die offenbar von Tausz angetan ist: Als die grüne Ministerin den Aufsichtsrat der Flugsicherungsbehörde Austro Control umfärbte, wurde Tausz dort Vorsitzende des Gremiums. In die Geschäftsführung der Austro Control kommt übrigens mit Mai
– ebenfalls aus dem Gewessler-Ministerium.
Auch in den Aufsichtsräten von ÖBB, Asfinag und Austro Control hat Gewessler bereits wenige Monate nach Start der Koalition umgefärbt. Die drei Präsidentinnen
(ÖBB) (Asfinag), Karin Tausz (Austro Control) gelten allesamt zumindest als grün-nahe.
Und jüngst gab es im Asfinag-Aufsichtsrat mit Neuzugang. Sie gilt als IT-Expertin, kandidierte aber auch 2020 auf der Liste der Grünen für die Bezirksvertretungswahl Wien Alsergrund. Die FPÖ beklagte Postenschacher, der blaue Verkehrssprecher,
meinte: „Frau Gewessler sei ins Stammbuch geschrieben, dass jeder Postenschacher auch wieder rückgängig gemacht werden kann.“
Man ist geneigt, ihm das voll und ganz zu glauben.