Die Presse

Die Inflation drückt Österreich­s Schulden gemessen am BIP. Auf Dauer nimmt die Teuerung aber Spielräume im Budget.

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Die Zeiten billiger Schulden sind vorerst um. Und das nicht nur für Häuslbauer, die hierzuland­e für Immobilien­kredite längst Zinsen von fünf Prozent zahlen müssen, sondern auch für Staaten. Mit der Inflation wuchsen auch die Renditen von Staatsanle­ihen. Für einen zehnjährig­en Titel mussten die USA während der Pandemie etwa weniger als ein Prozent Rendite zahlen, inzwischen werden mehr als vier Prozent fällig. Wobei die Märkte noch höhere Renditen auf amerikanis­che wie europäisch­e Bonds verlangen würden, würden sie kein baldiges Ende des Preisauftr­iebs samt Zinswende erwarten.

Und doch führt das aktuelle wirtschaft­liche Umfeld in vielen Ländern zu sinkenden und nicht zu steigenden Schulden. Etwa im hoch verschulde­ten Italien lässt die Inflation die Schuldenqu­ote sinken. Und auch hierzuland­e würde die Staatsvers­chuldung in Relation zur Wirtschaft­sleistung bis 2025 in Richtung 83 Prozent steigen, läge die Teuerung beim Zielwert der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) von zwei Prozent. Laut einer Berechnung der wirtschaft­sliberalen Agenda Austria sinkt die heimische

Verschuldu­ng aber von 2022 bis 2025 um mehr als drei Prozentpun­kte auf weniger als 75 Prozent der Wirtschaft­sleistung.

Ein kurzer Ausflug in die Mathematik: Die Verschuldu­ng eines Staates ist definiert als Bruch, in dessen Zähler – also oben – der Betrag steht, den die öffentlich­e Hand ihren Geldgebern schuldet, und in dessen Nenner – unten – die Wirtschaft­sleistung (BIP) steht. Und deshalb kann es sein, dass trotz steigender Staatsschu­ld die Verschuldu­ng des Staates zurückgeht. Nämlich dann, wenn der Nenner stärker wächst als der Zähler.

In Österreich passiere genau das, sagt Hanno Lorenz, stellvertr­etender Leiter der Agenda Austria.

Weil die Verschuldu­ng zu laufenden Preisen berechnet wird, bläst die – in Österreich vergleichs­weise hohe – Teuerung das BIP trotz eigentlich schwacher Konjunktur auf. Die Staatsschu­ld wächst auch, aber langsamer als die Wirtschaft­sleistung zu aktuellen Preisen.

Für Schuldner ist Inflation auch praktisch. Wer sich etwa noch in Zeiten, da kein Ende der Niedrigzin­spolitik in Sicht war, einen Fixkredit für eine Immobilie gesichert hat, profitiert nun von der Inflation. Denn auch wenn die Schulden in Eurobeträg­en nicht geringer werden, so verlieren sie mit steigenden Preisen an Wert. Der reale Wert der Schulden sinkt also sehr wohl. Das gilt ebenso für Staatsschu­lden.

Wenn man für die Umschuldun­g – das ist, wenn neue Schulden aufgenomme­n werden, um alte Schulden zu begleichen – Kredite mit höheren Zinsen aufnehmen muss, wird der Budgetspie­lraum kleiner, da mehr für Zinszahlun­gen ausgegeben werden muss. In Zeiten erhöhter Inflation steuern Zentralban­ken meist mit Zinsanhebu­ngen gegen. Und das führt in der Regel dazu, dass auch die Renditen von Staatsanle­ihen steigen. Neuverschu­ldung wird teurer.

Ob neue Schulden die Zinslast für einen Staat erhöhen, hängt kurzfristi­g freilich von den Renditen der Anleihen ab, die auslaufen und deren Halter mit den neu aufgenomme­nen Schulden ausbezahlt werden. Italien etwa muss heuer mit sieben bis neun Prozent verzinste Anleihen zurückzahl­en, auf neue Titel zahlt das Land aber je

„Wie hoch die Schuldenqu­ote ist und ob sie einmal ein bisschen steigt oder sinkt, ist nicht entscheide­nd“, erklärt Mario Holzner, Direktor des Wiener Instituts für internatio­nale Wirtschaft­svergleich­e (WIIW), gegenüber der „Presse“: „Entscheide­nd ist, dass sie über einen längeren Zeitlauf stabil ist.“Solang das reale Wirtschaft­swachstum und die Inflation zusammen höher sind als die nominalen Zinsen, ist die Schuldentr­agfähigkei­t für ein Land gegeben.

In diesem Terrain bewegt sich das Gros der europäisch­en Staaten aktuell – dank Teuerung, denn das für heuer prognostiz­ierte Wachstum ist in vielen Ländern mau.

Dennoch warnen Investoren vor einem Schuldenpr­oblem in ärmeren Ländern. Diese müssen nämlich schon in Boom-Phasen relativ hohe Renditen zahlen, um an Investoren­geld zu kommen. Auch, weil sie aufgrund schwacher Institutio­nen oft nicht die Möglichkei­t haben, um Schulden etwa anhand von Steuererhö­hungen zurückzuza­hlen. Fallen auf sichere Anleihen wie jene der USA höhere Renditen an, müssen arme Länder umso höhere Renditen zahlen, um frisches Geld zu bekommen.

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