Ein neues Stipendium fördert Künstler, die vom Putin-Regime verfolgt werden – egal, ob sie aus dem Gebiet der Ukraine oder Russlands kommen. Einblicke ins neue Projekt von Helga Rabl-Stadler und Simon Mraz in Akademie und Secession. Was Rabl-Stadler im Au
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Auf bedrückende Weise kommen in der Aula der Akademie der bildenden Künste derzeit symbolisch beide Kriege zusammen, die uns in diesen Jahren so beschäftigen, ja sie fügen sich zu einer einzigen, verstörenden Installation: An der hohen Decke des historistischen Baus kleben noch Dutzende Luftballons in den Farben der palästinensischen Flagge. Es sind die Reste eines „Flashmobs“, einer nicht angekündigten Aktion bei der Eröffnung des AkademieRundgangs vorige Woche: Eine Gruppe Studierender stellte sich dabei still in der Aula auf und ließ die Luftballons fliegen, wohl als Zeichen der Solidarität.
Darunter, in der Aula selbst, steht ein weißer Kubus, eine Ausstellungsarchitektur – und vor dieser stehen wir: Helga Rabl-Stadler und Simon Mraz, beide vom Außenministerium, sowie eine regelrechte Abordnung der Akademie samt Vize-Rektorin. Präsentiert wird eines der Ergebnisse eines neuen Unterstützungsprogramms für Künstlerinnen und Künstler, die „durch die politischen Verwerfungen unserer Zeit“, genauer durch Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine, aber auch seine Politik im eigenen Land, „schwerst bedroht“sind, wie es im Folder zu „A European Artists Solidarity Program“heißt.
So kam diese Präsentation in der Akademie-Aula zustande, die Werke zweier Künstlerinnen zusammenspannt, deren Schicksale die ungewohnte, aber begrüßenswerte Bandbreite dieses Förder-Projekts zeigt: Zoya Laktionova konnte dadurch für drei Monate von Mariupol nach Wien kommen, um hier an ihrem experimentellen Film aus beschädigten
Familienaufnahmen über drei Generationen zu arbeiten, die durch ein totalitäres Regime gehen mussten. Die Szenen sind so schnell geschnitten, fast nicht fassbar, dass das Trauma der dahintersteckenden Geschichte zumindest erahnbar wird.
Auch die unheimliche „weiche Skulptur“, die an der Außenwand der Filmvorführ-Koje hinaufzukriechen scheint, steht für ein Trauma: Ziliä Qansurá hat diese ausgemergelte Kreatur aus Wolle gefilzt, sie bezieht sich damit auf ein traditionelles Material ihres Volks, wo der Wolf als Totem-Tier gilt. Es ist die indigene Bashkort-Kultur, Qansurá erzählt uns von deren Unterdrückung und Ausbeutung durch Putin. Trotzdem, Bashkortostan ist eine Republik der russischen Föderation. Die ukrainische Künstlerin ist daher bei der Präsentation nicht anwesend, sie möchte nicht instrumentalisiert werden, das Konzept der Ausstellung selbst (noch bis 2. 2.) aber goutierte sie, so Rabl-Stadler und Mraz. Zu helfen ist nicht immer nur einfach.
Trotzdem gelingt hier etwas Zukunftsweisendes: Nicht aufgrund von Nationalitäten zu fördern, sondern aufgrund von künstlerischer Qualität und persönlicher Situation, in diesem Fall der politischen Verfolgung durch das Putin-Regime. Rabl-Stadler möchte das von ihr und Mraz, lange Leiter des österreichischen Kulturforums Moskau, entwickelte Programm als Pilot sehen für ein EU-weites.
Dabei geht es nicht nur um bildende Kunst (auch in der Secession ist aktuell die Ausstellung der ukrainischen Agency of Singular Investigations gefördert), auch außergewöhnliche Talente aus Musik, Literatur, Theater etc. können sich um eines der acht 13.500-Euro-Stipendien bewerben, die neben dem Budget für Reise, Unterhalt, Produktion etc. auch einen Kontakt zu einer etablierten österreichischen Institution beinhalten. Wie der Akademie, der Secession, aber u. a. auch dem Konzerthaus, dem Mozarteum oder dem Kunsthistorischen
Museum, wo auf diese Weise ein Ukrainisch-sprachiger Museumsführer entstand.
Das alles entstand in einem kleinen Büro im Außenministerium, das sich Rabl-Stadler mit Mraz, ebenfalls kein Diplomat, ebenfalls Projekt-Beauftragter, teilt. 2022 hat sie ihren Job als „Sonderbeauftragte für Auslandskultur“hier angenommen. Das Stipendien-Programm „ASoP Europe“ist eines mehrerer kleinerer, aber symbolträchtiger Projekte, die sie seither initiiert hat oder unterstützt. Demnächst die Präsentation der Publikation „Wir und Österreich – Austria and us“über Doppelstaatsbürgerschaften an Nachfahren von NS-Verfolgten. Vom einstigen Glamour als Präsidentin der Salzburger Festspiele ist das weit entfernt, es klingt nach mühevoller Kleinarbeit. Denkt man sich im Stillen. Während man an die Decke der Akademie-Aula starrt. Wo die Ballons noch kleben. Die niemand zu entfernen gedenkt.