Viele Stoffe aus Pflanzen wirken im Körper In einem Apfel stecken bis zu 1000 Wirkstoffe. Heimische Forschende blicken auf die Funktion von unterschiedlichen Pflanzenextrakten. Ihre Inhaltsstoffe beeinflussen die Gesundheit von Mensch und Tier.
Der Markt für pflanzliche Produkte, die der Gesundheit guttun sollen, ist groß und breit. Slogans poppen im Internet auf oder prangen in Zeitungsannoncen: „Dieser Fruchtsaft stärkt das Immunsystem!“„Die Ginkgokapsel hilft Ihrer Gehirnleistung!“„Mit natürlichen Pflanzenextrakten zum Wunschgewicht!“
„Dass pflanzliche Inhaltsstoffe gesundheitliche Vorteile haben können, ist nichts Neues“, sagt Julian Weghuber von der FH Oberösterreich in Wels. „Wir haben uns jetzt nicht auf eine bestimmte Klasse von Wirkstoffen konzentriert, sondern suchen nach den molekularen Vorgängen, warum und wie welche Substanzen wirken“, sagt der Leiter des Josef-Ressel-Zentrums für phytogene Wirkstoffforschung. So nennt man pflanzenbasierte Wirkstoffe oder Phytochemicals, also Stoffe aus Pflanzen, die im Menschen oder Tier Vorgänge beeinflussen.
„Meist befindet sich in Pflanzenextrakten nicht eine einzelne Substanz, sondern eine Mischung aus vielen“, betont Weghuber. „Wenn Sie in einen Apfel beißen, nehmen Sie circa 1000 verschiedene Stoffe auf.“Selten ist es so einfach wie beim Extrakt der Weidenrinde, die Salicylsäure enthält – also den Stoff, aus dem der Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure stammt.
Für die Pharmaindustrie sind Pflanzenextrakte nicht immer vorteilhaft, da jede Pflanze von ihren äußeren Bedingungen abhängt. „Ein Apfel hat nicht in jedem Jahr die gleiche Zusammensetzung seiner Inhaltsstoffe“, bestätigt Weghuber. Sein Team im JR-Zentrum schaut daher tief in Zellen und Gewebe, um zu klären, welche Moleküle auf welche Weise aktiv sind. Im Fokus stehen der Zuckerstoffwechsel und die Verdauung und Aufnahme von Fettstoffen (Lipidstoffwechsel).
Die Zivilisationskrankheiten Adipositas und Diabetes nehmen in vielen Erdteilen zu. Dabei geht es den Forschenden an der FH OÖ nicht nur um die Gesundheit des Menschen, sondern auch um die unserer Nutztiere. „Aus medizinischer Sicht ist eine Entzündung bei einem Tier ähnlich wie beim Menschen“, sagt Weghuber. Chronische Darmentzündungen plagen nicht nur uns selbst, sondern viele andere Lebewesen. „Bei der Fruchtfliege Drosophila kann man sehr gut die Vorgänge im Darm erforschen“, so Weghuber.
Verringert man experimentell die Darmbarriere, also die Durchlässigkeit für erwünschte und unerwünschte Stoffe im Körper, lässt sich schnell die Wirkung von Pflanzenextrakten sichtbar machen: Eischnell, ne Fruchtfliege mit geringer Darmbarriere wird im ganzen Körper blau gefärbt, indem man blaue Farbe ins Futter gibt. Mischt man danach gesundheitsfördernde Wirkstoffe in ihre Nahrung, erkennt man
ob die Darmbarriere wieder dichter wird – wenn die Fliege nicht mehr bis in den Kopf blau aussieht (siehe Bild rechts).
„An diesen Systemen kann man viele Substanzen testen“, sagt Weghuber. Das Wissen aus dem Darm von Fliegen und aus der Zellforschung in Petrischalen wird auf größere Systeme wie das ganze Nutztier oder den Menschen übertragen, was sich dann „klinische Studien“nennt.
Um beim Beispiel der blauen Fliege zu bleiben: Findet man dort etwas, das die Darmbarriere gut repariert, kann Tieren und Menschen mit dem Krankheitsbild des „Leaky Gut“geholfen werden: Dieses führt zu Entzündungen im Körper, wenn unerwünschte Stoffe aus dem Darm in den restlichen Körper gelangen. Darum sind die Forschungen des JR-Zentrums sowohl für Zusätze in Futtermitteln als auch für Nahrungsergänzungsmittel interessant.
„Bei uns arbeiten Masterstudierende und Dissertanten aus vielen Bereichen: Sowohl aus dem FHStudiengang Lebensmitteltechnologie und Ernährung kommen die Absolventen zu uns als auch von anderen Unis“, sagt Weghuber, dem die Laufzeit für das JR-Zentrum an der FH Oberösterreich um ein Jahr – bis Ende 2024 – verlängert wurde. So breit wie die Palette der Pflanzenstoffe ist auch die Expertise in den Welser Laboren: chemische Analytik, Zellbiologie, Biophysik, Molekularbiologie und mehr.
Vielversprechend sind aktuell Lignozellulosen, also die Bestandteile aus holzigen Pflanzen. „Lignin ist ein super Rohstoff. Es ist zusammen mit Zellulose das häufigste organische Molekül der Erde“, sagt Weghuber. In klinischen Studien erweisen sich Rindenextrakte aus Magnolienarten aktuell als darmstabilisierend bei Hühnern und Schweinen. „Wir suchen nun nach heimischen Bäumen, deren Holzextrakte eine ähnlich positive Wirkung haben“, betont Weghuber.
Viele Pflanzensubstanzen geben Hoffnung im Kampf gegen Diabetes und Fettleibigkeit. „Wir haben z. B. Extrakte untersucht, die die Insulin-Ausscheidung der Bauchspeicheldrüse stimulieren, und andere, die im Darm die Aufnahme von Zucker reduzieren“, sagt Weghuber. Daraus sind zahlreiche Publikationen in Fachmagazinen sowie Patente mit den Firmenpartnern entstanden.
Eines der Patente betrifft einen Extrakt aus der Guave: Dieses Mittel konnte nach Tests an Zelllinien im Laborschälchen sowie an Mäusen und Hühnerembryos auch in klinischen Studien an Menschen überzeugen. Die Zuckeraufnahme im Darm wird reduziert und kann dadurch die Blutzuckerwerte senken.
Weiters publizierte das Team in Oberösterreich über die positive Wirkung von Sanddorn, dessen Frucht als „Zitrone des Nordens“bekannt ist. Im Journal
präsentierte es nach Experimenten an Zellkulturen, Würmern und Fliegen, dass Sanddornöl sowie die Extrakte aus Früchten, Blättern und Presskuchen den Zuckerstoffwechsel stabilisieren können.