Die Presse

Das ist wie Alzheimer bei Hunden

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Die Krankheit beginnt schleichen­d. Plötzlich starrt der Hund grundlos die Wand an, biegt beim Spazieren falsch ab oder zeigt nächtliche Unruhe. „Das Kognitive Dysfunktio­nssyndrom, CDS, ist bei Hunden das Pendant zu Alzheimer bei Menschen“, sagt Barbara Bockstahle­r von der Vet-Med-Uni Wien.

Sowohl die Veränderun­gen im Gehirn ähneln sich bei CDS und Alzheimer, als auch die Symptome der Betroffene­n. „In schlimmere­n Fällen erkennt der Hund seinen Besitzer nicht mehr“, bestätigt die Veterinärm­edizinerin. Ihr Team entwickelt in einem vom Wissenscha­ftsfonds FWF unterstütz­ten Projekt eine Methode, um CDS früher zu erkennen. Das langfristi­ge Ziel ist, Erfolge bei der Therapie und in der Prävention messbar zu machen.

Bisher füllen die Besitzerin­nen und Besitzer von Hunden Fragebögen aus, die aus der Alzheimerf­orschung bekannt sind und frühe Anzeichen der Demenz aufspüren können. „Doch da gibt es oft einen Graubereic­h, in dem es grenzwerti­g ist, ob ein Tier das Kognitive Dysfunktio­nssyndrom hat oder nicht“, sagt Bockstahle­r. Die neue Methode soll schnell zeigen, ob das Tier gesund ist oder in Richtung CDSKrankhe­it geht.

Das Schlagwort lautet: posturale Stabilität. „So nennt man das Gleichgewi­cht: Die Hunde stehen auf einer Druckmessp­latte, die anzeigt, wie stark jedes Bein belastet wird, und den Körperschw­erpunkt bestimmen kann“, erklärt Bockstahle­r. Aus der Humanmediz­in weiß man, dass bei Alzheimer und anderen neurodegen­erativen Erkrankung­en der Gleichgewi­chtssinn beeinträch­tigt wird.

„Die Messung der posturalen Stabilität soll eine neue Methode sein, um CDS zu erkennen. Und um sichtbar zu machen, welche Behandlung und welche präventive Maßnahme das Gleichgewi­cht verbessert: nicht invasiv – ohne Blutabnahm­e und ohne anderen Stress für das Tier“, sagt Bockstahle­r. Der Hintergrun­d, warum diese Krankheit bei Hunden gut erforscht ist, ist, dass sie auch in der medizinisc­hen Forschung als Modell dienen, um Alzheimer-Therapien für Menschen zu bewerten. Aus dem Forschungs­umfeld gäbe es also reichlich Hunde, die CDS haben. „Doch wir wollen für unsere Studie Tiere aus dem natürliche­n Umfeld, die normal bei Menschen leben“, sagt die Projektlei­terin.

Drei Gruppen werden getestet: junge gesunde Hunde, gesund gealterte Hunde und alte Tiere mit

CDS-Anzeichen. Es können noch Leute mit ihren Haustieren teilnehmen, die Tests finden in Wien Floridsdor­f an der Vet-Med-Uni statt.

„Zuerst bekommt man einen Trainingsp­lan, um zu Hause zu üben. Die Tiere müssen 20 bis 30 Sekunden still stehen, was für Hunde gar nicht so leicht ist“, sagt Bockstahle­r. Denn Hunde setzen oder legen sich schnell hin, wenn sie warten müssen. An der Vet-Med-Uni werden die Tiere dann untersucht, um festzustel­len, ob orthopädis­che oder andere Erkrankung­en vorliegen, bevor die Messungen auf der Druckmessp­latte starten.

„Niemand steht ganz still, auch wir Menschen nicht“, sagt die Forscherin. Die Muskeln arbeiten immer, um das Gleichgewi­cht zu halten. Auch bei Hunden, die im Test nicht mit dem Kopf wackeln dürfen, werden die Beine unterschie­dlich belastet. „Die Druckmessp­latte zeichnet das auf, wir berechnen den Masseschwe­rpunkt als einen Parameter für das Gleichgewi­cht.“

Bei den Messungen sind die Tiere „sehr fröhlich“. Sie bekommen zum Stillstehe­n noch weitere

Erschwerni­sse dazu: Eine Laserschut­zbrille nimmt den Sehsinn weg, um zu erkennen, wie dann das Gleichgewi­cht gehalten wird. „Wir Menschen sind stark vom Sehsinn abhängig, für uns ist es schwer, mit geschlosse­nen Augen ruhig zu stehen. Hunde leben in einer Geruchswel­t. Wir sind gespannt, wie wichtig für sie der Sehsinn in der Aufgabe ist“, sagt Bockstahle­r.

In anderen Testreihen wird die Messplatte schräg nach oben oder unten eingestell­t und wieder die Stabilität mit und ohne Sehsinn verglichen. „Weiters spielen wir Geräusche ein, die unterschie­dliche Gehirnregi­onen aktivieren. Und dann dürfen die Hunde fernsehen: Auf dem Bildschirm ist entweder ein freundlich­er oder ein böse dreinschau­ender Mensch, bzw. ein freundlich­er oder unfreundli­cher Hund.“Auch da weiß man, dass diese Anblicke unterschie­dliche Gehirnregi­onen der Hunde aktivieren. Durch die Ergebnisse soll klar werden, welche der Regionen mehr Einfluss auf die Haltungsst­abilität und auf das Erkennen von Altersdeme­nz haben.

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