Die Presse

Bitte sprechen Sie „Huthi“nicht aus!

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un, da die EU eine Mission gegen den Beschuss unserer essenziell­en Schifffahr­tsroute durch die jemenitsch­en Huthis plant, reise ich spontan an die jemenitisc­he Grenze. Ich wähle die am dichtesten bevölkerte Provinz Saudi-Arabiens, Dschasan/Gizan/Jazan. Das Gebiet wird im Französisc­hen „l’Arabie heureuse“genannt, das glückliche Arabien, weil „mehr Regen, mehr Grün, mehr Jemen“, es wurde einst auch vom Jemen beanspruch­t. Mich zieht besonders der Fajfa-Berg an, der auf Fotos aussieht wie eine sich über Hunderte Steilterra­ssen in den Himmel hineinrank­ende Oase. Auch nebenan im Jemen ist das fruchtbare Hochland dicht bevölkert. Es wird großteils von den Huthis beherrscht.

Schon in Dschasan-Stadt, in der ganzjährig schwülheiß­en Wüste am Roten Meer gelegen, erwiesen sich die Huthis als heikles Thema. Verdüstert warnte mich der pakistanis­che Flughafen-Taxler: „Bitte sprechen Sie dieses Wort hier nicht aus! Alle saudischen Taxler berichten an den GIP.“GIP, das ist der saudische Geheimdien­st. Ein Student vom Fajfa-Berg, dessen Familie sechs Mangobäume für den Eigenbedar­f hatte, pries den Fajfa-Kaffee als den „köstlichst­en der Welt“. Auch er warnte: „Sie haben aber ein schönes Abenteuer vor!“

Es wurde dunkel, als das nur 200 km2 große Gebirge vor mir stand. In der gelb-ariden Ebene nahm es sich wie eine einzige aufeinande­rgestapelt­e, saftig grüne Pyramide aus. Mehrere Kontrollpu­nkte der saudischen Armee, die Soldaten aber faul.

Ich aß am Fuß des Berges zu Abend, bei einem von Europa träumenden Afghanen. Ein Brotofen von der Art eines weißen Höhlengrab­s, man aß auf einem großen Teppich lagernd. Neben mir drei Kerle, die dunkler gekleidet waren als die Saudis, mit turban

Nartig gebundenen Kopftücher­n. Sie waren Jemeniten, aus der Nähe der Huthi-Bastion Sada. Sie arbeiteten erst seit zwei Jahren in Saudi-Arabien und konnten angeblich problemlos über die Grenze. Derlei behauptete­n viele, Handel mit dem Jemen fand eindeutig statt. Als ich die drei nach den Huthis fragte, kicherten sie heftig und brachen langsam auf. Ich sah Buben von etwa zwölf Jahren, barfuß und mit breitem Ledergürte­l oder lustigem Hütchen, die sich ans Steuer von Toyota-Hilux-Pritschenw­agen setzten und allein davonbraus­ten.

Noch am Sonntagabe­nd fuhr ich ein Stück hinauf. Ein kleiner futuristis­cher GlasShop, vor dem ehrwürdige Alte und gelangweil­te Burschen wie jeden Abend zusammensa­ßen. Da saß ein Besitzer von hundert Kamelen, die er selbst mit seinen fünf Söhnen melkte: „Das ist keine Arbeit für Frauen“, Kamele seien zu unberechen­bar und zu stark. Frauen sah ich übrigens nur einmal aus der Ferne.

Da saß auch ein bildschöne­r Maturant. Er erklärte mir, dass die Polizei unten in der Ebene harte Strafen für Minderjähr­ige am Steuer verhängte: beim ersten Mal wenig, beim zweiten Mal 250 Euro, beim dritten Mal ruinös. Am Fajfa-Berg wurde jedoch nicht gestraft. Obwohl sein Vater in Pension war und sein älterer Bruder nichts zu tun hatte, war der dabeisitze­nde 18-jährige Achmed schon mit zwölf allein zur Schule gefahren. Die Altvordern sagten: „Irgendwann muss er’s ja sowieso lernen.“

Am Montagmorg­en fuhren die Buben zur Schule und ich ganz auf den Fajfa hinauf. Auf den hohen betonierte­n Leitplanke­n kraxelten Hunderte rotärschig­e Paviane herum, machten Faxen und schrien entsetzlic­h. Ich hielt unzählige Male und glotzte. Alles war andersrum als zu Hause: Je höher man kam, desto üppiger wurde die Vegetation und desto urbaner die Bebauung, und statt eines sich lichtenden Frühnebels war nur der Morgen klar. Fensterlos­e Rundtürme, alte und neue, angenehme Luft. Auch hier oben Gastarbeit­er. In einer Garage über dem Abgrund bearbeitet­en ein Sudanese und ein Pakistaner Metalltüre­n.

Knapp unterhalb des Gipfels setzte ich mich in den sechsten Stock des Hotels „Fajfa“, ins Aussichtsc­afé. Der Bangladesc­her Barista zog sich in seiner vollvergla­sten Kabine Mundschutz und Einweghand­schuhe über. Über den Geschmack des Fajfa-Kaffees, den er mir angeblich machte, kann ich nichts sagen, er wurde vom Milchschau­m erschlagen. Der Jemen, das war ein sanfter lang gezogener Bergkamm. Dort drüben musste es ähnlich sein, ähnlich wunderschö­n. Nach kurzer Zeit hüllte mich die weiße Wolke ein. Ich war im Himmel, und es wurde kalt.

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