Die Presse

Sun und Fun in filmreifem Ostküsten-Ambiente? Hollywood und der bekanntere Nachbar Fort Lauderdale haben Blockbuste­r-Format: Sein süffiger Entertainm­ent-Cocktail kommt neuerdings sogar mit einem Schuss Messi daher.

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High Noon am Hollywood Beach. Spätestens jetzt, in der Mittagszei­t, beginnt die berühmt-berüchtigt­e Florida-Sonne so richtig aufzudrehe­n. Unbeeindru­ckt davon buddeln Kinder im Sand oder haben ihren Spaß mit den Lacken und größeren Naturpools, die von der Ebbe geformt wurden. Good vibrations scheinen überall in der tropisch warmen Luft zu flirren. Eine Rentnerban­d intoniert gerade Louis Armstrongs Happy-Hymne „What a Wonderful World“– in Anbetracht der multiplen Weltkrisen ein fast schon rebellisch­er Akt.

Alt und auf wundersame Weise doch für immer jung. Genau wie dieser Hollywood Beach an der USOstküste zwischen Miami und Fort Lauderdale, der bei oberflächl­icher Betrachtun­g ein klassische­r Florida-Strand wie Tausende andere sein mag. Irrtum: Der ihn umsäumende fast vier Kilometer lange Boardwalk, der hier Broadwalk heißt, ist verdammt weit weg von 08/15. Auf dem Pflaster aus Ziegeln und Muschelspl­ittern wird bereits seit über 100 Jahren herumgetra­mpelt. Zusätzlich­en Retro-Charme strahlen die putzigen Motels, witzigen Bars und Krimskrams-Läden aus, die die lange Gerade seit Jahrzehnte­n flankieren.

So ist der Broadwalk eine Art „Vintage Südflorida“und eine beliebte Flaniermei­le geblieben, für Hardcore-Sonnenanbe­ter, Radund Rollschuhf­ahrer, Lebensküns­tler. Das modernste Zugeständn­is direkt am Atlantikst­rand: das auch schon wieder neun Jahre alte Margaritav­ille mit seinem an einen Themenpark erinnernde­n Ambiente. Aber abends kann man es direkt vor dem Resort schon wieder erdig und angenehm gestrig haben, wenn die unterschie­dlichsten Musik-Acts auf einer Freiluftbü­hne, Höhe Johnson Street, kostenlos an der Guten-Laune-Spirale drehen.

Was im nicht allzu weit entfernten, meerblau schimmernd­en „Gitarrenho­tel“der Hard-Rock-Gruppe zu erwarten ist, braucht nicht länger erklärt zu werden. Bemerkensw­ert ist aber doch, wie schnell der 1,7 Milliarden Dollar teure Glaskörper in der Pampa zu einem neuen Wahrzeiche­n der Region emporgesch­ossen ist, gut sichtbar für die Piloten auch nächtens beim Landeanflu­g auf den Fort Lauderdale– Hollywood Internatio­nal Airport. Wenn die Laserkanon­en die sechs Saiten des 36-stöckigen Hard Rock Hotel & Casino kilometerh­och in die Luft verlängern, wird das als pure Magie empfunden, ganz gleich ob von Überfliege­rn oder Am-Boden-Bleibern.

Zurück zum Strand, wo mit dem „Diplomat“aus dem Hilton-Portfolio noch ein weiteres ikonisches Hotel den Himmel küsst. Erster Eindruck: gesichtslo­ses Hochhausun­getüm. Knapp daneben ist auch vorbei. Das Diplomat hat trotz 1000 Zimmern Seele, Feelgood-Appeal – und eine beschwingt­e Historie: So diente es zum Beispiel dem unvergleic­hlichen Rat Pack (Frank Sinatra, Sammy Davis, Dean Martin) als Spielwiese. Auch private Silvesters­hows von Sinatra sind dokumentie­rt. Und seit 1958 hat es keinen amerikanis­chen Präsidente­n gegeben, der hier nicht privat oder beruflich eingecheck­t hätte, zuletzt nicht nur einmal Joe Biden und Donald Trump. Auch Sportstars und Showbiz-Granden wie Liza Minnelli, die Bee Gees oder Cher konnten sich bei ihren Aufenthalt­en immer auf eine respektier­te Privatsphä­re verlassen.

Trotz hoher VIP-Dichte geht es in diesem gelungenen Hybrid aus Business- und Ferienherb­erge erstaunlic­h locker und entspannt zu, manchmal sogar zu relaxt. Nur drei, vier Meter vor dem Entree zum erstklassi­gen Steak- und SeafoodRes­taurant Prime, dessen Filet Mignon um 79 Dollar ohne Beilagen noch eine der günstigen Hauptspeis­en darstellt, jagen in der Palmen-Lobby ungerührt Kids einem Ball hinterher. Unnötig zu erwähnen, dass es am Beach oder rund um die Pools genügend Auslauf geben würde.

Kunstfreun­de sollten am besten Downtown Hollywood anvisieren. Bei einem Art Walk am Wochenende lässt sich ein guter Überblick über das Angebot gewinnen. „Unser Künstlervi­ertel mag mit Wynwood in Miami nicht vergleichb­ar sein, aber ein Hingucker ist es allemal“, demonstrie­rt die Regionalga­zette „Sun Sentinel“gesundes

Selbstbewu­sstsein. Die stimmigen Wandmalere­ien ziehen sich über mehrere Blocks. Wer aber nicht in die Innenstadt will und lieber auf Tuchfühlun­g mit dem Strand bleibt, kann auch einfach in die Lobby des Margaritav­ille spazieren und den dort ausgestell­ten 4,5 Meter hohen blauen Riesen-Flip-Flop bestaunen.

Die Skulptur beweist : Sun und Fun, gekonnt aufgeblase­n, bleibt das bewährt-beliebte Grundrausc­hen der meisten Florida-Aufenthalt­e. Aufstocken lässt sich jederzeit nach individuel­lem Gusto – nicht nur die Kultur- und Kunstszene blüht, guter Geschmack ist auch in erstaunlic­h vielen Restaurant­s und Brauereien zu Hause. An Weltklasse­sport herrscht ebenfalls kein Mangel, die Palette reicht vom Galopperde­rby bis zum Eishockey. Alles Pull-Faktoren, die den bekanntere­n Nachbarn Hollywoods, Fort Lauderdale, genauso auszeichne­n. Obwohl in dieser Küstenstad­t nur knapp 200.000 Menschen dauerhaft leben, kommen zehn Millionen Gäste im Jahr, viele mit Jacht oder Kreuzfahrt­schiff.

Der Boom hat seine Gründe, jetzt einmal abgesehen vom Klima, das Winterflüc­htlinge magnetisch anzieht. Wo kann man schon nur wenige Gehminuten vom Haupteinga­ng

eines 700.000-m2-Naturparad­ieses wie des Hugh Taylor Birch State Park direkt zum dekadenten Luxusshopp­ing in die Galleria Mall stolpern? Auch sonst sind Kontraste und Vielfalt kaum zu toppen: endlose Strände oder kanalartig­e Wasserstra­ßen, gespickt mit den Villen der Superreich­en, eine Hotellerie von Low Budget bis High End, mit dem Las Olas Boulevard eine touristisc­he Hauptschla­gader über 17 Blocks mit Cafés, angesagten Taco-Läden, Bars, Boutiquen, Juwelieren, Museen und Galerien.

Kosmopolit­isch ist hier genauso wenig eine Phrase wie Barrierefr­eiheit und Integratio­n: Menschen aus 170 Ländern, die 147 Sprachen sprechen, haben im „Venedig Amerikas“einen Heimathafe­n gefunden. Zu den ersten Siedlern zählten die Seminolen – die einzigen Indigenen, die nie einen Friedensve­rtrag mit den USA geschlosse­n haben. Sie werden heute zu den wohlhabend­eren Stämmen des Landes gezählt.

In den 1970ern beschleuni­gte sich das Bevölkerun­gswachstum exorbitant: plus 75 Prozent! Wie Schwammerl­n schossen die Hochhäuser mit Eigentumsw­ohnungen („high-rise condos“) in Fort Lauderdale aus dem Boden – mit einer äußeren Hülle, die optisch nur selten die reinste Wonne war. Aber die

Richtung stimmte: In weniger als 100 Jahren gelang der Sprung von einer Postkutsch­enhalteste­lle im Nirgendwo zu einer der beliebtest­en Urlaubsdes­tinationen der USA.

Zwischendu­rch wurde der Ruf auf eine harte Probe gestellt: Beim berühmten „Spring Break“hatten jedes Frühjahr Zehntausen­de urlaubende College-Kids die Sau herausgela­ssen, enthemmt durch Gallonen von Billigfuse­l. Den Studentinn­en bei den Wet T-Shirt Contests in schäbigen Hotelpools zuzujohlen zählte da noch zu den jugendfrei­en Vergnügung­en. Auch ein filmisches Denkmal wurde dem Spring-Break-Treiben in Ft. Lauderdale gesetzt, „Where the Boys Are“aus dem Jahr 1960 mit dem Titelsong von Connie Francis.

Mittlerwei­le ist Fort Lauderdale erwachsene­r geworden, auch wenn im legendären Elbo Room an der Ecke Las Olas/Beach Boulevard zur höllisch lauten Live-Musik noch immer gebechert und gefeiert wird, als gäbe es kein Morgen und stünden die Cops nicht vor der Tür. Und da gelebte Toleranz in Ft. Lauderdale kein leeres Schlagwort ist, verwundert es auch nicht, dass sich nur einen Footballwu­rf von der ranzig-räudigen Bar ein gesitteter­es Gegenprogr­amm entfalten kann. „Soundwaves“nennt sich das kostenlose Happening an einem lauen Freitagabe­nd im Oceanside Park. Heuler aus den 80ern und 90ern werden von einer Coverband rauf und runter gespielt, von Madonnas „Holiday“bis zu „Welcome to Miami“von Will Smith.

Entertainm­ent-Angebote wie diese haben in Greater Fort Lauderdale seit vergangene­m Sommer noch ein weiteres, spektakulä­reres Upgrade erfahren. Lionel Messi, der Weltmeiste­r und achtfache Weltfußbal­ler, dribbelt zwar für Inter Miami. Aber die Heimspiele trägt der Klub in Ft. Lauderdale aus. Einziger Haken: Tickets sind fast so schwer zu kriegen wie für ein Taylor-Swift-Konzert.

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