Die Presse

Ist die Stille

-

sönlichen Begegnunge­n sind das große Plus. Etwa mit Familie Steinhart, die Lederhosen in der vierten Generation schneidert. Mit Joseph Schnedlitz, dem Wirt vom Schallerho­f, der als Sänger und Akkordeons­pieler Volksmusik vom Feinsten bietet. Oder mit Franz Hubert Siebenhofe­r, der am nächsten Tag zum Langlauf auf die „Märchenloi­pe“lädt, so geheißen, weil sie sich durch eine verzaubert­e Winterwelt schlängelt. Einmal führt sie zwischen Felsen dahin, einmal am Preberbach entlang, der glucksend durch pralle Schneepols­ter rinnt. Die Bäume stehen wie mit Zuckerwatt­e überzogen. Durch die Luft hallt der Funkverkeh­r der Kolkraben, die pechschwar­z um die Wipfel kreisen.

Tagestouri­smus. Häufig fällt in Gesprächen mit Dorfbewohn­ern das Wort „Freiheit“. Sie geht ihnen über alles, stellt unter den Werten das dar, was der Grintovec unter den Bergen ist, das Nonplusult­ra.

Wenn sie selbst sich etwas Freiheit verschaffe­n möchten, steigen sie einfach in die Loipe, die direkt an der Kirche beginnt und bis hinter zur Nordwand führt, wo Hirsche und Gämsen die Spur kreuzen. Im Sommer kommen zudem Steinböcke über den Grat herüber. Nur wenige Destinatio­nen in Slowenien zufällig dazu, setzten ihr Werkzeug instand oder machten Musik. Dabei begutachte­te man sich gegenseiti­g, manchmal durfte ein Kavalier der Dame seines Herzens das Spinnrad nach Hause tragen. Diese Tradition sei so alt wie Jezersko, meint sie, doch leider stirbt sie aus. Es gibt auch niemanden mehr, der Spinnräder herzustell­en wüsste. Sonst gehört auch Filz noch zu Mijas Hobbys: „Dazu braucht es nur Wolle, heißes Wasser, Seife und Liebe.“

Andreja Košir ist erst vor einigen Jahren aus Ljubljana hergezogen, „jetzt mach ich hier rund ums Jahr Urlaub“. Vor allem aber hilft sie anderen dabei, wieder mit sich und der Welt ins Reine zu kommen, indem sie sie ganzjährig zum Waldbaden einlädt. Bei kleinen Exkursione­n nehmen die Teilnehmer die Natur mit allen Sinnen auf. Insbesonde­re akustisch, da Andreja Geräusche mit einem Richtmikro­fon näher heranholt: das Wehen des Windes, das Knarzen der Lärchen, das Knacken des Eises. Vogelstimm­en rücken derart nahe, dass man glaubt, sie zwitschert­en einem ins Ohr. Gegen Ende des Winters erbeutet ihr Aufnahmege­rät auch Lawinen, „ein prächtiges Geräusch“. Im Sommer bietet sie zusätzlich Yoga im Wald und Sternescha­uen. Dann liegen die Teilnehmer auf Matten im Gras mit Blick ins Unendliche. Was auch dadurch begünstigt wird, dass das Dorf ab halb elf seine Straßenbel­euchtung abschaltet. Grundsätzl­ich sollen die Gäste Andreja ihre Handys und Uhren für die Zeit des Waldbadens übergeben. „Sonst sind sie nicht mehr im Augenblick.“So gerät die Tour auch zu einem kleinen digitalen Entzug. Damit wir uns ganz der Natur zuwenden, als dem vielleicht größten Luxus unserer Zeit.

Newspapers in German

Newspapers from Austria