Öko-Schlösschen mit Zugbrücken
Selten kommt es dieser Tage vor, dass ein Architekt in einem Schlosspark neu bauen darf. Juri Troy hatte die Gelegenheit in Murstetten in NÖ: Wo heute ein wilder Park mit Mauerresten und Skulpturen steht, befand sich einst ein prächtiges RenaissanceSchloss – die Goldburg. 1809 wurde sie von napoleonischen Truppen nach dem Mord an einem ihrer Soldaten in Brand gesteckt – und nie wieder aufgebaut. Das Grundstück aber ist immer noch im Besitz der Nachfahren des einstigen Schlossherrn, und von diesem bekam Troy den Auftrag, eine Bleibe für gelegentliche Besuche zu errichten.
„Es gab eine ganz klare Vorgabe, das vorhandene Budget nicht zu überschreiten und möglichst viel eigenes Material, Holz und Stroh, zu verwenden, da der Bauherr über Wald und landwirtschaftlich genutztes Land verfügt“, umreißt Troy die Ausgangssituation. Er plante ein helles, luftiges Einraumhaus aus Holz und Stroh mit 42 m2 – den „Strohfloh“. Durch die leichte Hanglage entstanden zwei Bereiche: Der südliche, niedrigere Teil ist zu Bach und Garten ausgerichtet und umfasst den Wohnraum mit offenem Küchenbereich, im nördlichen, zweigeschoßigen Teil liegen Eingang, Bad und Schlafgalerie. Der Wohnraum verfügt über eine großzügige Verglasung, die in Richtung Garten und Bach vollständig geöffnet werden kann.
Das Konzept: nachhaltig in allen Facetten. „Wir haben das Objekt aufgeständert, es berührt das Gelände nur über die 15 Schraubfundamente. Dafür wurden große Schrauben in den Boden gedreht und darauf die Bodenplatte gelegt. Das Haus versiegelt dadurch keine Bodenfläche“, erläutert Troy. Auf die Bodenplatte kamen als Isolierung Strohballen mit 36 cm Höhe, auf denen dann der Fußboden aus Fichte verlegt wurde. Das Gebäude selbst ist in Holzständerbauweise errichtet, und sowohl Wände als auch Dach wurden mit Strohballen gedämmt. „Das haben wir mit einem ehemaligen Mitarbeiter, der sich als Strohbauer selbstständig gemacht hat, umgesetzt.“
Alle verwendeten Materialien kamen aus der unmittelbaren Umgebung. Auch die Vorverarbeitung des Holzes erfolgte in Betrieben der Nachbarschaft. Natürlich wurde auch energietechnisch nachhaltig gebaut. Wärme und Energie werden über Fotovoltaik auf der Dachfläche gewonnen und per Fußbodenheizung verwendet. Dadurch wurde eine Haustechnik überflüssig, „das Einzige ist ein Boiler, der unter der Treppe situiert wurde“. Im Sommer wird mehr Energie erzeugt als verbraucht, im Winter muss eventuell zusätzliche Energie eingesetzt werden.
Auch das Hausinnere wurde von Troy gestaltet. „Die Idee war, den Rhythmus der Außenwände durch eine raumhohe Regalkonstruktion auch im Inneren erlebbar zu machen. Ganz abgesehen davon, dass dadurch jede Menge Stauraum, Arbeitsflächen sowie Sitznischen in den Fenstern entstehen.“Was dem Architekten besonders gefiel, war das Mitarbeiten bei Strohdämmung und Tischlerarbeiten. „Eine sehr schöne Erfahrung, tatsächlich Hand anlegen zu können und direkt mitzuerleben, wie etwas entsteht“, sagt Troy.
Eine augenzwinkernde Reminiszenz an frühere Zeiten sind die Stege am Eingang und in den Garten. Als Clou können sie wie Zugbrücken hochgeklappt werden – womit sich das Haus in eine uneinnehmbare Trutzburg verwandelt, „in eine geschlossene Schachtel“, wie der Architekt meint. „Das hat auch mit praktischen Erwägungen zu tun. Das Gebäude steht durch das Aufständern rund 70 cm über dem Boden, und der nahe Bach kann bei Starkregen viel Wasser führen. Zudem benötigt man keine weiteren Sicherungsmaßnahmen für das Haus.“Und so lebt der Nachfahre der stolzen Schlossbesitzer mit Frau und Kind zumindest zeitweise auf nachhaltig gebauten Quadratmetern – und dennoch in einer winzigen Trutzburg.